Und wieder kein Terror in Deutschland

Paris Die schrecklichen Anschläge von Paris haben einen - etwas zynischen - Silberstreif am Horizont: Wir in Deutschland wurden erneut verschont.

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Vorneweg: Die Eagles of Death Metal machen keinen Death Metal. Aber woher soll ein Terrorist das auch wissen. Dass die Nachrichtenseiten und Zeitungen den Namen der Band durch die Bank unter den Tisch kehren (bei den Kinoattentaten bei "The Dark Knight Rises" und "Trainwreck" wurden die Titel stets genannt), ist dennoch wahrscheinlich mehr kurios als bemerkenswert. Als Musiker ist die Vorstellung bei einem meiner Konzerte Zeuge von einem Anschlag zu werden bei dem 120 meiner Fans erschossen werden ein Grauen ohnegleichen. Ich weiß nicht ob ich danach noch einmal eine Konzertbühne betreten könnte.

Doch das ist eben die in Mark und Bein erschütternde Willkür des Terrorismus. Er richtet sich wohl gegen eine Ideologie, trifft aber meist einfach IRGENDwen. Eine humorvolle Rockband aus Kalifornien in einem hippen Club in Paris? Ist das das Gesicht des westlich-kapitalistisch-säkularen Imperialismus? Wohl kaum. Bei Charlie Hebdo war der Anschlag gezielt und somit gewissermaßen "begründet". Aber im Bataclan? Die Anschläge in Paris erinnern eher an die Anschläge in London und Madrid als die am 11. September, wo das Symbol des westlichen Kapitalismus angegriffen wurde oder an Breiviks Massaker in Norwegen, bei dem der Nachwuchs einer bestimmten politischen Partei ins Visier genommen wurde.

Und doch trifft es erneut Paris, erneut Frankreich. Nach einer gewissen Zahl fundamentalislamistischer Anschläge innerhalb Europas stellt sich irgendwann die Frage: Warum nicht in Deutschland? Haben wir einfach nur die besseren Sicherheits- und Geheimdienste? Liegt es an unserer vergleichsweise zurückhaltenderen Rolle in militärischen "Interventionen" im Nahen Osten? Oder wird in Frankreich, wo der Front National mittlerweile in beängstigender Pole Position in Umfragen herumspukt, einfach das größere politische Instabilitätspotential gesehen? Zwar ist unsere derzeitige "Flüchtlingkrise" (die auch mehr eine Nervenkrise mancher Mitbürger ist als alles andere) und das Flirten der AfD mit dem zweistelligen Umfrageergebnis keine beruhigende Entwicklung. Und doch hat es wieder einmal nicht Deutschland getroffen. Machen wir am Ende etwa doch etwas richtig im Umgang mit dem Nahen Osten, wovon sich andere noch etwas abschneiden könnten? Eine steile These!

Woraus speist sich der islamistische Terror? Von der permanenten Einmischung des Westens in nahöstliche Angelegenheiten, einerseits wegen des Öls, andererseits wegen Israel. Und davon dass "Einmischung" mittlerweile meist Bombardement, Waffenlieferung, Drohnenattacken etc. bedeutet. Der Westen sollte sich nicht allzusehr wundern dass der Terror nicht aufhört. Momentan macht Deutschland, natürlich unter Protest von Hardliner-Politikerfiguren und den sogenannten besorgten Bürgern, vergleichsweise das richtige: Sich nicht an Kampfeinsätzen beteiligen, Diplomatie hat Vorrang, Flüchtlinge aufnehmen.

Ich hätte nie gedacht dass ich das einmal sagen würde: Hoffentlich hält Frau Merkel das durch. Und ich wünsche den Menschen in Paris und ganz Frankreich Kraft, Mut, Zeit zum Trauern und die Weitsicht, der Front National jetzt nicht noch mehr Aufwind zu verschaffen. Peace!

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

Ernstchen

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