Was heißt hier arbeitslos?

Statistik Offiziell sind in Deutschland 2,9 Millionen Menschen ohne Job. In Wirklichkeit sind es aber deutlich mehr. Die Politik lässt die Zahlen schönrechnen
Ausgabe 32/2013
Was heißt hier arbeitslos?

Foto: dpa

Jeden Monat ist es das gleiche Spiel: Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht die aktuellen Zahlen zur Arbeitslosigkeit in Deutschland, aber viele Menschen ohne Job tauchen in der Statistik gar nicht auf. Sie werden stattdessen als „unterbeschäftigt“ geführt. Im Juli 2013 waren offiziell 2,9 Millionen Menschen arbeitslos, das entspricht einer Quote von 6,8 Prozent. In Wirklichkeit waren jedoch beinahe 3,8 Millionen ohne Stelle (8,8 Prozent). Wie kann das sein?

Wer beispielsweise älter ist als 58 Jahre und ein Jahr lang keine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit angeboten bekommen hat, fällt aus der Statistik. Das betrifft derzeit mehr als 200.000 Menschen. Hinzu kommen rund 120.000 Ein-Euro-Jobber, knapp 150.000 Personen, die sich beruflich weiterbilden, und mehr als 160.000 Menschen in „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ (zum Beispiel Bewerbungstrainings).

Politische Statistik

Diese Zahlen werden jeden Monat von der Arbeitsagentur veröffentlicht, die Linksfraktion im Bundestag verbreitet sie dann weiter. Aber die Medien verwenden doch lieber die offiziellen Arbeitslosenzahlen.

Im Gesetz ist festgelegt, welche Personen als arbeitslos gelten und welche nicht. Die Bundesagentur für Arbeit führt die Statistik so, wie es politisch gewollt ist. Immer wieder werden Änderungen in der Zählweise beschlossen, in den Jahren von 1995 bis 2010 passierte das zehn Mal.

Das kann auch negative Effekte haben: Wenn über 58-Jährige nicht mehr als arbeitslos gelten, senke das für das Jobcenter den Anreiz zur Vermittlung, kritisiert die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann. Sie stört sich aber auch grundsätzlich an der Zählweise: "Es darf nicht sein, dass die Bundesregierung alle paar Jahre beschließt, dass eine weitere Gruppe von vormals als arbeitslos gezählten Menschen aus der Statistik herausgerechnet wird."

Neben den Arbeitslosen und Unterbeschäftigten gibt es auch noch die stille Reserve. Dazu zählen all jene, die sich nicht beim Arbeitsamt melden und daher auch nicht erfasst werden können. Nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind das derzeit rund 712.000 Personen. Auch sie tauchen in keiner Statistik auf.

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