Keine Hochhäuser in den Gleisdreieckpark!

Bürger*innenbeteiligung Das darf doch wohl nicht wahr sein: Mitten in den Kreuzberger Gleisdreieckpark soll eine Hochhaussiedlung gebaut werden? Widerspruch ist dringend geboten – noch heute!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Berlin wird zugebaut, als gäbe es keine Klimakatastrophe und keine Luftverschmutzung. Hauptsache Beton. Jetzt soll es dem Gleisdreieckpark an den Kragen gehen. „Urbane Mitte“ nennt sich das Monstervorhaben, das im nördlichen Teil des Parks neben dem Technikmuseum errichtet werden soll.

Das Bauprojekt „wird den Gleisdreieck-Park mit Hochhäusern einrahmen“ schrieb der Tagesspiegel am 10. Februar 2021 unter ein Bild der sieben geplanten Hochhäuser. Die beiden Größten sollen 90 Meter hoch werden. 110.000 Quadratmeter Gebäudefläche sollen entstehen – keine Wohnungen, sondern vor allem Büroräume – ausgerechnet jetzt, wo der Trend zum Home Office unübersehbar ist.

Das Vorhaben wurde baurechtlich aufgeteilt in einen Bebauungsplan „Urbane Mitte-Süd“, für den aktuell das öffentliche Beteiligungsverfahren läuft, auf das dann das Verfahren zum Bebauungsplan „Urbane Mitte Nord“ folgen soll. Zunächst geht es um zwei Hochhäuser, aber es geht auch ums Ganze.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit bedeutet, dass jede*r sich zu dem geplanten Vorhaben äußern kann. Die Frist dafür läuft am 18. Februar 2021, also heute (!) aus. Alle Einwendungen müssen dann vom Bezirksamt mit- und gegeneinander abgewogen werden, was in der Regel bedeutet, dass alles, was gegen das Bauvorhaben spricht, weggewogen wird. Denn im Grunde ist längst alles entschieden, die Absprachen zwischen öffentlicher Hand und Bauherren sind getroffen.

Nur nicht aufgeben

Trotzdem regt sich Protest. Auf dem Gleisdreieckblog von Matthias Bauer veröffentlichen immer mehr Nachbar*innen und auch Fachleute ihre Stellungnahmen, die sie zuvor auf der Website des Bezirksamts in das Formular eingegeben haben.

Da ist die Rede von „Widerstand gegen neue Bürotürme in Kreuzberg“, es heißt: „Die geplante Bebauung ‚erschlägt‘ den Park: optisch, psychologisch, akustisch, klimatisch“ und: „Helfen Sie mit, den Gleisdreieckpark als ökologische und soziale Stadtlandschaft zu erhalten.“

Dem kann auch ich mich nur anschließen, und habe deshalb ebenfalls eine Stellungnahme bei Bezirksamt abgegeben, die ich hier und auch im Gleisdreieckblog veröffentliche.

Selbst wenn sich das Bezirksamt – wie zu befürchten ist – über die Bedenken der Bürger*innen hinwegsetzt und diese hinwegwägt, dann ist der nächste Verfahrensschritt die Vorlage des Bebauungsplan zur Beschlussfassung in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Da müssen dann die gewählten Politiker*innen Farbe bekennen, auf wessen Seite sie stehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt....

Meine Stellungnahme gegen die Hochhäuser im Gleisdreieckpark

Sehr geehrter Herr Baustadtrat Florian Schmidt,

sehr geehrte Mitarbeiter*innen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg,

grundsätzlich halte ich es für falsch, Hochhäuser in einen Park zu bauen. In diesen Fall bin ich als Schönebergerin auch persönlich betroffen, denn ich nutze den Gleisdreieckpark oft, so dass durch die Bebauung auch meine persönliche Lebensqualität eingeschränkt wird. Ihrer Argumentation mit dem fortgeschrittenen Planungsstand kann ich nicht folgen. Sowohl unter den aktuellen ökologischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten, als auch gespiegelt am Hochhausleitbild Berlins – das doch den derzeitigen politischen Willen ausdrückt – wird deutlich, dass dieses Vorhaben nicht in unsere Zeit passt. Wenn sich aufgrund veränderter Bedingungen und neuer Einsichten herausstellt, dass etwas, das lange geplant war, nicht sinnvoll oder sogar schädlich ist, dann besteht doch, solange noch nicht gebaut ist, die Chance, diesen geplanten Fehler nicht auch noch umzusetzen. Also lassen sie es bitte sein.

Im Einzelnen widerspreche ich dem Bebauungsplan Urbane Mitte Süd aus folgenden Gründen:

  • Gesundheitsgefährdung:

In Zeiten von Klimakatastrophe und Todesfällen durch Luftverschmutzung ist es unverantwortlich, die Innenstädte baulich weiter zu verdichten und dafür Grünflächen zu opfern. Im Bebauungsplan wird „eine lokale Zunahme der Temperatur um 2-3°C“ in Kauf genommen (Seite 78 der Begründung). Hinzu kommt die Corona-Pandemie, in der laut Max-Planck-Gesellschaft „26 Prozent der Covid-19-Todesfälle in Deutschland durch Luftverschmutzung“ verursacht werden.

  • Verschattung bis nach Schöneberg:

Die östlich der Hochhäuser liegenden Schöneberger Parkflächen werden bedrängt und verschattet, was schon aus einer Stellungnahme des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg aus dem Januar 2019 (pdf) hervorgeht. In den Vormittagsstunden wird der Westpark verschattet, der Museumsparks in den Nachmittagsstunden.

  • Benachteiligung der Anwohnenden:

Die Aufenthaltsqualität wird nicht nur durch die Verschattung eingeschränkt, sondern auch durch die Erhöhung der Windgeschwindigkeit, wenn es zwischen den Hochhäusern zieht. Dass Ausgleichsflächen im Volkspark Friedrichshain geplant sind, nützt den Anwohnenden in Kreuzberg und Schöneberg überhaupt nichts.

  • Übernutzung des Parks:

Hinzu kommt: Der Park wird schon jetzt sehr stark frequentiert. Durch die Büronutzer*innen – es ist von 3.000 Arbeitsplätzen die Rede – und die kommerziellen Einzelhandels- und gastronomischen Angebote droht eine Übernutzung, die vor allem Ältere und Familien mit Kindern in ihren Möglichkeiten der Parknutzung beschränken wird.

  • Entwertung des Parks:

Die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck sprach sich am 21.01.2021 gegen die Bebauung aus, weil diese den Park „zum dekorativen grünen ‚Bettvorleger‘ der angrenzenden Hochhausbebauung degradiert und somit den Erholungswert der öffentlichen Grünanlage gravierend entwertet.“

  • Ökologische Schäden:

Durch die Glasarchitektur werden Vögel gefährdet und es droht ein Verlust an Flora und Fauna, sowie an Biodiversität durch die Versiegelung. Vorliegende Stellungnahmen, bspw. des Bündnis Stadtnatur K61 aus dem Dezember 2020 (pdf) werden in der Begründung des Bebauungsplans ignoriert und bagatellisiert.

  • Überschreitung baunutzungsrechtlicher Grenzen:

Nach § 17 Baunutzungsverordnung ist in einem Kerngebiet maximal eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,0 zulässig. Im städtebaulichen Vertrag mit dem Bauherren war eine GFZ von 3,5 vorgesehen. Selbst diese wird nun erheblich überschritten, ohne dass es irgendwelche Gründe dafür gäbe, die der Allgemeinheit in sozialer oder ökologischer Hinsicht nützen würden.

  • Widerspruch zum Hochhausleitbild (1):

Entsprechend dem Hochhausleitbild Berlins muss in einem ersten Schritt geprüft werden, ob die Kriterien der Standortwahl eingehalten werden. Nachteile für die Umgebung müssen ausgeglichen werden und das Vorhaben muss einen Mehrwert für die Allgemeinheit erbringen. Dieser ist hier in keiner Weise gegeben, im Gegenteil.

  • Widerspruch zum Hochhausleitbild (2):

Auch die ausschließlich gewerbliche Nutzung ist nach dem Hochhausleitbild nicht zulässig, das eine Mischnutzung vorschreibt: Ausgehend von zwei Nutzungskategorien (Kategorie 1: Gewerbe, und Kategorie 2: Wohnen und soziale Projekte) soll die jeweilige Hauptnutzung aus einer der beiden Kategorien in einem Hochhaus höchstens 70 Prozent der Geschossfläche beanspruchen, während die verbleibende Geschossfläche mit Nutzungen aus der jeweils anderen Kategorie zu belegen ist.

  • Ein vollkommen sinnloses Vorhaben:

Immer mehr Menschen arbeiten im Home Office und es ist absehbar, dass es zu erheblichen Leerständen von Gewerberäumen kommen wird. Mag sein, dass dieser attraktive Standort vermietbar bleibt, aber er wird Leerstände und Verödung an anderer Stelle vorantreiben. Angesichts dessen sind die ausschließlichen Nachteile des Vorhabens für Mensch und Natur nicht zu rechtfertigen. Gerade die schönsten Orte dieser Stadt sollten für die Berliner*innen da sein und nicht dem Profit von Investoren geopfert werden.

Bitte setzen Sie sich mit meinen Ablehnungsgründen ernsthaft auseinander und wägen Sie sie nicht gleich zur Seite.

Freundliche Grüße

Elisabeth Voß

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

elisvoss

Freiberufliche Autorin, Journalistin, Vortragende und Beraterin zu Solidarischem Wirtschaften und Selbstorganisation in Wirtschaft und Gesellschaft.

elisvoss

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden