Lage in Libyen spitzt sich zu

Libyen/Ägypten. Libysche Diplomaten: Wir sind Vertreter des Volkes, der Nationalarmee und des Parlaments/Forderung: Keine Amtsverlängerung für Sarradsch/LNA: letzte Warnung an Misrata

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Libysche Botschaft in Ägypten erkennt ‚Einheitsregierung‘ nicht mehr an

Die gesamte diplomatische Vertretung Libyens in Ägypten und alle ihre diplomatischen Gesandten gaben am 15. Dezember 2019 bekannt, dass sie die ‚Einheitsregierung‘ (Regierung des nationalen Abkommens/GNA) unter dem Vorsitz von Fayez as-Sarradsch nicht mehr anerkennen.

In einer von der Vertretung herausgegebenen Erklärung heißt es, sie sehe sich als Vertreter des „libyschen Volkes, der Nationalarmee und des gewählten Parlaments“.

In der Erklärung wurde die Libysche Nationalarmee als Libyan Arab Armed Forces (LAAF – Libysch-Arabische Streitkräfte) bezeichnet. Der Kampf der Armee gegen kriminelle und terroristische Banden solle zukünftig von der diplomatischen Vertretung unterstützen werden.

Laut den Diplomaten schloss sich das gesamte Botschaftspersonal, vom Botschafter über den Geschäftsträger, dem Konsul und alle in der Botschaft tätigen Gesandten dieser Erklärung an, in der Sarradsch vorgeworfen wurde, den Terrorismus zu unterstützen und sich nicht für die Rechte des libyschen Volkes einzusetzen. Andere Libyer wurden aufgefordert, diesem Schritt zu folgen.

Als Grund wurde auch das vor wenigen Tagen geschlossene Abkommen der ‚Einheitsregierung‘ mit der Türkei genannt, das sogenannte ‚Memorandum of Understanding (MoU), das der Türkei erlaubt, libyschen Luftraum, Territorialgewässer und Territorium ohne vorherige Absprache und Genehmigung durch die libyschen Behörden nutzen und Militärbasen in Libyen errichten zu dürfen. Daneben wurde ein Seerechtsabkommen geschlossen, das Öl- und Gasbohrrechte beinhaltet und das nach allgemeiner internationaler Auffassung gegen das Seerecht verstößt.

Sowohl das griechische Parlament als auch das ägyptische Repräsentantenhaus veröffentlichten Erklärungen, in denen sie das libysche Parlament beziehungsweise Repräsentantenhaus als die einzige legitime Vertretung des libyschen Volkes bestätigten. Zwischenzeitlich verwies Griechenland den libyschen Botschafter des Landes.

Offener Brief fordert von UN, der Sarradsch-Regierung die Anerkennung zu entziehen

Das Libya Institute for Advanced Studies (LIAS) forderte in einem offenen Brief vom 14. Dezember 2019 die UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) auf, dem Präsidialrat und seiner Regierung in Tripolis die Anerkennung zu entziehen. Das Schreiben trägt die Unterschrift des Vorstandvorsitzenden Dr. Aref Ali Nayed.

In dem Schreiben wird auf die von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Sozial- und Gemeinderäten gestellten Forderungen Bezug genommen, die einen Widerruf der Anerkennung der Sarradsch-Regierung fordern.

Selbst wenn man sich auf das Skhirat-Abkommen von 2015 beriefe, das allerdings niemals vom Parlament ratifiziert worden ist, würde die Amtszeit von Sarradsch am 17. Dezember 2019 nach dreimaliger Verlängerung unwiderruflich auslaufen.

Unter den gegebenen Umständen wäre es unverantwortlich, die Sarradsch-Regierungszeit automatisch zu verlängern. Die präsidialen Befugnisse müssten bis zum 17. Dezember vollständig an die gewählten Repräsentanten des libyschen Volkes übergehen.

Das Libya Institute for Advanced Studies bittet daher um die umgehende Bekanntgabe, dass die Amtszeit des Präsidialrates und seiner Regierung nicht verlängert wird sowie um eine Benachrichtigung an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, dass die Beschlüsse, Vereinbarungen und Absichtserklärungen, die der Präsidialrat und seine Regierung in den letzten Tagen willkürlich geschlossen oder unterzeichnet haben, nicht umgesetzt werden.

Anhaltende Waffenlieferungen aus der Türkei

Währenddessen wurde die Ankunft größerer Ladungen an Militärgütern aus der Türkei per See- und Luftweg in Misrata zur Unterstützung der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gemeldet. Die Libysche Nationalarmee (LNA) erklärte, die Löschung und der Weitertransport dieser Militärgüter seien unter ihrer Beobachtung.

Im Luftwaffenstützpunkt von Misrata, der Misrata Air Academy, sollen sich auch neu gelieferte türkische Drohnen zum Einsatz gegen die LNA befunden haben, die laut LNA zwischenzeitlich bei Luftangriffen zerstört wurden. Der LNA soll es auch gelungen sein, mehrere neue Kirby-Panzerfahrzeuge türkischer Produktion zu zerstören.

Weiter teilte die LNA mit, sie habe den Transport und die Lagerung von Waffen, Munition und Militärgütern in zivilen Gebieten von Misrata beobachtet. Noch seien die Streitkräfte angewiesen, dort keine Angriffe durchzuführen, damit die Sicherheit der Zivilbevölkerung von Misrata gewährleistet bleibe. Sollten diese türkischen Militärsendungen aber nicht unverzügliche außerhalb der Wohngebiete verbracht werden, würden sie zu legitimen Zielen. Dies sei als eine letzte Warnung zu verstehen. Die Einwohner von Misrata werden ausgefordert, sich von diesen Lagerstätten fernzuhalten.

Neue militärische Güter aus der Türkei würden auch im Hafen von Tripolis und in algerischen Häfen ankommen. Dies verstoße gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo. Schiffe und Flugzeuge, die zum Transport von Militärausrüstung eingesetzt werden, seien ebenfalls legitime Ziele der libyschen Luftwaffe.

Misrata, die Industriehauptstadt Libyens, sollte nicht weiter in die Kämpfe verwickelt werden. Sie sei von der ‚Einheitsregierung‘ benutzt worden, als es um den Ausverkauf Libyens im Tausch für türkische Waffen ging. Die Bewohner Misratas sollten sich jeder Lagerung von Waffen oder Munition in der Nähe von Wohngegenden widersetzen und den Abtransport dieser gefährlichen Güter fordern.



https://wwww.dailynewssegypt.com/2019/12/14/libyas-diplomatic-mission-in-egypt-disowns-al-sarraj/

https://almarsad.co/en/2019/12/14/lias-open-letter-to-salame-withdraw-recognition-of-the-presidential-council-and-the-gna/

https://almarsad.co/en/2019/12/14/lna-warns-civilian-ships-and-cargo-aircraft-against-transporting-military-equipment/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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