Nur für Erwachsene

„Zeit Magazin Mann“ Auch der erwachsene Mann hat ein Recht auf ein Lebensgefühl. Der Zeitschriftenmarkt kommt dieser neuen Erkenntnis jetzt endlich nach
Ausgabe 37/2016

Manche Dinge sind einfach klar: Krieg ist schlecht, die Erde ist rund, seit Star Wars symbolisiert Rot das Böse – und Männerthemen sind Männerthemen. Liegestütze, Genozid und Problemlösungen, dafür ist traditionell der Mann zuständig. Starkstrom, Haargel und Verbrennungsmotoren – mehr braucht er nicht, oder? Nun ja, doch. Auch der Mann ist in unseren harten Zeiten menschlicher geworden. Sensibler! Er möchte, wenn er helle Haut und den 40. Geburtstag überschritten hat, zum Beispiel nicht immer gleich als „weißer, alter Mann“ beschimpft oder verlacht werden, nur weil er rhetorisch oder faktisch im 20. Jahrhundert hängengeblieben ist und sich vielleicht mal ein bisschen danebenbenommen hat. Ja, der Mann an und für sich hat mittlerweile ein Bewusstsein, eine Tiefe entwickelt, die nicht mehr von – Pardon! – Tittenheften, Dosenbier und Moschusdampf gefüllt werden kann. Er hat etwas, das er früher nicht hatte, was einst nur den Leserinnen von Fachzeitschriften für Kleidungs- und Kosmetikkonsum angetragen wurde: ein – Achtung! – Lebensgefühl. Nach dem Credo „Spät erkennen und dann doch noch handeln“, gibt die Zeit dem Mann mit dem Zeit Magazin Mann nun ein neues Forum. Endlich.

Die Beschlussfassung darf man sich womöglich so vorstellen: Generalkonferenz im Hauptquartier des Verlags, die Marketingabteilung sitzt in der ersten Reihe. Bittere Ruhe. Schwere Gedanken, überall Krisen auf der Welt, von der Printkrise ganz zu schweigen. Man muss etwas entwickeln. Plötzlich springt ein Redakteur auf: „Lasst uns ein Männermagazin machen. Ihr wisst schon: für Männer. Aber ohne Chauvinismus!“ – „Ja, genau! Ohne Chauvinismus!“, ruft ein anderer. „Aber mit hübschen Kampagnen!“, schlägt ein weiterer vor. Knapp 180 Seiten fasst das neue Produkt, beinahe fingerdick ist es und schwerer als ein Steak. Voll von Qualitätstexten, Reportagen und Interviews, über die Männer dann Unterhaltungen führen werden, die mit dem Satz „Du, ich hab da letztens was ganz Interessantes gelesen“ beginnen.

Zweimal im Jahr soll das Magazin erscheinen, zum hochkalorischen Preis von 8,50 Euro. Zeit, Magazin, Mann: Zur formalen, präzisen Klarheit des Titels setzt die erste Ausgabe thematisch ein Gegengewicht. Der Inhalt ist breit gefächert und wesentlich gefühliger. Auf dem Titel ist ein Porträt des Schauspielers Christoph Waltz angekündigt – eines Mannes, „der es in der Tat zu Großem gebracht hat“, wie Chefredakteur Christoph Amend im Gespräch mit der taz sagte. Es geht dann aber vor allem darum, ein „glücklicher Mensch zu werden“. Das interessiert wohl wirklich jeden, deshalb geht für diese Themenwahl ein Daumen hoch. Die Ansprache an den Leser, der Tonfall der Texte gleichen manchmal denen eines kumpelnden Stiefvaters, der versucht, einen unbedingt auf seine Seite zu ziehen. Aber was soll’s, wenigstens gibt er sich Mühe, interessante Anekdoten aufzutischen.

Entgegen naheliegenden Befürchtungen sind am Endprodukt – das sich ausdrücklich an „erwachsene Männer“ richtet – auch Frauen beteiligt, als Kolumnistinnen, Interviewpartnerinnen oder Gastautorinnen in der Rubrik „Männer ihres Lebens“. Frauen kennen die feinen Sortierlinien, nach denen sie in die Kategorien „Mädchen“ und „Frau“ unterschieden werden, nur zu gut. Bei Männern ist das oft schwieriger. Manche behaupten ja, Männer blieben ziemlich lange Jungs, einfach weil sie nicht wüssten, wohin mit sich selbst. Nun haben sie etwas Neues zum Spielen.

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