„Ich muss den Verlust verkraften können“

Anlage Bei den meisten Crowdfunding-Projekten besteht das Risiko, dass am Ende alles Geld weg ist, sagt Verbraucherschützer Christian Urban
Ausgabe 35/2015
Wer gibt das Geld?
Wer gibt das Geld?

Foto: Johannes Eisele / AFP / Getty Images

der Freitag: Herr Urban, haben Sie schon mal Geld für ein Crowdfunding-Projekt gegeben?

Christian Urban: Nein, ich habe bislang in kein Projekt investiert.

Warum nicht?

Für mich persönlich ist das nicht die passende Geldanlage. Jetzt denken sich vielleicht einige: Wenn der Verbraucherschützer das nicht macht, sollte ich das auch nicht machen. Das wäre aber ein Fehlschluss. Jeder sollte sich überlegen: Welches Anlageziel habe ich? Welches Risiko will ich eingehen? Daran entscheidet sich, ob Crowdinvesting eine geeignete Anlageform ist oder nicht. Das Spenden ist noch mal etwas ganz anderes, da will ich in erster Linie etwas Gutes tun.

Bleiben wir beim Investieren. Für welche Leute ist das geeignet?

Auf jeden Fall muss ich mir im Klaren sein, dass in den allermeisten Fällen ein Totalverlustrisiko besteht. Das heißt, mein Geld kann am Ende vollständig weg sein. Daher sollte es sich um Geld handeln, dessen Verlust ich verkraften kann. Ich muss das Totalverlustrisiko tragen können, finanziell gesehen, und ich muss es ertragen können, psychologisch gesehen.

Wie hoch ist denn das Risiko des Totalausfalls?

Das hängt vom Einzelfall ab. Man muss sich jedoch klarmachen: Über Crowdinvesting werden häufig Start-ups finanziert. Da investiere ich in kein etabliertes Unternehmen, sondern in eine völlig neue Idee. Die kann super funktionieren, die kann aber auch in vielen Fällen scheitern.

Zur Person

Christian Urban, 33, ist Finanzjurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Foto: Privat

Kommen oft Leute zu Ihnen in die Verbraucherzentrale und sagen, Mist, da bin ich einem Betrüger auf den Leim gegangen? Oder ist das deren eigene Schuld, wenn sie das Risiko eingehen?

Von Betrüger kann man hier nicht sprechen. Es ist völlig legitim, wenn Start-ups nach Geld suchen, und es ist völlig normal, dass ein Projekt auch scheitern kann. Betrug wäre es erst, wenn jemand das eingesammelte Geld einfach für irgendetwas anderes ausgibt und gar nicht vorhat, das Geld irgendwann zurückzuzahlen.

Seit wenigen Wochen gilt das Kleinanlegerschutzgesetz. Waren die Anleger vorher ungeschützt?

Vorher gab es gewisse Konstruktionen wie nachrangige Darlehen, die weitestgehend unreguliert waren. Das ist verbessert worden. Zum Beispiel müssen für Finanzprodukte, insbesondere auch für Crowdinvestment-Projekte, jetzt sogenannte Vermögensanlageninformationsblätter zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen die Anleger kurz und prägnant über die wesentlichen Aspekte eines Finanzprodukts aufgeklärt werden, wie in einem Beipackzettel, das sind maximal drei Seiten. Insbesondere ist dort auf ein bestehendes Totalverlustrisiko hinzuweisen.

Daneben gibt es noch den Verkaufsprospekt.

Ja, der ist deutlich umfangreicher, oft viele Seiten lang. Den zu erstellen ist daher auch relativ aufwendig, häufig werden damit Juristen und andere Berater beauftragt. Für kleinere Crowdinvesting-Projekte gibt es jedoch Ausnahmen. Sie können von der Prospektpflicht befreit werden, wenn das Gesamtinvestitionsvolumen 2,5 Millionen Euro nicht übersteigt und Einzelinvestoren sich nicht mit mehr als 1.000 Euro – bei größeren Vermögen mit maximal 10.000 Euro – beteiligen können.

Lesen die Kleinanleger überhaupt Beipackzettel und Prospekt?

Wir als Verbraucherschützer sagen: Wer investieren will, sollte den Prospekt gelesen haben. Aber selbst wenn es nur wenige sind: Was wäre die Konsequenz? Die Abschaffung würde diejenigen benachteiligen, die ihn lesen wollen. Zudem würde den Anlegern eine umfangreiche Informationsquelle zu ihrem Anlageprodukt fehlen.

Halten Sie die Ausnahme für kleine Crowdfunding-Projekte von der Prospektpflicht für sinnvoll?

Bei Crowdinvesting sind die Investitionen eher gering. Und natürlich kann man den Verlust von 200 Euro eher verkraften als den von 20.000 Euro. Das Problem ist, dass Ausnahmen immer die Tür öffnen zum Missbrauch. Einige Anbieter versuchen womöglich, Projekte zu stückeln, um unter die Grenze zu kommen und der Prospektpflicht zu entgehen.

Wenn Freunde ein Crowdfunding-Projekt starten und mich um Geld bitten, ich mir aber unsicher bin: Was mache ich?

Prüfen Sie, ob Sie das Konzept überzeugt und ob Sie das Geld übrig haben. Dann können Sie investieren. Wenn nicht, sollten Sie Ihren Freunden freundlich mitteilen, dass Sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, mit Ihrem Geld so ein Risiko einzugehen.

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