Die nächste Ausnahme

Sudan Die Linkspartei stimmte mehrheitlich für die militärische Evakuierung deutscher Staatsbürger*innen aus dem Sudan. Vom Pazifismus ist nur noch die Floskel übrig.

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Die Evakuierung deutscher Staatsbürger*innen aus dem Sudan durch die deutsche Bundeswehr wurde mittlerweile beendet – und dem Mandat durch das Parlament nachträglich zugestimmt. Im Sudan eskalierte Anfang des Monats der Konflikt zwischen der Armee unter dem Machthaber Abdel Fattah-Burhan und der paramilitärischen Gruppe unter dem Kommando des Vizes Mohammed HamdamDaglo. Der Staat steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Die BRD veranlasste hiernach eine sofortige Evakuierung von dort sesshaften oder lebenden deutschen Staatsbürger*innen, deren Evakuierung am Dienstag ihr Ende fand. Neben etwa 200 Deutschen wurden 500 weitere Staatsbürger*innen ausgeflogen, derweil noch einige wenige im Land sind, die jedoch die Möglichkeit haben, auf dem Ticket anderer Staaten herauszufliegen. Die militärische Evakuierung wurde von etwa 1000 Soldat*innen und Spezialkräfte der Bundespolizei begleitet. Neben Personen wurde aus dem Sudan auch Material zurück in die BRD geflogen. Das Mandat findet am 31. Mai 2032 sein formales Ende. In diesen vier Wochen sollten noch weitere Menschen ausgeflogen werden, wobei von einer bis zu 1600 Soldat*innen die Rede ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Bundeswehr formal eine sogenannte Parlamentsarmee ist, muss jeder Einsatz vom Parlament abgesegnet werden. In der Regel ist es im bürgerlichen Staat eine reine Formsache – ein Novum ist allerdings, dass auch eine Mehrheit der Linksfraktion für das Mandat stimmte.

Die Linkspartei, die ihre Wurzeln in einer antimilitaristischen Tradition verortet, hat nun angefangen, ihre pazifistischen Ideale über Bord zu werfen. Als vor zwei Jahren dem militaristische Evakuierungseinsatz aus Afghanistan nur eine Handvoll der Abgeordneten zustimmen, sind es bei diesem 27 Parlamentarier*innen. Bei insgesamt 35 abgegebenen Stimmen gab es keine Ablehnung und sieben Enthaltungen. Der Abstimmung völlig ferngeblieben waren fünf Abgeordnete, denen man zuschreiben könnte, dadurch die Verweigerung kundzutun. Nichtsdestoweniger zeigt diese Abstimmung den nächsten konsequenten Schritt in die Bedeutungslosigkeit respektive politische Liquidation. Von denen, die für den Einsatz stimmten, wird moralisierend von einer Notwendigkeit gesprochen, die Menschen in diesem Moment zu retten, bei der völligen Ignoranz gegenüber alternativen Möglichkeiten. Dass die bürgerliche herrschende Klasse die militaristische Evakuierung nicht aus rein humanitären Möglichkeiten nutzt, sondern damit auch geopolitische Interessen anstrebt beziehungsweise unterstreichen möchte, liegt offen auf der Hand. Erst vor kurzem wurden im westafrikanischen Niger und Mali die deutsche militärische Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent durch Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) untermauert. Wie 2021 nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan wird das militärische Mittel als alternativlos bezeichnet.

Dass das die Logik der bürgerlichen Klasse ist, ist nicht verwunderlich. Dass sich eine linke Partei dieser Logik beugt, ist jedoch mindestens fragwürdig in Hinblick auf ein Selbstverständnis, die bestehende Verhältnisse umzuwerfen. Damit scheint es die Linkspartei schon lange nicht mehr zu haben. Die rapide Rechtsentwicklung der Partei, torpediert durch den Krieg in der Ukraine, erreicht mit der Zustimmung eines militärischen Einsatzes seinen nächsten Höhepunkt. Noch am 20. April schrieb Ali Al-Dailami, dass solch ein Bundeswehreinsatz „unkalkulierbare Risiken“ berge. Stattdessen brauche es „eine diplomatische Lösung“ sowie „sichere Korridore“ für die humanitäre Gruppe zur Evakuierung der Menschen im Sudan. Davon scheint nichts mehr übrig geblieben zu sein. Al-Dailami gehört zwar zu den sieben Abgeordneten, die sich enthielten, dennoch stehen diese Worte in einem diametralen Gegensatz zum Mandat. Denn diese Evakuierung dient in erster Linie auch nur Menschen, die Staatsbürger*innen sind. Sudanes*innen, die unter dem aufkommenden Krieg und dem blutigen Konflikt leiden, werden von diesem militärischen Einsatz nichts haben. Dieser vermeintlich humanitäre Einsatz der BRD, getragen von der Linkspartei, ist ein nationalistisches Abenteuer, um die Rettung eigener Bürger*innen mittels militärischer Dominanz zu ermöglichen.

Es ist freilich keine wirkliche Verwunderung, das Verhalten der Linksfraktion bei der Evakuierung zu beobachten. Ein ausschlaggebendes Element der schleichenden Spaltung dreht sich um das pazifistische respektive militärische Profil, welches nicht nur während des Krieges in der Ukraine eine Rolle spielt. Stimmen, die Haltung zur NATO zu überdenken, werden nicht nur lauter, sondern konkreter. Das ist die logische Konsequenz aus der derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung, die auch an einer Partei nicht haltmacht. Doch anstatt sich klar zu positionieren, findet eine unaufhaltsame Anpassung statt, die nicht anders kann, sich den Regeln des bürgerlichen Staates zu unterwerfen. Dieses Novum der Linkspartei im Sudan reiht sich ein in die ganzen anderen Nova der Linkspartei in den vergangenen Monaten. Das Neue wird zur Gewohnheit, und die Gewohnheit zur Norm. Es ist hiernach nur noch eine Frage der Zeit, bis nicht nur als humanitär getarnte Missionen Bundeswehreinsätze abgenickt werden, sondern offen konfrontative.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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