Die Mordlust ist bei uns

Berlinale Regisseur Joshua Oppenheimer bleibt nicht in der grauenvollen Darstellung stecken, seine Sicht von Massakern mündet in universelle Fragen.

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Ein gebürtiger Texaner hat 7 Jahre lang an einem Dokumentarfilm über Massenmorde im Indonesien der sechziger Jahre gearbeitet. Sein Motiv für diesen Film hängt mit der Geschichte seiner Familie zusammen. Er ist Jude, seine Eltern stammten aus Deutschland. Der größte Teil seiner Verwandtschaft, der es im Holocaust nicht in die USA schaffte, wurde von den Nazis umgebracht.

Sein Dokumentarfilm trägt den Titel "The Act of Killing". Darin beschreiben paramilitärische Mörder wie sie 1965, nach Suhartos Machtergreifung, zwischen fünfhunderttausend und 3 Millionen Menschen umbrachen. Als bis heute gläubige Antikommunisten und in enger Zusammenarbeit mit dem nächsten US-Konsulat.

Eine große Herausforderung erzählt er im Interview, sei es gewesen sein Entsetzen zu unterdrücken. Einem Irrtum unterliegen wir, wenn wir glauben Verbrechen gegen die Menschlichkeit würden gesühnt, erläutert er.

Aufklärung und Sühne seien zufällig und eher selten.

Seine uns entlarvenden Aussagen:

„Alle Gesellschaften sind auf Massengewalt aufgebaut. Amerika, Großbritannien, Holland, Russland, China. In der Regel werden die Täter nicht zur Verantwortung gezogen.

Bisherige Dokumentationen haben sich auf die Opfer konzentriert, weil sie uns zeigen sollten, dass unsere moralische und politische Haltung den Opfern nahe ist. Aber ich schreibe täglich auf einem Computer, der in einer Fabrik hergestellt wurde, wo die Arbeiter so schlechte Lebensbedingungen haben, dass es an den Balkonen ihrer Wohnheime Netze gibt, die sie vor dem Sprung in den Tod bewahren sollen. Und ihre Bedingungen sind so schlecht, weil es Leute wie die von mir gezeigten ehemaligen Paramilitärs gibt, die ihnen Gewalt androhen, sollten sie für eine Verbesserung ihrer Lage kämpfen.

Wir alle sind Gäste eines kannibalischen Festgelages. Und wir wissen das und wir fühlen uns schlecht deswegen, aber wir funktionieren weiter, leben, kaufen ein, konsumieren. Sind wir damit nicht den Tätern viel näher als wir glauben?“

"Wenn wir das 'Nie wieder' wirklich ernst nehmen, dann meinen wir 'nie wieder, an niemandem'. Dafür müssen wir verstehen, warum menschliche Wesen sich das gegenseitig antun."


Filmausschnitt, Fotostrecke und weitere Details auf SPON


http://www.spiegel.de/kultur/kino/joshua-oppenheimer-ueber-seinen-film-the-act-of-killing-a-883335.html

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Geschrieben von

fahrwax

Lieber auf dem Wagen, als unter den Rädern.... Bekennender, autonomer Pferdeknecht

fahrwax

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