Pamela Rendi-Wagner bekommt rechtslinke Konkurrenz durch Hans Peter Doskozil
Österreich Der ehemalige Landespolizeidirektor vertritt eine Art patriarchalen Polizeisozialismus: Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland will nun doch gegen Pamela Rendi-Wagner um den SPÖ-Vorsitz kandidieren
Gewinnt Hans Peter Doskozil (hinten), gewinnt er vielleicht. Gewinnt Pamela Rendi-Wagner (vorne), verliert sie trotzdem
Foto: Roland Schlager/dpa
Bis vor wenigen Jahren haben die österreichischen Sozialdemokraten einen Wechsel an der Parteispitze meist sehr professionell vollzogen. Konfrontationen wurden kurz gehalten und verliefen nicht allzu schmerzhaft. Das kann man im Augenblick wirklich nicht mehr behaupten. Nach Christian Kerns unrühmlichem und überraschendem Abgang im Jahr 2018 – er hatte die Nationalratswahl gegen Sebastian Kurz von der ÖVP verloren – ist die Partei nicht mehr zur Ruhe gekommen. Pamela Rendi-Wagner selbst wurde in das Amt der Obfrau bugsiert, ohne große Ambitionen zu hegen oder gar Perspektiven anzubieten. Sonst wollte sich aber niemand drängen lassen, geschweige denn, dass sich jemand selbst aufdrängte.
Seit damals sägen einige Parteifreunde allerdings am S
dings am Sessel der Vorsitzenden. Nun hat sich ihr stets stichelnder Kontrahent, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, doch entschlossen, gegen sie in den Ring zu steigen.Dilettanten in PermanenzWenn Doskozil die Auseinandersetzung um den Chefsessel gewinnt, gewinnt er vielleicht – wenn Rendi-Wagner gewinnt, verliert sie trotzdem. Man wird sie daher wohl stürzen müssen, damit man aus der misslichen Lage überhaupt herauskommt. Das Anti-Doskozil-Lager hat zwar in den Parteigremien eindeutig die Mehrheit, kann es sich aber kaum leisten, Rendi-Wagner zu bestätigen. Dafür ist sie zu angeschlagen. Da mit der aktuellen Vorsitzenden keine Wahl mehr zu gewinnen ist, wird sie diesen Konflikt nicht überstehen. Ihr gegenüber loyal zu sein, bringt die Partei nicht weiter.Ihr gewichtigster Unterstützer, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, wird ihr alsbald flüstern müssen: „Pam, das geht sich nicht mehr aus!“ Das wird’s dann gewesen sein. Eine oder einen Dritte(n) aus dem Hut zu zaubern, wird sich jetzt auch nicht mehr ausgehen, das hätte man längst auf die Schiene bringen müssen. Die Führungsfunktionäre der SPÖ, einst bekannt und gefürchtet für Geschick und Geschlossenheit, wirken gegenwärtig wie Dilettanten in Permanenz.Einen Punktesieg hat Hans Peter Doskozil schon vorab erzielen können, als er im Parteipräsidium durchsetzte, dass zuerst eine Mitgliederbefragung stattfindet und dann erst der Parteitag über den Vorsitz entscheidet. Erstere ist zweifellos ein Novum bei den Sozialdemokraten und erhöht die Chancen des Burgenländers. Doskozil dürfte obsiegen, aber die Zustimmung wird knapper ausfallen, als er und seine Freunde sich das wünschen. Euphorie dürfte bei dieser Demontage keine aufkommen. Doskozil und insbesondere auch sein gewiefter Landesgeschäftsführer, Roland Fürst, sind indes um einiges geschickter und treiben als kleine Landesorganisation sowohl die Bundes-SPÖ als auch die Wiener Partei vor sich her. Allerdings waren die Burgenländer auch die Einzigen, die für die SPÖ in den vergangenen Jahren einen fulminanten Wahlsieg einfuhren und im Eisenstädter Landtag seither über eine absolute Mandatsmehrheit verfügen. Darauf verweisen sie genüsslich und unentwegt: „Wir wissen, wie es geht“, lautet ihre Botschaft.Doskozils Kurs ist primär auf seine Person zugeschnitten, die Kopisten in Tirol oder Niederösterreich konnten bei den zurückliegenden Landtagswahlen nicht reüssieren. Der ehemalige Landespolizeidirektor vertritt eine Art patriarchalen Polizeisozialismus: „Aufstieg, Leistung, Sicherheit!“, lautet das originelle Kommando. Ordnungspolitisch ist er rechts, aber sozialpolitisch agiert er links. Doskozil vertritt dezidiert keine neoliberale Agenda. So hat das Burgendland diverse Sozialleistungen etabliert, wie sie die Bundespartei in den letzten Jahrzehnten Regierungsbeteiligung nicht zuwege gebracht hat: Mindestlohn, Anstellung pflegender Angehöriger beim Land, Mietobergrenzen in landeseigenen Wohnungen und so weiter. In der ÖVP gilt er einigen gar als Kommunist. Es ist also nicht einfach ein Streit links gegen rechts oder weltoffen gegen provinziell, den man auszutragen hat.Anzunehmen ist, dass Doskozil Stimmen von der FPÖ zurückholt und die Verdrossenheit in der schwindenden Arbeiter- und Pensionisten-Basis der SPÖ vorerst stoppt, er dafür jedoch im urbanen Bereich an Liberale und Grüne verliert. Die Marschroute des burgenländischen Landeshauptmanns könnte so auch in einem Nullsummenspiel enden. Bündnispolitisch setzt Doskozil auf eine Allianz aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. Ob die freilich realistisch ist, darf bezweifelt werden. Notfalls wird Doskozil mit der FPÖ koalieren, nicht jedoch mit der ÖVP.Wenn er jemanden aus der Regierung fernhalten will, dann die Volkspartei. Diese Aversion ist echt und wird von großen Teilen der sozialdemokratischen Basis geteilt.Nur führt die SPÖ in all diesen Kontroversen kaum noch Regie, sondern wird regelrecht medial auf-, ja, vorgeführt. Sie spielt weniger, als ihr mitgespielt wird. Man verfügt nicht mehr über den eigenen Laden. Schon seit vielen Jahren besteht die Medienpolitik der SPÖ hauptsächlich darin, den Boulevard mit öffentlichen Inseraten und Förderungen anzufüttern. Vor allem die Wiener SPÖ ist hier eine Großmeisterin der Großzügigkeit. Die Dankbarkeit hält sich in Grenzen. Dafür sind interne Sitzungen am nächsten Tag nachzulesen, bis hin zu den Details, wer wann wie lange mit wem geschrien hat.Die SPÖ ist nicht nur transparent geworden, sie ist durch und durch porös. Das wiederum ist rundweg desaströs. Nunmehr darf die Partei eine Art amerikanischen Vorwahlkampf abliefern. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig behauptet allen Ernstes, dass es keinen Wahlkampf geben wird. Derlei kann man zwar beschließen, aber derlei ist nicht durchzuhalten. Das unsägliche Gezänk um die Statuten und die Zusammensetzung der parteiinternen Wahlkommission verdeutlicht die zunehmende Nervosität in den Gremien.