Kein Konto für xy

Geldhahn abdrehen Eine Petition, die mir flaue Magengefühle bereitet.

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#aufstehn ist eine österreichische Internet-Plattform für Online-Petitionen.
In der Vergangenheit hatte ich mich nun schon wiederholt an verschiedenen #aufstehn-Aktionen beteiligt.
Gegen die Zerschlagung der AUVA, für die Rettung des Radiosenders FM4, CETA stoppen, Appell gegen Waffenexporte (das war noch 2018!), BlackLivesMatter-Solidaritätserklärung, offener Brief für menschenwürdige Pflege oder "Nein zu Chat-Kontrolle und Massenüberwachung!" und andere Themen waren es mir wert, dass ich mit meiner digitalen Unterschrift das jeweilige Anliegen unterstützt habe.

Ende Jänner 2024 erreichte mich schließlich ein neues Anliegen der #aufstehn-Gemeinschaft, das mir schließlich mehr Bauchweh bereitete als dass es mich zu einer Unterschrift bewegen konnte.
„Kein Konto für Rechtsextreme“ lautete der Betreff, darunter stand: „Drehen wir ihnen den Geldhahn ab!“
Im Detail ging es um ein Online-Medium namens „Heimatkurier“ das hier als „rechtsextrem“ bezeichnet wurde.
Dieses Medium, so erfuhr man in der E-Mail, hätte ein Konto bei der Bank „N26“, wo es auch Spenden sammeln würde, über die sich das Blatt finanziert.
„Wenn sich viele Menschen unserer Forderung anschließen, bleibt der Bank nichts anderes übrig, als das Konto zu schließen“ schrieb mit lieben Grüßen „dein #aufstehn-Team“ und bedankte sich vorab schon mal für mein „Engagement“.

Nun kannte ich den „Heimatkurier“ bislang nicht und bin politisch ganz sicher nicht bei Rechten oder Rechtsextremen verortet.
Nachdem ich zu Recherchezwecken ein bisschen in die Materie reingeschnuppert habe, finde ich das Blatt auch wirklich nicht sympathisch, sehe hier wirklich nicht meine Weltsicht vertreten und bin stark der Meinung, das braucht es nicht wirklich in der Welt, aber dennoch… es hinterlässt der Boykott-Aufruf von #aufstehn bei mir ein flaues Gefühl.
Wenn einem jemandes Blattlinie, eine gedankliche Ausrichtung nicht gefällt, geht man ins Internet, um sich mit Gleichgesinnten zusammenzurotten und Druck auf irgendwelche Institutionen auszuüben, bis dass man den Betreffenden die existenzielle Grundlage entzieht – Macht man das jetzt so?
Macht das jetzt Schule?

Als jemand, dessen gedankliche Ausrichtung längst nicht mehr überall gefällt (das geht heute ganz schnell), sehe ich mich hier schon auch als das nächste potentielle Opfer.
Wird man demnächst vielleicht auch meine Bank kontaktieren, auf dass sie auch mir „den Geldhahn zudrehen“?
Vielleicht erst den Blättern, für die ich schreibe, später dann mir, dem Schreiber, dann den Abonnenten, den Lesern…
Schnell könnte man draufkommen, was für ein wirkmächtiges Instrument „Kein Konto für xy“ ist. Schnell könnte der Einsatz dieses Instruments überhandnehmen.
Ich meine: Am Ende könnte sich das Prinzip prinzipiell gegen jeden wenden, wohl auch gegen die ebenfalls spendenfinanzierte NGO #aufstehen.
Ein gefährliches Prinzip.

Das Prinzip ist auch gar nicht mehr so neu.
Als in der Corona-Zeit die kanadischen Trucker gegen eine Impfpflicht demonstrieren wollten und ihren imposanten „Freiheitskonvoi“ gestartet hatten, wurden sie dabei von den Menschen über eine Crowdfunding-Plattform finanziell unterstützt.
Über zehn Millionen kanadische Dollar kamen auf diese Weise zustande, waren gespendet worden - aber dann weigerte sich die Plattform, die Summe auszuzahlen, um die Aktion abzuwürgen, auch auf politischen Druck hin. Es wurden schnell mal Gelder eingefroren, Konten und Kanäle gelöscht, gesperrt…*
Es kommt mir alles sehr bekannt vor.
Auch den Truckern und ihren Unterstützern hat man „den Geldhahn zugedreht“, weil ihr Gebaren jemandem nicht gefallen hat.

Den Geldhahn zudrehen heißt: Jemanden von nahezu allem ausschließen.
Ohne Geld, ohne Konto ist man ein Nichts heutzutage.
#aufstehn weiß das, darum ging es ihnen ja gerade.
„Den Geldhahn zudrehen“ klingt auch nicht zufällig so wie „den Wasserhahn zudrehen“. Es bedeutet ein Verdursten, wenn man in dieser Welt so gar nicht „flüssig“ ist; das sollte man niemandem antun, noch nicht mal dem größten Feind.
Ich jedenfalls wollte da, ich konnte da nicht mittun.
Die Aufforderung von Ende Jänner ließ ich unbeantwortet.

Sowieso haben sie es auch ohne mich geschafft.
Bis die nächste E-Mail von #aufstehn in meinem Postfach eintrudelte, verging keine Woche.
Am 07. 02. 2024 wurde ich erneut in der Sache angeschrieben, und zwar mit den triumphalen Worten:
„Das ging schnell: Erst letzte Woche haben wir unseren Appell “Kein Konto für Rechtsextreme” an die Bank “N26” gestartet. Darin haben wir die Bank aufgefordert, das Konto der rechtsextremen Online-Zeitung “Heimatkurier” zu schließen.
Jetzt wurde bekannt: “N26” hat den Fall geprüft und laut “Heimatkurier” das Konto gekündigt.
Dass die Bank so rasch gehandelt hat, ist den über 8.000 Unterstützer_innen unseres Appells zu verdanken!
Mittlerweile hat der “Heimatkurier” zwar ein neues Konto. Das Hetzblatt muss sich jetzt aber darauf einstellen, dass weitere Banken dem Beispiel “N26” folgen werden…“

Und wenn sie bei #aufstehn auch noch so frohlockten, bei mir wollte sich partout keine Freude einstellen.
Im Gegenteil, das flaue Gefühl in der Magengegend wurde da nochmal ein bisschen stärker.


* https://taz.de/Protest-gegen-Coronapolitik-in-Kanada/!5835790/

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