Männer, Männer über alles

#metoo Der internationale Aufschrei von Frauen, die Opfer von sexueller Belästigung und Missbrauch wurden, ist ein Schandmal dafür, wie wenig noch erreicht ist in den Köpfen.

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Ich bin sauer.

Und ich weiß nicht so recht wohin mit meiner Säuernis.

Auf jeden Fall bin ich sauer auf mein eigenes Geschlecht. Ich hab es mir nicht wirklich aussuchen können, auch wenn man das ja nachträglich ein bisschen korrigieren kann, aber ich bin nun mal als Mann geboren. Der Mann an sich ist leider offenbar ein verdammtes Arschloch. Der Mann an sich ist die zentrale Figur in jeder größeren Religion, in den allermeisten Regierungen, in den allermeisten Konzernvorständen, in den allermeisten Einträgen in Geschichtsbüchern, in den allermeisten Kriegen. Wenn ich auf dem Nürnberger Messegelände eine statistische Erhebungübers Jahr verteilt über das Männer-Frauen-Verhältnis in den diversen Fachkongressen durchführen würde, käme ich vermutlich auf mindestens 80-85% Männeranteil. Wir leben im Jahr 2017. Echt jetzt? Und von den 15-20% Frauen sind dann auch noch meistens ein Großteil "Assistenz der Geschäftsführung", also die hübschen jungen Frauen, die ihren so wichtigen und charismatischen und total erfolgreichen Chefs den Rücken freihalten und alles für sie organisieren. Es ist zum Kotzen.

Und jetzt die Weinstein-Sache. Die ja prominent momentan nicht nur Weinstein betrifft, sondern auch den Erfinder der Honest Trailer/Screen Junkies auf YouTube, Andy Signore, den Chef der Amazon Studios, Roy Price, letztes Jahr erwischte es den ewigen Fox-News-Polteronkel Bill O'Reilly und seinen Chef, den mittlerweile verstorbenen Roger Ailes, und die Liste geht weiter und wird garantiert in den nächsten Wochen noch explodieren. Männer meinen, sie wären so geil, sie könnten alles haben. Nicht nur die berühmten Männer aus Donald Trumps steiler These dass man alles mit Frauen anstellen könne wenn man nur berühmt sei. "They let you do anything: Grab 'em by the pussy, ..." Bei den #metoo-Geschichten, die man nun auf allen Portalen lesen kann, zeichnet sich ein klares Bild ab: Männer haben den Drang, überlegen sein zu wollen. Ein bescheuerter, dummer Drang. Bin ich frei davon? Sicher nicht. Ich würde zwar von mir behaupten, nie Frauen als "schlechter" oder "schwächer" angesehen zu haben und sie auch nie anders behandelt zu haben als Männer - abgesehen davon dass ich ziemlich heterosexuell bin und ich daher kaum beim Flirten mit Männern erwischt werden kann. Und ja, auch flirten kann eine Form sexueller Belästigung sein. Deswegen bin ich vermutlich nicht frei von Schuld an der Gesamtmisere. Also bin ich auch sauer auf mich.

Aber ich bin auch ein bisschen sauer auf die Frauen - in gewisser Weise. Und damit wird die Sache kompliziert und heikel. Die jetzige Hashtag-Kampagne und alles was sich darum dreht, ist gut, richtig und wichtig. Sie hat jedoch ihre Macken. Sie scheint einer vielleicht ja unbeirrbaren großen Menge von Männern den Eindruck zu geben, einer Frau ein Kompliment zu machen, sei 1. grundsätzlich schon schlimm und 2. im Prinzip vergleichbar mit einer Vergewaltigung. Hinterherpfeifen auf der Straße, Komplimente übers Aussehen, Anstarren in der Disco ... ich fürchte, dass frau da durchmuss. Klar ist es oft beschissen und ärgerlich und creepy und alles. Aber solche Situationen sollten nicht zu schweren seelischen Vernarbungen führen wie ein sexueller Übergriff oder gar eine Vergewaltigung. Diese Sachen sollten deshalb nicht in den gleichen Topf geworfen werden. Und ich weiß, ich lehne mich hier sehr aus dem Fenster und begebe mich in Gefahr, des Mansplainings bezichtigt zu werden, doch wenn simple leicht creepy Komplimente im gleichen Atemzug mit körperlichen Übergriffen genannt werden, wird die chancenlose Opferrolle der Frau nur noch schlimmer. Und das ist, worüber ich auch sauer bin: Diese gesamte Geschichte, die mit Harvey Weinstein losgetreten wurde und nun endlich den Millionen Frauen den Mut gegeben hat, laut zu sagen was ihnen widerfahren ist - die zeigt nun erneut auf niederschmetternde Art und Weise, dass die verdammte Herrschsucht der Männer so groß ist, dass Frauen in unserer ach so aufgeklärten fortschrittlichen westlichen Hemisphäre im Jahr 2017 immernoch Angst vor Männern haben. So sehr Angst, dass sie jahrzehntelang über schreckliches Unrecht schweigen. Und diese Angst und die völlig unverhältnismäßige Überzahl der Männer in Machtpositionen zementieren den Überlegenheitsanspruch dieser Männer.

Schluss damit, Männer und Frauen! Männer, behandelt Frauen gefälligst respektvoll! Wenn euch eine Frau sagt "lass/en (Sie) das bitte!" dann lasst es. Probiert's nicht nochmal. No means no, verdammt nochmal! Und Frauen, sagt den Männern dass sie sich wie Arschlöcher benehmen, wenn sie sich wie Arschlöcher benehmen. Ihr braucht es nicht weglachen. Wenn das Gegenüber keine Ehrlichkeit verträgt, hat es eben Pech gehabt. Dieser Scheiß muss enden! #metoo ist ein guter Anfang. Und an all die merkwürdigen Männer und Frauen wie Miyam Bialik aus Big Bang Theory oder Lindsay Lohan, die derzeit diesen Mist verbreiten, dass die Frauen es doch herausfordern mit knappen Outfits und Flirtverhalten: Shut the fuck up. "Männer können nicht anders wenn sie nackte Haut sehen"?! Ernsthaft? Das würde ja heißen, Sexualstraftäter und Belästiger wären nur arme Opfer ihrer eigenen Triebe. Nein. Das sind Arschlöcher. Lasst es sie wissen.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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