1975 begegneten mir Asterix & Obelix geradezu schicksalhaft in Weimar anlässlich des Geburtstags meines dicken Cousins Jens. Seine Eltern hatten einen heißen Draht zu Verwandten in Ingolstadt. Die BRD-Imperialisten brachten die heiße Ware gut versteckt rüber in die Zone, die sich Kinder und Jugendliche im Osten sehnlich wünschten: Levis-Jeans, die Bravo, die Asterix-Comics. Als der adipöse Jens seinen zwölften Geburtstag feierte, hielt er stolz den Asterix-Band Die Lorbeeren des Cäsar in der Hand. Jedes DDR-Kind kannte die Asterix-Comics, nur wenige nannten Hefte ihr Eigen. Sie waren der heißeste Scheiß unter uns Zwölfjährigen.
Neue Achtsamkeit? Hurra, die Römer spinnen wieder!
„Die Lorbeeren sind das neuste Heft̶
en wieder!„Die Lorbeeren sind das neuste Heft“, wie Jens seinerzeit stolz sabbernd verkündete. Ich wollte es ihm aus der Hand reißen, musste mich letztlich gedulden und durfte die Seiten nur aus der Ferne bewundern. „Dein Handschweiß versaut den herrlichen Westduft“, trötete der fette Jens. Millionenfacher Neid zerfraß mein unschuldiges Kinderherz, ich wollte nur noch haben, haben, haben. Ich schaffte es in Weimar später auf drei gut erhaltene und vier zerfledderte Asterix-Hefte.Achtundvierzig Jahre später ist nun der 40. Band der Reihe erschienen. Die Urväter des Comics sehen die Radieschen längst von unten, eine neue Generation Zeichner und Texter hat den Staffelstab übernommen. Und sie machen es prima. Hurra, die Römer spinnen wieder! In Die weiße Iris, versucht der listige Römer Visusversus via neuer Achtsamkeit die zarten Bauernschädel der Gallier zu blenden. „Die römischen Truppen sind seit Jahren demotiviert, Cäsar ist ratlos. Da kommt dieser Arzt Visusversus, der ihm verklickert, er könne die Truppen wieder aufrichten“, erzählt der Asterix-Autor Fabcaro. Fisch soll nun der Gallier Essen sein, lasset das Wildschwein friedlich grasen und liebet eure römischen Imperialisten. Konflikte mit Worten lösen, anstatt mit Backpfeifen. Mit allerhand woken Geschwätz betört Cäsars oberster Medicus besonders Gutemine, die Ehefrau des Gallierchef Majestix, von ihm in rauer Liebe „Minchen“ genannt. Fabraco: „Majestix versteht die Welt nicht mehr. Es war doch alles so prima: Er hing mit seinen Freunden ab, trank und aß, während Gutemine den Haushalt machte.“ Fabraco glänzt durch subtile Wortspiele, ganz im Sinne der Urväter. Sein Vorgänger Jean-Yves Ferri kam für viele Fans ein wenig platt daher, er ist nun Geschichte.Die weiße Iris – Die Römer sollen immer schön positiv bleibenDer schlaue und sehr überzeugend auftretende Visusversus bringt das Treiben im gallischen Dorf komplett durcheinander. Selbst Barde Troubadix, der beim Anstimmen seiner Lieder bisher regelmäßig verdroschen wurde, wanzt sich in die Hirne der Dorfbevölkerung und schmeichelt ihnen eins. „Auch Minderheiten dürfen sich äußern“, jubelt die Dorfgemeinschaft. Immer schön positiv bleiben, den römischen Legionären verkauft der Coach Visusversus („Jedes Problem hört auf, eines zu sein, sobald es keine Lösung dafür gibt.“) die nächste Klopperei als Chance. Scheitern ist positiv, sei gut und liebe deinen Nachbarn, auch wenn er nach Fisch stinkt und kaum bis drei zählen kann. „Als nächstes erzählt mir noch jemand, dass Hinkelsteine zu gar nichts nütze sind“, vermutet Obelix nicht ganz zu Unrecht. Als Gutemine das Leben im langweiligen Dorf satthat und mit dem Guru ins elegante Lutetia (Paris) entschwindet, außerdem statt Wildschwein nur noch Sushi die Holzteller schmückt, ist für Asterix das Maß voll. In wohlmeinenden Worten nimmt der herrliche Klamauk der Reihe seinen gewohnten Lauf.Der erstmalig dichtende Autor Fabraco stellt die Frauen in den Vordergrund. Das kam auch in den bisherigen Bänden immer mal wieder vor, doch diesmal steigt aber Majestix vom hohen Schild herab, um bei der finalen Feier neuerdings mit den Dorfbewohnerinnen zu feiern. Ob es bis dahin Asterix, Obelix, Majestix und dem Druiden Miraculix gelingt, den falschen Propheten zu entlarven? Wie die gute, alte Zaubertrank-gestählte-Gewalt der Gallier die imperialistische Gewalt der Römer besiegt, müsst ihr selbst rausbekommen. Der Comic erscheint gleichzeitig in zwanzig Sprachen in einer Auflage von fünf Millionen Heften. Allein 1,7 Millionen Hefte warten im deutschsprachigen Raum auf Leserinnen und Leser. Autor Fabcaro: „Man muss auf der einen Seite die Tradition von Goscinny und Uderzo wahren. Auf der anderen Seite aber will ich eine eigene Note reinbringen, das ist schon etwas heikel.“Die weiße Iris bietet gute Comicunterhaltung, weil Autor und Zeichner es schafften, die Traditionalisten der alten Reihe mit den Leserinnen der Nullerjahre zu vereinen. Behutsame Veränderung. Auch wenn der Zeichner Didier Conrad flapsig meint, er hätte während der Arbeit besonders viel Fleisch gegessen. Schönstes Zitat: „Sei gegrüßt, edler Händler mit dem Seetangbukett. Ich bin Visusversus, auf Durchreise in diesen schönen Gefilden, und wäre euch verbunden, wenn ihr mir frische Fische voll wertvoller Spurenelemente überließet …“