Kampf um Tripolis: 04. bis 07. Mai 2019

Libyen. Misrata-Kampfjet von LNA abgeschossen / Hauptquartier der ‚Einheitsregierung‘ zerstört / Marsch auf Tripolis war zwischen Sarradsch und Hafter abgesprochen

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+ 06.05. Die Anzahl der Todesopfer ist bei den Kämpfen um Tripolis auf 432 gestiegen, die der Verletzten beträgt etwa 2070. Laut der UN-Organisation für Migration sollen etwa 50.000 Zivilisten vor den Kämpfen um Tripolis geflohen sein.

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+ 04.05. Die ‚Einheitsregierung‘ sagt, ihre Milizen hätten viele zunächst von der libyschen Armee (LNA) eroberte Gebiete wieder zurückerobert.
Kurz vorher hatte die libysche Armee (LNA) versichert, vier Bezirke im Süden von Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht zu haben.

+ 04.05. Nachdem sich der IS zu dem Anschlag auf ein Ausbildungszentrum der Armee (LNA) in der Stadt Sebha im Süden Libyens mit neun Toten bekannt hatte, sagte Khaled al-Scharif, ehemaliges Mitglied der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) einem libanesischen Sender, dass die sogenannte The South Protection Force, die zur ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch in Tripolis gehört, für diesen Anschlag verantwortlich sei. Es seien eine Reihe von Operationen geplant, damit die ‚Einheitsregierung‘ wieder die Kontrolle über Gebiete erlange, die heute von der libyschen Armee (LNA) kontrolliert werden.
Neben dem IS haben sich zwischenzeitlich auch mit der ‚Einheitsregierung‘ verbündete Milizen, al-Somoud und das Bataillon 166, als für den Anschlag verantwortlich erklärt.

+ 04.05. Jim Hanson, der Präsident der American Security Studies Group (ein in Virginia ansässiger Think Tank), sagte in einem Interview, dass viele Kämpfer des IS, die sich in Libyen aufhalten, nun für die von den Vereinten Nationen anerkannte ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch kämpfen und von dieser Regierung, ebenso wie al-Kaida-Mitglieder, auch finanziert werden. Die US-Regierung müsse sich auf die Seite derjenigen stellen, die gegen den IS sind.

+ 04.05. Laut der italienischen Zeitung Il Giornale kam es in den Gewässern des Golfs von Sirte zu einem Vorfall zwischen Italien und der libyschen Küstenwache. Die Küstenwache hatte neun italienische Fischerboote abgefangen, woraufhin die italienische Marine eingriff und die Fischerboote befreite. Hintergrund bildet der Streit, wieweit sich die libyschen Hoheitsrechte in den Golf von Sirte erstrecken bzw. was zu internationalen Gewässern gehört.

+ 04.05. Zum ersten Mal sollen von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ von Syrern hergestellte M-302-Artillerie-Raketen eingesetzt worden sein. Mehrere tausend dieser Raketen sollen Ende April von einem iranischen Frachtschiff über den Hafen von Misrata nach Libyen gebracht worden sein.

+ 05.05. Bei Nachtangriffen zwischen dem 2. und 3. Mai hat die libysche Armee (LNA) laut eigenen Angaben Luftangriffe auf 14 Ziele in den Außenbezirken von Tripolis durchgeführt. Dabei sollen Panzer, aufgerüstete Fahrzeuge und andere Waffen zerstört worden sein.

+ 06.05. Ramadan sharif mubarak!
Die libysche Armee unter Hafter lehnt einen von der UN geforderten Waffenstillstand ab und erklärt, im Fastenmonat Ramadan einen „heiligen Krieg“ führen zu wollen.
Allerdings herrschte in Tripolis am ersten Tag des Ramadan vorsichtige Ruhe. Kampflärm war nicht zu hören.

+ 06.05. Laut Sputnik zerstörten die von Feldmarschall Haftar geführten Streitkräfte das Hauptquartier der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis.

+ 06.05. Der Hohe Sozialrat der libyschen Tuareg verurteilte den vor wenigen Tagen begangenen Terroranschlag auf das militärische Ausbildungslager der libyschen Armee (LNA) in Sebha, bei dem neun Menschen starben. Den betroffenen Familien wurde das Beileid ausgesprochen. Es seien wiederholt in Südlibyen solch feige terroristische Taten durchgeführt worden, die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungen der ‚Einheitsregierung‘ seien aber nie publik gemacht worden. Der Stammesrat bat die libysche Armee, Verantwortung zu übernehmen und das Sicherheitsvakuum zu schließen, das es diesen Gruppen ermöglichte, sich im Süden frei zu bewegen. Die ‚Einheitsregierung in Tripolis wurde gewarnt, keine Unterstützung oder militärische Hilfe Gruppen zukommen zu lassen, die von den Völkern des südlichen Libyens nicht anerkannt werden. Die ‚Einheitsregierung‘ werde als Komplize oder „Partner bei allen terroristischen Handlungen dieser Gruppen betrachtet, da sie von dort ihre Legitimität beziehen“.

+ 06.05. Fayez al-Sarradsch von der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis reiste mit einer Delegation von Diplomaten und Militärs nach Rom, um sich unter anderen mit dem italienischen Premierminister Giuseppe Conte zu treffen. Obwohl Conte noch vor kurzem sagte, er sei weder für Hafter noch für Sarradsch, gestattete er ein Treffen der Tripolis-Milizen mit italienischen Militärs.
Laut der italienischen Zeitung Repubblica forderte Sarradsch von Italien, es soll mehr und vor allem offener die ‚Einheitsregierung‘ verteidigen, die zwar von den Vereinten Nationen anerkannt, aber von der internationalen Gemeinschaft aufgegeben worden sei.

+ 06.05. Während eines von Egypt Today in Kairo veranstalteten Seminars kam es zu einem Meinungsaustausch von libyschen Politikwissenschaftlern und Journalisten.
Mohamed el-Zobeidy, Professor für Völkerrecht an der Universität von Tripolis, sagte, die militärische Operation in der Hauptstadt hätte die Befreiung der staatlichen Institutionen aus dem Griff von militanten Gruppen zum Ziel. Die Hauptstadt Tripolis, wo fast 60 Prozent der libyschen Bevölkerung lebten, werde von Milizen beherrscht. Dort seien auch Kämpfer des IS, der Muslimbruderschaft und von al-Kaida aktiv. Zobeidy ist der Meinung, dass die Türkei und Katar Terroristengruppen und Militante in Libyen unterstützen, um das Land in ein Ausbildungszentrum für Terroristen zu verwandeln, die anschließend nach Syrien und in den Irak verlegt werden könnten.
Eine politische Lösung für Libyen sei nach der Befreiung von Tripolis möglich, allerdings werde eine solche Lösung von Militanten behindert.

Der libysche Journalist Abdel Baset bin Hamel sagte interessanter Weise, dass ein friedlicher Einmarsch der libyschen Armee (LNA) in Tripolis zwischen Fayez al-Sarradsch von der ‚Einheitsregierung‘ und Feldmarschall Hafter vorher abgesprochen war. Allerdings habe Sarradsch nach Besuchen in Doha und Ankara gegen diese Vereinbarung verstoßen.
Bin Hamel ist sich sicher, dass sowohl arabische als auch andere ausländische Terroristen gegen die libysche Armee in Tripolis kämpften. Einer der Terroristen sei Salah Bady, der 2014 für den Brand des Flughafens von Tripolis verantwortlich war und der von der Türkei finanziert wird, um gegen die libysche Armee zu kämpfen.
Der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassan Salamé, habe Militante mittels falscher Sicherheitsmaßnahmen wieder in die politische Szene in Libyen eingeschleust. Die UN-Mission schließe die Augen vor der gefährlichen Rolle, die Terroristen in Libyen spielen. Diese würden libysche Beamte und Diplomaten kidnappen und die Bürger erpressen.

Der libysche Politikwissenschaftler Ibrahim bel-Kassim sagte, dass die Bruderschaft in Libyen keinen Rückhalt hat. Sie muss sich jetzt an der Macht halten, das sei ihre einzige Hoffnung, da sie im Land sehr unbeliebt sei. Die Bruderschaft habe gute Beziehungen zu Militanten in Misrata. Deshalb müssen diese Gruppen ausgeschaltet und entwaffnet werden.

Ein ehemaliger Berater der libyschen Armee, Ramzy el-Romeeh, stellte die Zukunft Libyens angesichts der Unmengen sich im Umlauf befindlicher Waffen, infrage. Er sagte: „Die libyschen Streitkräfte streben nicht nach Macht, weil sich der Staat im Chaos befindet, sondern sie wollen ihn befreien, damit der Wiederaufbau beginnen kann.“ Und: „Fayez al-Sarradsch ist in einer bösen Situation, da er von internationalen Geheimdiensten kontrolliert wurde, vor allem von Großbritannien, zusätzlich von der Türkei und Katar... Milizen haben die Führung von Tripolis übernommen.“

+ 07.05. Die libysche Armee (LNA) hat ein Kampfflugzeug südlich von Tripolis abgeschossen und deren Piloten gefangengenommen. Es soll sich dabei um einen Söldner handeln, der sich selbst als portugiesischen Staatsbürger bezeichnet. Das Flugzeug gehört zur Luftwaffe von Misrata, die in den letzten Wochen dutzende von Luftangriffen in umkämpften Gebieten wie Kasr bin Gashir, Tarhouna, Suq al-Khamis, Gharian flog.

+ 07.05. Bei vier Luftangriffen der Armee in Tripolis wurden Panzer, Fahrzeuge und ein Waffenlager zerstört.

+ 07.05. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, hat alle Parteien des libyschen Konflikts zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Die Offensive auf Tripolis solle gestoppt werden.

+ 07.05. Laut der Fluggesellschaft wurde ein Pilot von Libyan Airlines von Bewaffneten aus seinem Hotelzimmer in Tripolis entführt. Der Pilot stammt aus Bengasi. Innerhalb Tripolis häufen sich gerade die Entführungen. Der ‚Innenminister‘ der ‚Einheitsregierung‘ hat dazu aufgerufen, alle zu inhaftieren, die die Sicherheit in Tripolis unterminieren.

+ 07.05. Drei Söhne des Staatsratsmitglieds Hamid Barekow wurden in Mursuk ermordet. Bewaffnete eröffneten das Feuer auf die drei Brüder auf offener Straße.

+ 07.05. Nachdem der Fernsehsender Libya Al-Ahrar behauptete, zwei seiner Journalisten seien von der libyschen Armee (LNA) entführt worden, erklärte die libysche Armee (LNA) in einer Stellungnahme, dass die legitimen libyschen Streitkräfte vom libyschen Parlament beauftragt wurden, den Terrorismus im Land zu beseitigen. Jeder, der zu Gewalt gegen diese Kräfte aufstachle, falle unter die Strafe des libyschen Gesetzes.

+ 07.05. Al-Sarradsch trifft in Berlin zu Gesprächen mit Kanzlerin Merkel ein.

Die Hauptstadt Tripolis ist umkämpft, auf Seite der ‚Einheitsregierung‘ stehen die Tripolis- und Misrata-Milizen, die die vom Ausland eingesetzte 'Einheitsregierung' stützen, und auf der anderen Seite die libysche Armee unter General Hafter, die vom gewählten libyschen Parlament in Bengasi und einer Übergangsregierung aufgestellt wurde.

Formell sind die Tripolis-Milizen der Einheitsregierung gegenüber loyal. Allerdings haben die Milizen kriminelle Netzwerke gebildet, kontrollieren sowohl die ‚Einheitsregierung‘ als auch die Wirtschaft und saugen den Staat finanziell aus. Ihren Lohn erhalten sie von Ministerien oder staatseigenen Firmen. Die libysche Bevölkerung ist der Willkür dieser Milizen ausgeliefert.

Tatsächlich ist Libyen Schauplatz eines internationalen Konflikts. Katar, die Türkei und Italien stehen gegen Saudi-Arabien, die VAE, Ägypten und Frankreich. Wichtige Akteure sind die Golfstaaten, die EU, aber auch die USA und Russland mischen mit. Damit endlich wieder die libysche Bevölkerung Gehör findet und über die Politik im eigenen Land bestimmen kann, müssen so schnell wie möglich Wahlen abgehalten werden.

Seit dem Nato-Krieg gegen Libyen und der brutalen Ermordung von Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht in Libyen Chaos.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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