Die Entgrenzung der Gerechtigkeit

Subjektivität ade! Was ist Gerechtigkeit? Der Begriffwurde in den letzten Jahren so weit ausgedehnt und für fast alles als Synonym verwendet, außer für die Gerechtigkeit selbst.

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http://jonpult.ch/wp-content/uploads/2011/08/3_grusskarte_gerechtigkeit.jpgWie oft hat man im vergangenen Bundestagswahlkampf wohl das Wort Gerechtigkeit gehört? 1000-mal, 2000-mal ? Wohl eher Unendlich-mal. Leider ist dieses Wort aber nicht so oft gefallen, weil unsere Spitzenpolitiker auf einmal ein besonderes Faible für die wohl wichtigste Grundbedingung in einer demokratischen Gesellschaft haben, sondern vielmehr weil dieser Ausdruck gut beim Wähler anspringt. Gerechtigkeit ist weder wertend, noch positiv oder negativ besetzt. Gerechtigkeit wird von jedem als Grundvoraussetzung empfunden und ein Individuum, dass mit seiner Lebenssituation im Großen und Ganzen zufrieden ist empfindet, meist ohne davor darüber nachzudenken, seine Umfeld und die Gesellschaft als gerecht. Und da wo es an den Lebensumständen hakt, wo etwas nicht ganz perfekt ist, wo offensichtlich Missstände herrschen, in diesen Fällen ist beinahe jeder überzeugt, dass dann etwas nicht mit (ge)rechten Dingen zugeht. Ein Grund dafür, dass es so schwierig ist Ungerechtigkeiten aufzuheben ist vor allem der Fakt, dass Gerechtigkeit meist etwas Subjektives ist, denn jeder empfindet einzelne Sachverhalte als mehr oder weniger gerecht. Das nun die Mächtigen, die Reichen und die Leute an den Schaltzentralen des Staates die vorherrschenden Bedingungen meist als gerecht oder zumindest gerechter empfinden, als die Armen, Unterdrückten oder Mittellosen liegt in der Gegebenheit des Menschen. Jeder denkt zuerst an sich, auch wenn er noch so stark versucht seine Mitmenschen in seine Gedankengänge über Gerechtigkeitsfragen einzubeziehen. Diese „Gerechtigkeitslücke“, die vielleicht aber vielleicht ja auch nicht in den Genen des Menschen liegt ist an sich kein Problem, denn es gibt Systeme in denen die Machtlosen, Unterdrückten und minder Privilegierten auch eine Stimme und Einfluss bekommen, gleich wertend denen der Mächtigen und Reichen. Eins dieser Systeme ist zum Beispiel die Demokratie. Allerdings kann die Demokratie die Gerechtigkeit nicht erhalten oder besser gesagt aufbauen, wenn sie durch Medienpropaganda, Meinungsmache und Begriffs- und Faktenfälschung beeinflusst wird. Die Demokratie ist noch durch viele weitere Einflüsse zu zerstören, doch im Zusammenhang mit dem „Begriff Gerechtigkeit“ ist die Verdrehung dieses Begriffs und die Einnahme dieses Wortes durch die Mächtigen das Hauptproblem. Kurz gefasst bedeutet das: Die Mächtigen, die das Sagen haben bestimmen was Gerechtigkeit ist. Dies ist dann allerdings nicht mehr gerecht, denn gerecht wäre es wenn jeder Bürger sich seine eigene Meinung von Gerechtigkeit bilden kann, die er durch unabhängige Medienberichte, verständliche Sachargumente und ohne Einflussnahme jeglicher Lobbygruppen sich frei und alleine bilden kann. In unserer heutigen Gesellschaft ist dies allerdings leider nicht mehr möglich, was sich an einem von vielen Beispielen gut zeigen lässt, dem heiß diskutierten Mindestlohn.

In den Medien, egal welcher Couleur gibt es ein fast einheitliches Bild, dass gegen den Mindestlohn anschreibt. Als Beweise werden oft Wirtschaftsweisen herangezogen, die durch mehr oder weniger glaubwürdige Theorien den Untergang unseres Abendlandes prophezeien. Auffällig ist hier, dass der Begriff Gerechtigkeit an dieser Stelle auch auftaucht, allerdings in einer ganz anderen Beziehung als man annehmen würde. So wettern viele sogenannte Experten der Mindestlohn wäre ungerecht, da dadurch etliche Arbeitsplätze verloren gehen würden. Ob dies nun wirklich so ist oder nicht ist ein anderes Thema, aber jedenfalls wird durch diese Aussagen, die oft wiederholt werden und in jeglichen Mainstreammedien aufgegriffen werden, dem normalen Gelegenheitsleser eingepaukt, dass ein Mindestlohn ungerecht sei, wobei eigentlich jedem Menschen, der halbwegs sozial veranlagt ist klar sein müsste, dass alles andere als ein Lohn von dem ein Mensch leben kann menschenunwürdig ist und somit gerade ungerecht ist. Die Gleichung heißt somit nicht, wie im Großteil der Medien suggeriert, Mindestlohn=ungerecht, sondern sicher Mindestlohn=menschenwürdig und wahrscheinlich auch Mindestlohn=gerecht. Aber da die Mächtigen nun mal eine große Einflusskraft auf die Medienlandschaft haben, können sie durch geschickte PR-Arbeit den gesunden Menschenverstand des einfachen Volkes, dass teilweise sogar wahrscheinlich noch vom Mindestlohn profitieren würde, ganz einfach beeinflussen. Zu dem Thema ist zum Beispiel noch zu sagen, dass wenn es um einen Maximallohn geht hier auch wieder propagandistisch vor Ungerechtigkeiten gewarnt wird und somit zum Beispiel in der Schweiz ein Gehaltsmaximum verhindert werden konnte. Wieso es allerdings dann nicht wenigsten ein Gehaltsminimum geben sollte darauf haben die „Gehaltsliberalen“ trotzdem keine Argumente, außer das das dann nun mal nicht liberal sei. Zur weiteren Information beim Thema Mindestlohn empfehle ich den Artikel von Günther Grunert auf der Seite „nachdenkseiten.de“. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=20002)

Um auf das Gerechtigkeitsthema an sich noch einmal zurückzukommen ist es hilfreich sich immer wieder selber die Frage zu stellen was ist für mich die Definition von gerecht. Außerdem sollte man immer hellhörig werden, wenn man wieder von Gerechtigkeit hört. Wenn etwas als gerecht beziffert wird sollte man sich selber den Anschwung geben für sich nachzudenken, ob der konkrete Fall wirklich gerecht ist, denn Gerechtigkeit ist auch in Zeiten von Eintönigkeit der Pressemainstreams ein subjektiver Begriff. Die Schwierigkeit für jeden Einzelnen wird nur sein die Subjektivität festzustellen und sich dadurch von der Meinungsmache zu befreien.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=20002

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Geschrieben von

enfantteRRible

Zu frühe Urteile sind Vorurteile, aus denen der Irrtum emporsteigt wie der Nebel aus dem Meere.

enfantteRRible

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