Capitalism, fuck yeah!

Sex Für einen guten Orgasmus taugt er ja, der Markt
Ausgabe 43/2019
Das Innenleben des Womanizers, eine Sexspielzeug-Erfindung des deutschen Unternehmers Michael Lenke
Das Innenleben des Womanizers, eine Sexspielzeug-Erfindung des deutschen Unternehmers Michael Lenke

Foto: HRSchulz/Imago Images

Ich meine, come on: Er streichelt die Klitoris durch Schallwellen! Pures Pulsieren. Ohne Überreizung, ohne Reiben, nur pulsierende Luft, besser als Wasser, fast Magie. Magischer Sex mit Schallwellen. Mit Luft. Luft und Liebe. Zu sich. Der Kapitalismus kann ein Arschloch sein, aber er kann eben auch das: Klitorisnuckler. Sauger. Haucher.

Doch seit die Vibrator-Innovationen auf dem Markt sind, echauffieren sich linke Kritikerinnen über diese kleinen Meisterwerke. Normalerweise verstehe ich die Kritik am neoliberalen Feminismus ja irgendwie. Ich bin auch kein Fan eines Wirtschaftssystems, das genauso mörderisch, natur- und klimazerstörerisch ist wie dieses, nur von Frauen angeführt. Aber was ist schlecht an Klitoris-Stimulatoren?!

Mein kluger Kollege Sebastian Friedrich ärgerte sich hier neulich darüber, dass der „Womanizer“ mit seiner Orgasmus-Geschwindigkeit beworben wird. Zum Orgasmus binnen Sekunden! Ja, hat denn im Neoliberalismus keine mehr Zeit für ordentliche Selbstbefriedigung? Und Ruth Herzberg schrieb, auf freitag.de, über so einen schicken neuen Schallvibrator, den sie auf einem feministischen Network-Tag geschenkt bekam. Sein Versprechen: schnelle Orgasmen – ohne Berührung! Das machte die Autorin völlig fertig. Sie kriegte Bilder in den Kopf. Ohne Berührung, stammelt sie nur noch, und meint: Wie kaputt sind Beziehungen im Kapitalismus, dass Frauen nicht mehr berührt werden wollen?

Auf keinen Fall haben die vorher den Klitorisnuckler ausprobiert. Kann nicht sein. Die Dinger nuckeln! Mit Druck- und Schallwellen, je nach Modell!

Wollt ihr etwa die Zeiten zurück, in denen Vibratoren an riesigen Maschinen hingen – in Arztpraxen, und zwar als Apparate zur „Behandlung“ einer „Frauenkrankheit“ namens „Hysterie“, wie der gesunde Durst nach Ausbruch aus dem patriarchalen Scheiß verstanden wurde? Zeiten, in denen die Vagina (Klitoris? Welche Klitoris?) nur als Samenweg rein in die Gebärmutter oder als Babyweg raus aus der Gebärmutter existierte?

Vielleicht hilft ja Aufklärung. Eine Frau muss den „Womanizer“ keineswegs nach nur einem Orgasmus weglegen, sie kann den zweiten, dritten, vierten genießen und sich alle Zeit der Welt damit lassen. Keine Eile. Und keine Sorge: Es gibt Schallvibratoren, die, wenn sie Hautkontakt haben, noch stärker stimulieren. Offenbar sind einige noch nicht bereit für Klitorisnuckler. Für alle anderen: Testberichte raten vom Sona Cruise ab, über Stufe drei wird der zu krass. Der Sona ist der Hammer. Es ist nicht alles schlecht im Kapitalismus.

Nur für kurze Zeit!

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

Elsa Koester

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