Rote Gefahr in NRW

Aussteigerprogramm Eine Sitzblockade gegen Faschist*innen oder der zivile Protest im Hambacher Forst ist für den NRW eine linksextremistische, demokratiefeindliche Angelegenheit.

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Die Regierung Nordrhein-Westfalens inittiert ein sogenanntes Aussteigerprogramm "Linksextremismus" mit der Begründung, ähnliche gäbe es auch für "Rechtsextremismus" und Islamismus. Wirft man allerdings einen Blick in die Beschreibung des Programms, muß man unweigerlich feststellen, daß die Behörden resp. Verantwortlichen 1) den Begriff "Linksextremismus" propagandistisch mit dem rechtsradikalen Bild von Antifaschist*innen gleichsetzt, sprich Linke seien grundsätzlich erwerbs-, obdach- und sozial verwahrlost und 2) verweigert sie durch diese Banalisierung und Negation der eigentlichen Verhältnissen eine politische Diskussion über die komplexe Thematik. Gehen wir ins Detail. Das Landesamt für Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen formuliert das Aussteigerprogramm als zugeschnitten auf zwei Gruppen: deutsche und ausländische "Linksextremist*innen". Deutsche werden beispielsweise mit der autonomen Bewegung und der Antifa erklärt, ausländische als Mitglieder von türkisch-kurdischen Parteien wie PKK und DHKP-C, welche als "Terrororganisationen" gelistet werden. Durch diese Beispielsetzung klafft allerdings die eigene Methodik, sich dem Phänomen anzunähern, d.h.: Deutsche "Linksextreme" werden primär als autonome, nicht-organisierte und subjektivistisch handelnde Personen beschrieben, derweil ausländische als konzentrierte, straff organisiert handelnde Parteikader herhalten müssen.

Diese Gleichsetzung bemüht unweigerlich die Propaganda der radikalen Rechten, die die Antifa als "Terrororganisation" zu wissen mag, bei der Vergleiche mit der faschistischen SA nicht selten herangezogen werden. Es heißt in der Sprache der Regierung auch, daß autonome Hausbesetzungen gleich schwer wiegen resp. eine dialektisch gleichwertige Gefahr für den Staat bedeutet, wie gezielte, militaristische Handlungen von Guerilla-Kämpfer*innen. Die bittere Ironie ist jedoch, daß viele türkische Kommunist*innen in Deutschland, die de jure in einer legalen Organisation tätig sind, dennoch auf Geheiß der türkischen Regierung (vor)verurteilt werden. Als Ziel formuliert das Programm die Reintegration in die "demokratische Gesellschaft", welche hier jedoch vollkommen undefiniert herhalten muß. Vorverurteilte "Linksextremist*innen", die beispielsweise im juristisch sauberen Bereich operieren, um eine Kritik zu formulieren, wie die Wahrnehmung ihres Versammlungs- und Demonstrationsrecht werden als fern der Demokratie betrachtet. Eine Sitzblockade gegen Faschist*innen oder der zivile Protest im Hambacher Forst ist in derem Vokabular eine "linksextremistische", demokratiefeindliche Angelegenheit. Womit die Frage nach der Demokratie hier bereits beantwortet wurde.

Sekundär betont das Programm den Willen, potentielle Aussteiger*innen behiflich zu sein bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie bei der "Sucht- und Schuldnerberachtung" (sic). Das heißt: für das Landesamt des Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist es die Regel, daß "Linksextreme" erwerbs- und obdachlos sind sowie sich in einer Drogen- und Schuldsucht wähnen. Damit wird das alte Bild der radikalen Rechte reproduziert, in dem Linke als "arbeitsscheue und asoziale" Personen beurteilt werden, eine Herangehensweise, die auch die Nationalsozialist*innen bevorzogen. Was bleibt: Das sogenannte Aussteigerprogramm "Linksextremismus" vorverurteilt die politische Linke und spielt der radikalen Rechte durch staatliche Verbreitung gängiger Klischees konsequent in die Hände. Dieses Programm ist ein reines Propagandainstrument und wird nicht den Erfolg erzielen, den es suggeriert, doch das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gar nicht deren Zweck.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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