Keine Legitimierung der Verbrechen im Iran

Menschenwürde verletzt Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch enttäuscht über Umgang des deutschen Außenministers mit Teheran und Riad

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Human Rights Watch äußerte sich enttäuscht über die Reise von Frank Walter Steinmeier in den Iran und Saudi-Arabien. Steinmeier hatte auf seiner Reise im Mittleren Osten den Iran im Rahmen der Tagung der Münchner Sicherheitskonferenz in Teheran besucht, die zum ersten Mal überhaupt dort statt fand und danach einen Besuch in Saudi-Arabien getätigt.

Wenzel Michalski, der Leiter des Deutschlandbüros von Human Rights Watch, einer der größten Menschenrechtsorganisationen weltweit, zeigte sich sehr enttäuscht vom Umgang Steinmeiers in Hinblick auf Menschenrechtsfragen in beiden Ländern.

Vor seinem Riad-Besuch war Steinmeier in Teheran. Leider hat er auch dort die Gelegenheit

verstreichen lassen, über lange überfällige Menschenrechtsreformen zu sprechen. Das iranische Atomprogramm hat die schlechte Menschenrechtslage im Land lange überschattet. Gravierende Menschenrechtsverletzungen werden mehrheitlich von Gerichts-, Sicherheits- und Geheimdienstbeamten verübt, die selten für Verstöße zur Verantwortung gezogen werden. Und sie betreffen tagtäglich Tausende Iraner“, sagte Michalski in einem Artikel in der BILD Zeitung vom 24. Oktober.

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UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte im Iran Ahmad Shaheed: Hinrichtungen müssen sofort gestoppt werden

Im Bezug auf den Atomdeal der P5+1 mit dem iranischen Regime, der im Juni 2015 nach mehrjährigen Verhandlungen abgeschlossen wurde, sagte Michalski:

„Der Atom-Deal kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem iranische Gerichte die Hinrichtung Hunderter

Gefangener beschlossen haben, von denen sehr viele lediglich gewaltlose Drogendelikte begangen haben.

Allein in diesem Jahr haben die Behörden mehr als 650 Menschen erhängt, einige von ihnen waren

minderjährig, als sie die ihnen zur Last gelegten Verbrechen verübt haben sollen. Die Sicherheitsbehörden belästigen und verfolgen Anwälte und Menschenrechtsaktivisten routinemäßig.“

Er wies auch darauf hin, dass im Iran die meisten inhaftierten Journalisten im gesamten Mittleren Osten sitzen und dass das iranische Regime die Einreise des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Ahmed Shaheed, verweigert.

Michalski warnt davor, nach dem Atomdeal nun Profite und Geschäfte vor den Interessen des iranischen Volkes auf Freiheit und Demokratie zu setzen. Wirtschaftsverträge müssen laut ihm an die Verbesserung der Menschenrechte geknüpft werden. In Bezug auf Steinmeiers Verhalten bei seiner Reise in den Iran sagte Michalski: „Es ist sehr wichtig, dass sich alle ihrer Möglichkeiten bewusst werden und Teheran dazu drängen, seine menschenrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Die iranische Bevölkerung verdient mindestens das. Aber Steinmeier hat nichts dergleichen getan!“

Besonders stößt Human Rights Watch und dem iranischen Widerstand ein Foto eines sehr freundlichen und vertraut wirkenden Handschlages zwischen Steinmeier und dem früheren iranischen Präsidenten Akbar Hashemi Rafsandschani auf, welches in dem BILD Artikel veröffentlicht wurde. Rafsandschani war während seiner Amtszeit als iranischer Präsident (1989 – 1997) an mehreren größeren Terroranschlägen im Ausland sowie an der Ermordung und Verschleppung von iranischen Dissidenten beteiligt. Rafsanjani gilt auch heute noch als einer der einflußreichsten Männer im Iran.

Michalski lobt zwar das Ansprechen Steinmeiers bezüglich des Umgangs des Regimes in Teheran mit Syrien und dem Ende des Einsatzes von Fassbomben, aber er sagt auch: „Zu glauben, dass man dauerhaften Frieden und

Stabilität herstellen kann, indem man die erschreckende Menschenrechtslage in beiden Ländern ignoriert, ist naiv und hat nichts mit vernünftiger Realpolitik zu tun.“

Michalski betont, dass die katastrophale Menschenrechtslage im Iran und Saudi-Arabien der wichtigste Faktor für die instabile Lage im Mittleren Osten ist. Er fordert ein komplettes Umdenken in der Menschenrechtspolitik der deutschen Regierung. „Der arabische Frühling hat gezeigt, was passiert, wenn man Unterdrückungsregime umschmeichelt“, stellt Michalski fest.

Ähnlich sehen dies auch Amnesty International und der iranische Widerstand, der bereits vor der Reise von Steinmeier ähnliche Forderungen stellte. Der iranische Widerstand weist zudem darauf hin, dass die bevorstehende Reise von Mullahpräsident Rohani nach Europa (14.-17. November) ein weiterer Schritt einer fehlgeleiteten Beschwichtigungspolitik Teherans und ein Affront gegen die Interessen des iranischen Volkes ist.

„Allein in den Tagen, als die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Iran verweilte, wurden 32 Personen hingerichtet; sie sprach das aber nicht an. Amnesty International forderte alle Delegationen auf, bei ihren Besuchen das Thema öffentlich anzusprechen und dagegen zu protestieren, aber es wurde nichts verlautbart. Die Absicht des iranischen Regimes, mit Rohanis Europareise eine Aufwertung dieses Regimes zu erreichen, muss durchkreuzt werden. Die internationale Gemeinschaft muss dem Regime deutlich machen, dass eine Besserung der Beziehungen mit dem Iran von der Menschenrechtssituation und insbesondere vom Stopp der Hinrichtungen abhängig ist“, heißt es in einer Stellungnahme vom Nationalen Widerstandsrat Iran (Deutschlandvertretung) zu dem Artikel von Michalski.

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Geschrieben von

G. Tuellmann

Dr. Greta Tüllmann ist Publizistin in Berlin, Chefredakteurin der Frauenzeitschrift „go40 – Frauen gestalten Zukunftskultur“

G. Tuellmann

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