Windkraft-Gegner bohrt in Hinkley Point

Unterirdisch. Der badische Tunnel-Gigant Herrenknecht bohrt in Hinkley Point (GB) für das teuerste Kraftwerk, seit es Elektronen gibt. Im Schwarzwald kämpft er gegen die Windkraft.

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Wie süß, die PR-Abteilung des britischen AKW-Bauers braucht weibliche Inspiration. Und zwar für einen Riesenbohrer mit 3,5 m Durchmesser. Schulkinder sollen sich einen Frauennamen ausdenken, für eine 1000 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine. Diese soll die beiden 3,4 km bzw. 3,5 km langen Kühlwasserzuleitungen für die beiden Reaktorblöcke in Hinkley Point durch den Meeresboden im Bristol Channel bohren. Auch die gemeinsame 1,8 km Abwasserleitung, die als Sammel- und Verdünnungs-Rohr für 7 Abwasserkanäle dient und radioaktive sowie chemische Abwässer zusammen mit Toiletten-Abwässern ins Meer spült, soll die Namenlose bohren.

Bemerkenswerter Weise ist weder beim Projektierer, EdF energy, ein Hinweis auf Herrenknecht zu finden, noch weist der Bohr-Gigant bei seinen Referenz-Projekten auf seinen Auftraggeber in Hinkley Point hin. Auf telefonische Nachfrage beim Tunnelbohr-Weltmarktführer aus dem badischen Schwanau hieß es zunächst auch nur: „Das macht ein Contractor.“ Erst nachdem klargestellt werden konnte, dass es sich um identische Maschinen handelt, sowohl auf der website des Atom-Projektierers, als auch im Werbefilm auf Herrenknechts youtube-Kanal, folgte die Bestätigung, dass es sich in beiden Fällen um eine EPB –Vortriebsmaschine (earth pressure balananced shield) handelt, die Herrenknecht „in weichen, bindigen Böden“ einsetzt. Die weibliche Namensfindung sei im Übrigen etwas ganz Normales: durch den Gotthard habe sich beispielsweise „Gabi“ gewühlt. Weniger vorzeigbar hingegen: „Wilhelmine“, die unlängst unter den Gleisen von Rastatt im Betonsarg beerdigt wurde.

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In Hinkley Point trifft es sich gut, dass in Sachen nuklearer Akzeptanz, die bekanntlich bei Frauen deutlich geringer ausfällt als bei Männern, zumindest bei der Namensgebung ein weibliches Etikett dem schweren Gerät eine feminine Aura verleihen soll. „Starke weibliche Vorbilder oder vielleicht jemanden mit wissenschaftlichen oder technischen Hintergrund“ wünscht sich EdF Energy. Das wäre - rein empirisch - diejenige Klientel, welche die Atomkraft sogar noch vehementer ablehnt, als ihre weniger gebildeten Geschlechtsgenossinnen.

Alle von den Kindern eingereichten Vorschläge müssen den weiblichen Namen enthalten, Informationen über die ausgewählte Namenspatronin und eine Begründung, warum die Schulkinder es für angemessen halten, dass es gerade diese Frau sein soll. „… deren Name einen Tunnelbohrer für schmutzige Meereseinleitungen schmücken soll“ möchte frau spontan ergänzen. Bis zum 4. Dezember - dem Fest der Schutzpatronin der Bergleute, St. Barbara – haben die Schüler*innen Zeit, ihre Ideen einzureichen. Was hierzulande undenkbar wäre: der Atomkonzern verschickt seine Informationen zu dieser PR-Aktion an die umliegenden Schulen. Möglicher Weise handelt es sich dabei um eine Art präventive Notwehr. Kaum auszudenken, welches Satire-Feuerwerk sich im Posteingang hiesiger Atomkonzerne entladen würde, wenn sich nicht nur die Kids, sondern jede*r mit kreativen Vorschlägen an einer derartigen Aktion beteiligen dürfte. Die Kommunikations-Abteilung in Hinkley Point ist jedenfalls intensiv bemüht um die Youngsters der Umgebung. Ständig werden Bilder von nuklearen Werbe-Aktionen in Schulen veröffentlicht. Kinder und insbesondere Mädchen sind im Bildmaterial auffällig überrepräsentiert.

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Herrenknecht deckt 80% des Weltmarktvolumens

Zurück zum Auftragnehmer: ob Gotthard-Tunnel, Bosporus-Unterquerung, Stuttgart 21, Metros in Barcelona, Istanbul, Moskau oder Olympia-Tunnel in Sotschi, Ostseepipeline-Anbindungsleitung (OPAL) an Nordstream (Gazprom) - der seit Jahren unangefochtene Weltmarktführer bohrt sich weltweit kreuz und quer durch den Untergrund. Manche Projekte zeigt er gerne her, bei anderen neigt der „Hidden Champion“ zu Diskretion.

Für den unvollendeten Vorläufer von Hinkley Point, den EPR (Europäischer Druckwasser-Reaktor) im Französischen Flamanville hat Herrenknecht bereits 2009 einen 870 m langen - Tunnel gebohrt und dafür mehr als 4000 Betonringsegmente unter dem Meeresboden verbaut, wie ein 2-seitiges Dokument der EdF-Kommunikationsabteilung belegt. Seine gewaltigen Atommüll-Mengen will Frankreich in Bure unter die Erde bringen – Herrenknecht hat auch dort gebohrt. Auch für den hochradioaktiven Abfall deutscher AKW und beim „Abtrag nuklearer Anlagen“ wird unterirdisch gebohrt. Natürlich mit Herrenknecht, das Unternehmen deckt rund 80% des Weltmarktvolumens für maschinellen Tunnelbau.

Wer mit großen Bohrern viel Geld verdient, hat offenbar unterirdische Vorlieben bei der Energieversorgung und berufsbedingte Abneigungen gegen alles, was Untertage keinen Sinn macht. Herrenknecht beklagt das Fehlen staatlicher Förderung für die Geothermie die "im Gegensatz zu Wind und Solar rund um die Uhr zur Verfügung“ stehe.

Gegen die Windkraft im Schwarzwald zieht er mit großen Anzeigen zu Felde und zeigt seine Abneigung ganz offen: „diese Scheißdinger bei uns im Schwarzwald, die stören mich.“ Offshore Wind ist für ihn okay: “dann muss man eben Kabel in den Süden legen“ sagt der Mann, der gerne Tunnel-Aufträge für Höchstspannungsleitungen hätte.

Gegenüber der Badischen Zeitung überlegte er, „ob man mit einer schlagkräftigen Bürgerbewegung über die Energiewende generell diskutieren und etwas gegen diesen Wahnsinn erreichen kann.“ Erstaunlich, sollte der Mann wirklich nicht wissen, dass die von ihm erdachten Strukturen bereits existieren? Dass brave einfache Bürger in genau diesen Strukturen für seine Interessen ehrenamtlich kämpfen?

Hinweise:

- Die Wochenzeitung Kontext berichtete am 25.10.2017 detailliert über namenhafte Lichtgestalten aus der Region, die sich mehr oder weniger offen gegen die Energiewende stemmen: https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/343/stramm-gegen-den-wind-4676.html

- Das AKW Hinkley Point ist ein Militärprojekt. Eingebetteter Medieninhalt

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