Es hat erstaunlich lange gedauert, bis der Tagesspiegel als erstes größeres Medium auf das Thema aufgesprungen ist, und am 31. August 2021 titelte: „Streit über mutmaßliches Sexualdelikt bei ‚Deutsche Wohnen & Co. enteignen‘“. Die Autoren Pascal Bartosz und Alexander Fröhlich berichten, dass dem Mitgründer und bisherigen Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, Michael Prütz, vorgeworfen wird, eine Frau sexuell übergriffig berührt zu haben. Der Vorfall soll sich bei der Übergabe von 30.000 Unterschriften durch die Linkspartei an die Initiative für den Volksentscheid am 21. Juni auf dem Rosa-Luxemburg-Platz ereignet haben.
Vor über einem Monat waren bereits zwei Artikel dazu bei Telepolis erschienen, am 24. Juli „Willkür statt Aufklärung: Vorwurf sexueller Nötigung und ‚Täterschutz‘-Framing für Grundrechte“ von einem Autor mit dem Pseudonym Fabian Stepanek (laut Autorenportrait zu seinem Buch „Wo die AfD recht hat“) und am 30. Juli von Rainer Balcerowiak „Rechtsfreie Räume in linken Köpfen“. Am 20. August legt Balcerowiak auf den Nachdenkseiten nach: „Deutsche Wohnen&Co enteignen: Wie die linke Inquisition eine Bewegung zerstört“.
Die durchgängig von Männern verfassten Artikel sind mit einem Tenor von Empörung verfasst, der in vielen Kommentaren bei Telepolis aufgegriffen wird, teils mit frauenfeindlichen Aussagen. Wenn es stimmen sollte, dass durch die Initiative eine Vorverurteilung von Prütz stattgefunden hat, dann wäre das in der Tat zu kritisieren. Insofern ist Rainer Wild vom Mieterverein zuzustimmen, der es in einer von Balcerowiak zitierten Stellungnahme als selbstverständlich bezeichnet, „dass es bei einem Vorwurf einer Straftat nicht an uns ist, dies zu bewerten. Dafür gibt es die rechtsstaatlichen Verfahren. Insoweit gilt die Unschuldsvermutung.“
Diese Unschuldsvermutung muss jedoch für beide Seiten gelten. Wenn nun in Kommentaren und auf Mailinglisten spekuliert wird, dass es sich bei der Beschuldigung um eine gezielte Schädigung der Initiative handelt, dann ist das ebenso zu kritisieren, denn damit wird die Frau beschuldigt, gelogen zu haben. Sicher macht es misstrauisch, wenn im Höhenflug einer Kampagne, die viele machtvolle Gegner hat, ausgerechnet eine von deren zentralen Personen mit einem solchen Vorwurf konfrontiert ist. Aber gerade weil das eine so heikle Angelegenheit ist, ist es um so wichtiger, damit zurückhaltend umzugehen und nicht alle Erkenntnisse und Erfahrungen mit sexueller Gewalt über Bord zu werfen.
Sexuelle Übergriffe sind weit verbreitet und unberechtigte Vorwürfe eher eine Ausnahme. Das beweist im Einzelfall nichts. Jedoch ist das Definitionsmacht-Konzept, das angeblich dem Umgang der Initiative mit dem Vorwurf zugrunde liegt, eine notwendige Voraussetzung für jede Beratung und Begleitung von Opfern sexueller Übergriffe und Gewalttaten. Insofern ist es richtig und notwendig, dass das nahe persönliche und politische Umfeld einfühlsam und unterstützend reagiert. Nur wenn den Betroffenen bedingungslos geglaubt und ihre Wahrnehmung des Vorgefallenen nicht angezweifelt wird, haben sie zumindest eine Chance, die ganze Situation emotional und gegebenenfalls auch rechtlich halbwegs (!) unbeschadet zu überstehen. Wessen sexuelle Integrität angegriffen wurde bzw. wer sich als angegriffen empfindet, braucht parteiliche Unterstützung. Jede Infragestellung kann zur weiteren Traumatisierung beitragen. Diese Erkenntnis droht in der aktuellen Auseinandersetzung unterzugehen.
Allerdings ist es wichtig, zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Betroffenen und der Feststellung objektiver Tatsachen zu unterscheiden. Selbstverständlich kann die anzuerkennende Wahrheit der Betroffenen nicht gleichsetzt werden mit der objektiven Wahrheit – die oft ohnehin nur sehr schwer oder gar nicht herauszufinden ist, denn dass es in solchen Situationen sehr konträre Wahrnehmungen der Beteiligten geben kann, liegt auf der Hand. Insofern ist es ebenso falsch, davon auszugehen, dass der Beschuldigte aufgrund der Vorwürfe automatisch ein Täter sei, wie es falsch ist, anzunehmen, die Frau hätte gelogen.
Bis zur Klärung empfiehlt es sich allerdings, dass sich die Betroffenen erst einmal zurückziehen, was insbesondere von einem beschuldigten Mann erwartet werden kann, wenn er seine Rolle in einer patriarchalen Gesellschaft hinreichend reflektiert hat. Denn wenn es zur Schlammschlacht kommt – was die Schilderungen nahelegen –, dann verlieren letztlich alle, und es wird schwer, überhaupt noch aufrecht aus der Situation herauszukommen. Die nicht direkt Betroffenen sollten sich in dieser Situation in Zurückhaltung üben, nicht Stimmung machen und aushalten, dass mensch nicht immer alles ganz genau weiß.
Dass der Tagesspiegel erst jetzt berichtet, kurz vor der Abstimmung, legt die Vermutung nahe, dass dem Volksentscheid damit – mit dieser Berichterstattung, nicht mit dem von der Frau erhobenen Vorwurf! – Schaden zugefügt werden soll. Der Verweis auf eine anonym bleibende „gut vernetzte Gewerkschafterin“, die angeblich „die ‚Interventionistische Linke‘, die in der Kampagne mittlerweile den Ton angeben soll, als ‚wohlstandsverwahrloste Narzissten-Truppe‘“ bezeichnet hätte, ist mit einem Link auf einen Tagesspiegel-Artikel vom 4. August versehen, in dem jedoch diese vermeintliche Quelle und deren Aussage überhaupt nicht genannt ist. Es bleibt ein Eindruck von Denunziation.
Heute sind im nd-online zwei Beiträge erschienen, „Sozialisierer mit Angriffsfläche“ und „Harte Vorwürfe von allen Seiten“. Im zweiten heißt es, die Presseabteilung der Initiative würde an einer Erklärung arbeiten. Die ist nun auch dringend nötig. Die Initiative sollte sich vielleicht auch externe Unterstützung für die weiteren Diskussionen suchen, denn aus eigener Kraft aus einem solchen Schlamassel herauszufinden dürfte sehr schwer sein.
Kommentare 23
Ein sehr guter Artikel und eine überfällige Antwort auf einige Männer, die bei deser Auseinandersetzung gleich erkämpfte feministische Positionen wie die Definitionsmacht der Frau abräumen wollen. Elisabeth hat hier sehr differenziert argumentiert. Mich erinnerz das an die Kampagne gegen die beiden Frauen, die Assange angezeigt hatten. Sie wurden damals auch gleich in die Nähe von CIA-Agentinnen gerückt.
Es gab damals eine wenig beachtete Widerrede:
https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/201efree-assange201c-2013-nicht-in-unserem-namen
Das bezog sich nur auf die Ermittlungen wegen Vergewaltigung in Schweden. Als diese Ermittlungen eingestellt wurde, galt es, Assange vor der US-Justiz zu bewahren. Das wurde damals nie in Abrede gestellt. Es wurde eben differenziert.
Vielleicht sollte es auch aktuell einen Aufruf zur Verteidigung von durch feministische Kämpfe erzielte Erfolge geben. Das wäre dann keine Parteinahme in der aktuellen Auseinandersetzung bei DW Enteignen. Aber eine Widerrede gegen einen antifeministischen Backlash.
Peter Nowak
Backlash? Ja bitte!
Ein aus dem Ruder gelaufenen Feminismus, der mal so eben scheißt auf rechtsstaatliche Grundprinzipien wie die Unschuldsvermutung - der gehört ganz klar zurückgedrängt.
Schon die Kampagnen von Steuer-Alice gegen den freigesprochenen Jörg Kachelmann oder von "Team Gina Lisa" für die letztlich rechtskräftig verurteilte Frau Lohfink zeugen von einem faktenbefreiten Fanatismus.
Michael Prütz, dessen Existenz hier zerstört werden soll, hat mittlerweile Strafanzeige gegen die Denunziatorin erstattet. Dagegen ist ihm von einer gegenteiligen Anzeige wegen eines sexuellen Übergriffs nichts bekannt. Auch interessant...
„Sexuelle Übergriffe sind weit verbreitet und unberechtigte Vorwürfe eher eine Ausnahme.“
Dieser Satz läßt mich schmunzeln.
„Allerdings ist es wichtig, zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Betroffenen und der Feststellung objektiver Tatsachen zu unterscheiden.“
Da bekam ich einen Lachkrampf.
Was da so alles aus Wokistan kommt, das kann man seriöserweise wirklich nur noch aus medizinischer Perspektive diskutieren! Und das Schlimmste ist: Die fangen dort gerade erst an!
Zuallererst müßte man mal wissen, was passiert ist. Leider schweigt sich der Blog dazu vielraunend aus. Auf der anderen Seite nimmt er dreiviertel seines Volumens in Beschlag, um betreffs ebenjenem Ereignis, dass er nicht näher ausführen will, a) zu äußerster Zurückhaltung aufzurufen, b) betreffs dem Ereignis – so es denn stattgefunden hat – eine ideologische Handreichung abzuliefern, wie es – sofern es überhaupt stattgefunden hat – zu bewerten sei.
Sorry, aber im Ernst: Habt ihr sie noch alle?
A Auch wenn nicht wenige das wahrscheinlich anders sehen: Das Volksbegehren betrifft zunächst einmal zwei eng miteinander zusammenhängende Themen: (zu hohe) Mieten und die Profititis von Deutsche Wohnen & Co. Folglich spielt hier zuallererst die Musik. Wozu möglicherweise auch gehören kann, dass man sich gegen die zu erwartenden Schmutzkampagnen zur Wehr setzt.
B Der im Blog verdruckst angedeutete Vorfall gehört aufgeklärt. Ich habe aktuell wenig Kenntnis (vielleicht ergibt sich aus der Lektüre von Tagesspiegel & Telepolis ja noch ein etwas schärferes Bild, aber das tut zunächst nichts zur Sache). Die im Beitrag verwendete Formulierung »berührt« (anstatt: »belästigt«, »schwer belästigt« oder »Vergewaltigungsversuch«) lässt eigentlich nur zwei Folgerungen zu: a) es handelt sich um einen Vorfall im absoluten Bagatellbereich, b) die Gegenseite hat einen »Vorfall« in Szene gesetzt. In beiden Fällen jedenfalls wäre ein etwas offensiverer Umgang mit der causa nicht schlecht – je nach Fall auch ein Klarrücken von Relationen.
C Nachhilfeinheiten generellerer Art in Sachen Sexismus und der üblichen derlei auf den Fuße folgenden Gesamtpackung mag zwar allgemein unverzichtbar sowie – je nach Standpunkt – unentbehrlich sein. Die aktuelle Kampagne ist dafür jedoch definitiv der falsche Platz. Zumal – so deutet zumindest der Blogbeitrag an – nichts größer gelaufen ist. Klaro kann man sich auf das Terrain von »Tagesspiegel« & Co. begeben. Dann allerdings wäre vielleicht auch mal eine Aufklärungseinheit fällig in Sachen »Wohnung gegen Sex«. Also die miesen Abhängigkeiten, die »Tagesspiegel« & Co. nimmer thematisieren. Weil sie, egal welche Schweinereien dort passieren, stetig treu auf der Seite des Wohn- und Immobilieneigentums stehen – Leichen im Keller (etwa aufgrund »heißer Sanierung«) inklusive.
Vielleicht hätten Sie doch besser zuerst die verlinkten Artikel gelesen?
Mittlerweile alle durch – und die zwei im ND dazu. Und wie ich es mir schon gedacht hatte: kein Grund, auch nur ein Wort in meinem Post zu modifizieren.
Zum Rest: Ich weiß nicht, was ich ekliger finden soll: die aufgezäunte Tribunalform auf Basis dieses sogenannten »Definitionsmacht«-Konzepts, bei der die Anschuldigung unhinterfragbar ist und bereits für einen »Schuldspruch« genügt, oder die darauf gesetzte Druckausübung auf den Schuldgesprochenen, sich in der Öffentlichkeit nicht über die causa zu äußern beziehungsweise sogar zu lügen. Sorry – aber bei dem Menschenbild, dass derartigen Inquisitionspraktiken zugrunde liegt, kommt mir persönlich nur noch das Gruseln.
Aus politischer Warte wäre vielleicht noch zu ergänzen, dass das dahintersteckende Konzept aus der Identitätspolitik-Ecke entsetzlich dumm ist. Und jede Gruppe / Person zur fetten Beute von Interessensgruppen macht, die politische Bewegungen desavouieren wollen.
Was aktuell anscheinend gelungen ist. Möglich, dass die Giffey-SPD – mit freundlicher Unterstützung von IL sowie identitätspolitisch fokussierten Netzfeminist(inn)en – den Volksentscheid-Ausgang mit dieser Schmuddelgeschichte zumindest empfindlich deckeln kann. Auch an Vorfalls-Aufklärung scheint zumindest das Koordinationskommitee (respektive die dort tonangebende Mehrheit) extrem desinteressiert zu sein – die Reinheit der Ideologie hat wohl auch dann Vorfahrt, wenn der gesamte Rest in die Binsen zu gehen droht. Obwohl, nettestmöglich formuliert, sowohl der geschilderte Vorfalls-Ablauf als auch die Begleitumstände genügend Anlass böten, genauer hinzusehen. Naja, Ideologie – ich wiederhole mich. Sollte die Geschichte jedenfalls ein Scope der Bürgerlichen gewesen sein, war’s ein guter.
Frei nach dem Motto: Die Linke fickt sich am liebsten selbst.
Aber wieso soll denn ein juristisches Urteil das einzige Kriterium der Beurteilung sein? Das machen wir doch im Fall von Arbeitsgerichten oder im Fall von Auseinandersetzungen im Mietrecht auch nicht. Nur ein Beispiel: Der Kasserin Emmely war von mehreren Instanzen des Arbeitsgerichts bescheinigt worde, dass ihre Kündigung wegen angeblicher Unterschlagung von Flaschenbonds korrekt ist .Das wurde aber nicht akzeptiert, sondern war der Ausgangspunkt der Solidaritätskampagne mit der Kassiererin, deren Kündigung später auch juristisch aufgehoben wurde.
Der Sachverhalt kurz zusammengefasst:
Eine Aktivistin der Kampagne DW Enteignen behauptet, ein anderer Aktivt der Kampagne habe auf einer öffentlichen Veranstaltung ihre Hand gegen ihren Willen genommen und an seinen Penis geführt. Der Beschuldigte bestreitet es.
Wie die Kampagne jetzt mit einen solchen Sachverhalt umgehen soll, ist Gegenstand der gesamten Auseinandersetzung:
1.) Da es zwei unterschiedliche Aussagen alles so belassen wie es ist.
2.) Im Sinne des Definitionsmachtkonzept erst einmal der Frau glauben und den Mann zum Rückzug zu veranlassen.
Diese Vorgehensweise sorgt jetzt für die Auseinandersetzungen:
Der Hintergrund ist der, dass viele Gruppen aus dem feministischen und postautonomen Spektrum die Angaben von Menschen, die von sexuistischer und rassistischer Gewalt betroffen sind, erst einmal akzeptieren und danach ihr Handel ausrichten. Das bedeutet nun keine juristische Verurteilung, aber Sanktionen im Umgang der jeweiligen Initiative, des Hausprojekts etc. Dagegen wird dann argumentiert, damit werde die Unschuldsvermutung und damit eine wichtige Säule von rechtsstaatlichen Verfahren verletzt.
Die Konzepte von Definitionsmacht geht aber davon auf, dass die angebliche Objektivität des bürgerlichen Rechtsstaat blind ist, vor der sexistischen und rassistischen Gewalt. Was oft dazu führte, dass oft Anzeigen wegen sexistsicher oder rassistischer Gewalt nicht verurteilt wurden.
Es bleibt natürlich weiterhin in jeden einzelnen Fall die Frage, ob das Konzept der Definitionsmacht da trägt. Daher wird es immer umkämpft sein, was jetzt auch die heftigen Auseinandersetzungen im Fall. von DWenteignen zeigt. Ich dekne, es sit sehr gut, dass über das Konzept gestritten wird und es auch immer wieder hinterfragt wird. Es sollte nur nicht vergessen werden, dass es von Betroffenen dieser sexistischen und rassistischen Gewalt in der Auseinandersetzung mit dem Umgang von bürgerlichen Staatsapparaten entwickelt wurde.
Peter Nowak
Zum Meisten von meiner Seite aus wenig Widerspruch. Allerdings sehe ich den Kardinalfehler der ganzen Angelegenheit doch darin, dass der Koordinationsauschuss versucht hat, in Sachen Definitionsmacht-Konzept quasi ein Exempel durchzudrücken. Wobei gerade im konkreten Fall ein genauer (und nicht ausschließlich auf das – mutmaßliche – Opfer fokussierter) Blick nötig gewesen wäre: speziell auch im Hinblick auf die zahlreichen Ungereimtheiten, welche die Plausibilität der ganzen Geschichte doch ziemlich relativieren. Zieht man die ab, steht letztlich Aussage gegen Aussage. Dass ungeachtet mehrerer Plausibilitätsmankos quasi nach »Schema F« verfahren und ausschließlich Aussage A Gehör finden soll und Aussage B explizit nicht, ist jedenfalls – und da bekomme ich ganz persönlich Schüttelfrost – reine Ideologie: und zwar der Sorte, die für sich vermeint, sich ideologiehalber über Fakten jederzeit hinwegsetzen zu können.
Wie man damit am besten verfahren wäre, liegt meines Erachtens auf der Hand: intern erst mal mit einem Monitoring, bei dem BEIDE Seiten auf ergebnisoffene Weise gehört worden wären. In Anbetracht der Wichtigkeit der Kampagne hätte man sich dann immer noch auf einen gesichtswahrenden Weg einigen können. Sicher muß es auch möglich sein, bei frappierenden Vorkommnissen auch wichtige Leute von ihrem Posten zu entfernen oder, bei gravierenden Vorkommnissen, auch mit »Platzverboten« zu belegen. Im konkreten Fall sehe ich allerdings die angeblichen Verstöße nicht mal im Ansatz belegt. In Anbetracht einer solchen Konstellation kann das Beharren auf fragwürdigen Definitionsmacht-Konzepten nur Feuer am Bau einer Kampagne sein, von dem die Bürgerlich-Rechten am meisten profitieren.
In allen bisherigen Szenarien gingen wir davon aus, DASS es einen Vorfall gegeben hat. In Erwägung zu ziehen wäre schlussendlich auch die Option, dass er nicht oder jedenfalls so nicht stattgefunden hat. Was allerdings zu weiteren Fragen führen würde.
Das Beispiel ist ein argumentatives Eigentor. Es ist doch genau umgekehrt:
Das Vorgehen der Ultrafemi-Sekte entspricht ja der Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber im Fall Emmely.
Erstmal rausschmeißen. Wird schon was dran sein.
Zudem nötigt diese Femigida Michael Prütz zu lügen.
Diese IL ist ein Haufen kranker Extremisten. "Wohlstandsverwahrloste Narzisstentruppe" trifft es schon ganz gut.
Auch Ihr Assange-Beispiel ist ein Rohrkrepierer: Die Anklage aus Schweden wurde ja just in dem Moment fallengelassen, als Assange wunschgemäß im Knast saß.
Die Verdachtskündigung ist gesetzlich verankert (https://www.sozialrecht.jura.uni-koeln.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Loesung_11.pdf).
Das Besondere im Fall von Emmely war doch, das die Kündigung in mehreren Instanzen bestätigt wurde und dass dann eben Initiativen die Urteile in ihren Widersand gegen die Kündigung bestärte. Daher ist es merkwürdig, wenn jetzt Gruppen wie die IL und Feministinnen angegriffen werden, weil der Verdacht eines sexuellen Fehlverhaltens schon Konsequenzen hat. Dabei geht es aber eben nicht um einen juristischen Schuldspruch.
Diese Konsequenzen, dass sich der beschuldigte Mann zunächst zurückziehen muss, bedeuteten eben keine Schuld und der/die Beschuldigte ist auch nicht der Täter oder die Täterin anzusehen. Vielmehr müssen die Vorwürfe dann untersucht werden. Wenn sich herausstellt, dass sie unbegründet sind, muss es eben auch eine Rehabilitierung bzw. Wiedereinsetzung geben.
Ich habe den Eindruck, dass bei der Kritik am Umgang mit den Fall von der Mehrheit von DWenteignen die beiden Sachen immer durcheinander geworfen werden. Kurzfristige Konsequenzen nach einem Vorwuf sind eben kein Schuldspruch und dürfen auch eine Untersuchung der Vorwürfe nicht ersetzen. Diese Untersuchung sollte auch zeitnah erfolgen und dabei müssne dann auch alle Betroffenen eingezogen Sollte das auch von der Mehrheit bei DWenteignen durcheinander geworfen worden sein, ist die Kritik berechtigt.
Wenn es aber nur um vorläufige Konsequenzen gegangen ist, und eine Untersuchung geplant war, kann ich darin nichts kritikwürdiges empfinden. Gerade der Begriff "Ultrafemi-Sekte" lässt doch vermuten, dass da eben Diskussionen und Kämpfe von transnationalen feministischen Bewegung pauschal abgelehnt werden. Würde denn genau so kritisiert, wenn P. nicht ein sexistischer Übergriff sondern beispielsweise Unterschlagung von Geld oder das Fälschen von Unterstützungsunterschrifen vorgeworfen worden wäre und die Untersuchung der Vorwürfe würde sich als schwierig und zeitaufwendig erweisen und erwäre zunächst von seiner Funktion entbunden worden, bis die Sache aufgekärt ist? So gehen ja viele Vereine, Parteien etc. um, wenn Vorwürfe gegen Funktionsträger*innen laut werden. Sie werden von ihren Funktionen suspendiert und dann wird eine Klärung des Sachverhalts versucht. Die/der Beschuldigte ist dann eben kein/e Täter*in, aber es gibt schon Konsequenzen. Eine sehr harte Form solcher Konsequenzen ist überigens die Untersuchungshaft. Die davon Betroffenen sind Beschuldigte, aber keine Täter*innen. Es gibt Freisprüche vom Vorwurf. Es ist also alltäglich und im bürgerlichen Rechtssystem eingebunden, dass es Konseqenezen vor einer rechtskräftigen Verurteilung gibt und das auch im Umgang mit Funktionsträger*innen in Vereinen, Parteien etc. Alltag ist.
Im Fall von DWenteignen geht es um den Vorwurf eines sexistischen Übergriffs, was wohl der Grund ist, dass die Aufregung so groß ist.
Hier übrigend ein Telepolis-Beitrag, der sehr differenziert dazu argumentiert:
https://www.heise.de/tp/features/Berlin-Mutmasslicher-Belaestigungsfall-bei-Mieterkampagne-birgt-politische-Gefahren-6182693.html
"Gerade der Begriff "Ultrafemi-Sekte" lässt doch vermuten, dass da eben Diskussionen und Kämpfe von transnationalen feministischen Bewegung pauschal abgelehnt werden"
Ach Gottchen. Die IL-Sekte demonstriert recht anschaulich, dass sich in - auch begrüßenswerten - politischen Strömungen immer auch widerliche Extremisten tummeln. Im Windschatten der sexuelle Befreiungseuphorie segelten einst bei den Grünen fröhlich Päderasten mit, deren perverse Allmachts- und Beherrschungsphantasien über Kinder einem grundsätzlich reaktionären Menschenbild entstammen.
Auf den reaktionären Exklusionsfanatismus der Femigida wird man in 20 Jahren vielleicht ähnlich schaudernd zurückblicken.
»Kurzfristige Konsequenzen nach einem Vorwuf sind eben kein Schuldspruch und dürfen auch eine Untersuchung der Vorwürfe nicht ersetzen. Diese Untersuchung sollte auch zeitnah erfolgen und dabei müssne dann auch alle Betroffenen eingezogen (…)«
Exakt eben dies ist ist – zumindest bislang – eben NICHT geschehen. Im Gegenteil: Der Koordinationsausschuss hat eine Prozedur auf den Weg gebracht, deren Kern eben der ist, dass der Beschuldigte NICHT angehört wird. Zusätzlich wurde er massiv unter Druck gesetzt, die Beschuldigungen zu akzeptieren, und vermittels einer Lüge sogar seine Integrität selbst massiv zu beschädigen. Mit anderen Worten: stalinistische Praktiken nicht mehr nur in den Anfängen und ansatzweise, sondern bereits im fortgeschrittenen, sozusagen systemisch werdenden Stadium.
Die positive Affirmation von Untersuchungshaft – also einem Mittel des bürgerlichen Staats – ist in diesem Zusammenhang ebenso verwunderlich wie sachlich falsch. Bei Untersuchungshäftlingen – so sie sich Anwalt und die damit verbundenen Aufwände finanziell leisten können – läuft eine ganze Maschinerie, die in ZWEI Richtungen ermittelt (zumindest ist das auf dem Papier so geregelt). Im konkreten Fall – sachlich eine rein via Gruppendruck durchgesetzte Vorverurteilung – kann nicht mal ansatzweise davon die Rede sein. Zum Beispiel mit anderen Regelverletzungen (Griff in die Kasse usw.): Grosso modo hat das zwar die von dir angerissenen Konsequenzen, und das sicher zu Recht. Allerdings wird auch hier tunlichst eine objektive Untersuchung angesetzt. Was in der konkreten causa nicht der Fall war.
Was haben zu hohe Mieten mit Tittengrapschen zu tun?
Wer Land, Grund und Boden hat geht in den Puff, das war schon immer so, hier mindestens 1942 VOR Christus, wenn sich einer beschwert koennte es sein dass er seine Buergerrechte verliert.
;-)
Gruss
Was der Fall war oder nicht, das können wir doch alle gar nicht genau wissen, es gibt unterschiedliche Informationen, was ja bei einem so komplexen und strittigen Sachverhalt kein Wunder ist.
Bei Telepolis hatte ich nochmal versucht, auch genau diese Unsicherheit etwas genauer auszuformulieren (Peter Nowak hatte schon mal darauf hingewiesen): https://www.heise.de/tp/features/Berlin-Mutmasslicher-Belaestigungsfall-bei-Mieterkampagne-birgt-politische-Gefahren-6182693.html
Die Initiative hat sich ja auch geäußert: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1156204.deutsche-wohnen-co-enteignen-enteignungsinitiative-reagiert-auf-vorwuerfe.html
Es gibt eben oft mehr als Entweder-Oder.
Also erst mal: Ich weiß nicht, wie die vom Koordinierungsausschuss nun vorgeschlagene Vorgehensweise aussehen soll; im ND-Artikel wird die Existenz einer solchen lediglich behauptet. Vorstellen kann ich mir allerdings, dass mittlerweile maximal viel Scherbenbruch fabriziert worden ist, so dass der Beschuldigte keinerlei Basis mehr sieht, um – quasi posthum – auf diese Angebote einzugehen.
Richtig ist: Wir WISSEN es alle nicht. Für meinen Teil habe ich mitunter das Gefühl, dass ich bereits mehr über diese Geschichte weiß, als ich eigentlich wissen möchte. Nicht verhehlen möchte ich allerdings, dass mir das vorgeworfene Tat-Szenario extremst unplausibel vorkommt. Nun ist der Schmuddelskandal da – medialerseits neben Tagesspiegel und Telepolis auch im ND sowie hier im dF. Zumindest laut den mir zugänglichen Fakten ist hierfür ziemlich klar der Koordinationsausschluss (beziehungsweise dessen Mehrheit) verantwortlich zu machen. Wäre der Fakten-Part zeitig (und natürlich NICHT ausschließlich gemäß Rezept »Definitionsmacht«) geklärt worden, hätte das in dem Fall, dass sich die Vorwürfe grosso modo bewahrheiteten, zu ähnlichen Konsequenzen führen können. Allerdings hätte man in dem Fall nicht so im Sumpf des Halbwissens und der flottierenden Gerüchte gestanden, wie es nunmehr der Fall ist.
Ich jedenfalls denke, dass der politische Teil der Angelegenheit ohne den Part einer »alternativkriminalistischen« Recherche sowie deren Öffentlich-Machung nicht mehr zu klären ist. Auch wenn es dafür nunmehr fast zu spät ist.
Auch ich halte die Vorwürfe für unplausibel. Aber nehmen wir doch mal an, sie wären zutreffend! Ich selber bin bisher drei Mal begrabscht worden, zwei Mal "hinten" und ein Mal "auf der anderen Seite". Fand ich in allen Fällen nicht so toll! Aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, deshalb ein so wichtiges Anliegen wie den Volksentscheid negativ zu beeinflussen!
Für mich klingt die Angelegenheit "wie bestellt"! Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass ein beunruhigend großer Teil der sog. "Linken" leider einen heftigen Dachschaden hat.
Aufschlussreich wäre, welchen Hintergrund eigentlich das behauptete Opfer hat. Diese Figur wurde ja auffallend rasch in die Anonymität entlassen - während der sogenannte Täter als Person des öffentlichen Lebens nun ständig durchs Dorf getrieben wird.
Über das Opfer als Frauenschicksal schrieb schon Wiglaf Droste erhellend.
"Vorstellen kann ich mir allerdings, ..."
und
"... dass mir das vorgeworfene Tat-Szenario extremst unplausibel vorkommt."
Vorstellen kann mensch sich vieles, aber dieses Rumspekulieren finde ich ziemlich abstoßend. Ob plausibel oder nicht - wir wissen es nicht! Das ist doch das Entscheidende. Und bei ihrer Spekulation schwingt mit, die Frau habe gelogen. Das finde ich ebenso unredlich wie die (vermeintliche!) Verobjektivierung des Vorwurfs nach dem Definitionsmachtkonzept.
Auch Sie spekulieren hier fröhlich drauf los,
Ja klar, solche Vorfälle gibt es jede Menge, und auch Männer werden begrabscht (sicher nicht so oft wie Frauen, aber selbstverständlich ist das auch übergriffig). Sie unterstellen der Frau eine Schädigungsabsicht, aber auch das ist Spekulation.
Der Immobilienwirtschaft spielt doch v.a. in die Hände, wie das jetzt medial verhandelt wird.
Es geht jetzt darum dass das Anliegen der Initiative wegen eines ungeklärten Vorganges zwischen zwei ihrer Mitglieder nicht plötzlich irrelevant ist. Der Volksentscheid hat damit nichts zu tun, das muss unmissverständlich klargestellt werden.
Die interne Klärung kann danach, notfalls gerichtlich, erfolgen. Kommentare von aussen dazu sind eh wenig hilfreich.
»Vorstellen kann mensch sich vieles, aber dieses Rumspekulieren finde ich ziemlich abstoßend. (…) Und bei ihrer Spekulation schwingt mit, die Frau habe gelogen. Das finde ich ebenso unredlich (…)«
Hallo Frau Voss,
setzen wir an der Stelle einfach mal den Punkt, dass die Kampagne wichtiger ist und die Leute, die dort aktiv mitwirken, ein ehrenwertes Anliegen verfolgen. Gerade als jemand, der die Geschicke der Kampagne sympathisierend (von außen) verfolgt, finde ich es allerdings ziemlich, nunja: verbohrt, dass die Organisator(inn)en von den vier Möglichkeiten, auf die jeder nachdenkende Mensch automatisch kommt, auch weiterhin nur eine ins Kalkül ziehen. Desgleichen Sie – obwohl auch Sie (zu) wenig wissen, um sich auf eine letztendliche Beurteilung des Sachverhalts festzulegen.
Hoffen wir so, dass a) das Volksbegehren Erfolg hat (= das Wichtigste), b) die Sache sich so aufklärt, dass zumindest keine dauerhaften Gräben zurückbleiben. P. s.: Sofern sich valide (!!) erweist, dass der Beschuldigte zu Recht beschuldigt wurde, bin auch ich der Meinung, dass im Kampagne-Umfeld Konsequenzen vonnöten sind – auch wenn diese meiner Meinung nach eher in die Richtung »weg aus dem Kampagnen-Rampenlicht« gehen sollten.
LG, R. Z.