Die imperialen Mechanismen einer Weltmacht

Buch-Rezension. In seinem neuen Buch „Imperium USA“ zeigt der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser, wie die USA ihren Machtanspruch auf fremde Länder ausweiten

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Daniele Ganser hat in seinem neuen Buch eine beeindruckende Faktensammlung über die Geschichte der USA zusammengetragen. Einige der in Gansers Buch beschriebenen Schandtaten der US-Politik kennt man, vor allem die aus jüngerer Zeit, doch vieles hat man noch nie gelesen, was sich aber nahtlos in das Gesamtbild einer macht- und geldgierig agierenden imperialistischen Weltmacht einfügt. Ganser verknüpft diese einzelnen Geschehnisse nicht nur zu einem erschreckend eindeutigen Geschichtsmosaik mit klar erkennbaren Mustern, sondern kann auch jede seiner Aussagen belegen. So eröffnet sich dem Leser ein in seiner Gesamtheit mehr als beunruhigendes Bild der Verfasstheit der politisch verantwortlichen Kreise in den USA, einem Land, das sich schon längst von einer Demokratie zu einer Oligarchie gewandelt hat, in der die Superreichen weltweit die Politik bestimmen.

Der Autor spannt einen weiten Geschichtsbogen, von der Entdeckung des Kontinents durch Kolumbus im 15. Jahrhundert bis zur heute von den USA angestrebten digitalen und territorialen Kontrolle der Menschheit. Er berichtet von der Vernichtung der Indianer, vom Krieg gegen Mexiko, von der Verschleppung rund einer Million Afrikaner in die USA, letzteres um ein Wirtschaftssystem zu begründen, das im Wesentlichen auf Rassismus beruhte.

In dem Buch finden sich kaum bekannte, aber umso interessantere Fakten über die Inbesitznahme der Inseln Kuba, Puerto Rico, Hawaii und Guam und wie es den USA gelang, nach England auch die zweite große europäische Seemacht Spanien zu besiegen und ihren imperialen Platz einzunehmen.

Schon damals zeigten sich die bis heute durchgängigen Muster, mit denen imperialistische Kriege nicht nur der eigenen Bevölkerung schmackhaft gemacht wurden, sondern mit denen es gelang, sie der ganzen Welt als gerechtfertigt und zwingend darzustellen. Dazu zählen das Verbreiten falscher Beschuldigungen mittels willfähriger Medien, Provokationen, Lügen und Aktionen unter falscher Flagge.

Ganser behandelt die Rolle der USA im Ersten und im Zeiten Weltkrieg, wo jeweils die Präsidenten ihre Wiederwahl sicherten, indem sie Frieden versprachen, um dieses Versprechen nach dem Wahlsieg unverzüglich zu brechen. Nachdem sich die miteinander im Krieg liegenden europäischen Staaten bis zur Erschöpfung bekämpft hatten, griffen die USA in das Kriegsgeschehen ein, um sich selbst große Einflussgebiete in Europa zu sichern und so zur größten Weltmacht aufzusteigen. Die Strategie des divide et impera, des spalte und herrsche, geht immer noch auf. Die USA schüren zwischen den Parteien Unfrieden, unterstützen eine oder noch besser gleichzeitig beide Seiten, spielen sie gegeneinander aus, um am Ende als lachender Dritte den eigenen Machtbereich zu vergrößern.

Ganser berichtet über die Gründung der CIA im Jahr 1947 und über den neu eingerichteten Nationalen Sicherheitsrat (NSC), mit dessen Direktive NSC 10/2 die CIA ermächtigt wurde, weltweit verdeckte Operationen durchzuführen, dazu zählen Wirtschaftskriege und Sabotage genauso wie verdeckte Kriegsführung.

Ausführlich schildert Ganser das skrupellose Vorgehen der USA beziehungsweise der CIA im Iran, im Kongo, in Bolivien, in Chile, auf Kuba, in Vietnam, in Kambodscha, im Irak, in Nicaragua, in Indonesien, aber auch im eigenen Land, wenn es zum Beispiel um die Ermordung von John F. Kennedy geht oder um den 9/11-Anschlag. Gewissenlose Pläne gegen unbequeme Politiker und unliebsame Regierungen werden bis heute in die Tat umgesetzt, wie man das in der Ukraine, in Syrien und auch in der aktuellen US-amerikanischen Russland- und Chinapolitik beobachten kann. Verbrecherische Kriege und Putsche, die in der medialen Darstellung zum „Kampf für Demokratie und Menschenrechte“ stilisiert werden.

Die imperialistische, auf Expansion ausgerichtete Politik zieht sich als roter Faden durch die US-amerikanische Geschichte. So zeigt Ganser auf, wie es den USA gelang, mit immer den gleichen Tricks, Täuschungen und Lügen die eigene Bevölkerung und die Welt glauben zu machen, sie führe „gerechte“ Kriege“, wenn sie in Wahrheit gegen das Völkerrecht verstieß und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging oder Geheimoperationen durchführte, die Staaten in den Abgrund und abertausende Menschen in den Tod rissen.

Heute behaupten sich die USA auch als digitales Imperium, das die totale Erfassung unseres Lebens anstrebt, möglich gemacht durch IT-Konzerne wie Google und Facebook. Beispielhaft erklärt das Buch, wie die CIA versucht sich auch die Kontrolle über unser Wissen mittels des Onlinelexikons Wikipedia zu sichern. Wie die Lektüre von „Imperium USA“ zeigt, hat sich die Angst der USA vor Kontrollverlust zu einem Kontrollzwang entwickelt, der nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern die gesamte Welt zu beherrschen versucht.

Man muss dieses Buch gelesen haben, will man verstehen, was Imperialismus bedeutet und wie er funktioniert. Die USA ein Terrorregime? Dieser Aussage kann man nach Lektüre des Buches nur zustimmen, geht es doch um eine skrupellose Geldelite, die mit Hilfe einer willfährigen Regierung und einer rücksichtslosen CIA in fremden Ländern Putsche durchführt, missliebige Politiker ermordet und danach strebt, mit Gewalt politische Ziele durchzusetzen, wobei die Öffentlichkeit belogen, betrogen und manipuliert wird. Und spurt der eigene Präsident nicht, dann muss halt auch er weg.

Daneben räumt Ganser mit dem Mythos USA auf. Er macht erschreckende Zahlen zu Armut und Verfall in den außenpolitisch so mächtigen USA deutlich und betont immer wieder, dass sich die Kritik nicht gegen die Menschen in den USA richte, sondern gegen jene, die das US-Imperium lenken.

Ganser, der sich der Friedensbewegung genauso verbunden fühlt, wie allen Menschen, die Krieg, Terror und Kriegspropaganda ablehnen, verweist immer wieder auf das in der UNO-Charta in Artikel 2 Absatz 4 verankerte Gewaltverbot: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Allerdings sei die Voraussetzung für den äußeren Frieden die Erlangung eines inneren Friedens, der durch Achtsamkeit erreicht werden kann.

Was Ganser am meisten am Herzen liegt, ist unser Bekenntnis zur Menschheitsfamilie, die alle Menschen umschließt. Tatsächlich, wir gehören alle zur selben Menschheitsfamilie, doch gerade in Familien gibt es die schlimmsten Streitereien, die furchtbarsten Gewalttätigkeiten, die verletzendsten Abwertungen und Demütigungen. Es ist höchste Zeit, die Menschheit in Familientherapie zu schicken, damit wir alle friedlich zusammen in einer multilateralen Welt mit gleichberechtigten Familienmitgliedern leben können, in der Streitigkeiten ohne Gewalt ausgetragen und beigelegt werden.

Ein unbedingt lesenswertes Buch, das die Augen öffnet, Betroffenheit erzeugt und den einzig gangbaren Weg weist: Die Weg in die Zukunft muss ein friedlicher sein!

Daniele Ganser: „Imperium USA. Die skrupellose Weltmacht“
Orell Füssli Verlag Zürich, April 2020, 392 Seiten
mit umfangreichem Literaturverzeichnis und Index

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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