Libyen im Dezember - Teil 1

Libyen. Was geschah… eine unvollständige Auflistung

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Ihre Freitag-Redaktion

Dezember 2015

01.12. Bewaffnete haben Nabil Aoun, ein Mitglied des Repräsentantenhauses der Regierung von Tobruk für die Region al-Azizia, mit Gewalt aus seinem Haus in Tripolis entführt und an einen unbekannten Ort verschleppt. Es wird vermutet, dass Aoun in Mitiga gefangen gehalten wird.
Das Nationale Komitee für Menschenrechte in Libyen (National Committee for Human Rights in Libya, NCHRL) verurteilt aufs Schärfste die Entführung von Nabil Aoun.

01.12. Das NCHRL in Libyen drückt seine große Besorgnis darüber aus, dass die vom Islamischen Staat in Libyen (ISIL) eingenommene Stadt Sirte zur Hauptstadt des IS in Libyen gemacht werden soll. Als Folge davon ist mit einer enormen Zunahme der Kriminalität sowie von Menschenrechtsverletzungen zu rechnen. Kriminellen Organisationen wie IS, Ansar al-Scharia und al-Kaida begehen in Libyen sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die libyschen Behörden und die internationale Gemeinschaft versagen dabei, Zivilisten vor Kriminalität und Gewalt der Terrororganisationen zu schützen. In Städten wie Bengasi, Ajdabija und Sirte sind die Bewohner Mord und Totschlag, Gewalt und Verschleppung, Repressionen und anderen organisierten Verbrechen ausgesetzt.

Wieder einmal ruft das NCHRL die internationale Gemeinschaft auf, die Doppelmoral bezüglich des Umgangs von Terrorismus und Extremismus aufzugeben, um dieser Geißel der Menschheit, die den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht, zu eliminieren. Die Gleichgültigkeit gegenüber kriminellen Abscheulichkeiten, begangen von al-Kaida und IS gegen Zivilisten in Libyen, muss ebenso beendet werden wie ein weiteres Übergreifen der Terrororganisationen auf libysche Städte.

Erinnert sei an die UN-Resolutionen 2214 und 2015, die den Schutz der libyschen Zivilbevölkerung zum Inhalt hatten. Um der Bedrohung durch den Terrorismus zu entgehen, ist eine Kombination von lokalen Bemühungen sowie ein nationaler Konsens nötig. Es herrscht eine soziale und politische Notwendigkeit, dem Anwachsen von Terrorismus, Extremismus und terroristischen Organisationen in Libyen entgegenzutreten.

01.12. Der Vorsitzende der Richterschaft, Omar al-Hijazi, ist in Baida knapp einem Anschlag entgangen, als unter seinem Auto eine Bombe explodierte.
Baida gilt als einer der sichersten Orte in Libyen.

03.12. Laut einem Bericht von Human Right Watch (HRW) sind in Libyen tausende Menschen länger als ein Jahr ohne Anklage eingekerkert. Diese weitverbreiteten und systematisch angewandten, willkürlichen Gefangennahmen seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/die-menschenrechtslage-in-libyen

05.12. In einem Überraschungscoup sind Abgesandte des House of Representatives (HoR) (Tobruk) und des General National Congress (GNC) (Tripolis) in Tunis übereingekommen, eine innerlibysch zustande gekommene Nationale Einheitsregierung (National Salvation Government NSG) zu bilden. Diese steht im Gegensatz zu jener Einheitsregierung, die die UN unter Leitung ihres damaligen Libyenbeauftragten Bernardino Léon und jetzigem Beauftragten Martin Kobler einsetzen will.
Laut der neuen Tunis-Grundsatzerklärung von Gesandten des HoR und des GNC, soll eine vom Ausland unabhängige, innerlibysche Einigung verhindern, dass die von der UN und internationalen Politikern vorgegebene Einheitsregierung um eine militärische Intervention des Auslands in Libyen bitten kann.
Das neue innerlibysche Abkommen sieht vor, dass fünf Vertreter beider Parlamente ein Komitee bilden, um einen neuen Ministerpräsidenten und zwei Stellvertreter zu benennen. Das Abkommen wurde bisher von keinem den beiden Parlamenten bestätigt.

06.12. Der UN-Beauftragte für Libyen, Martin Kobler, besteht auf dem von Bernardino Léon ausgehandelten Vorschlag zur Bildung einer Government of National Accord (GNA) Einheitsregierung. Alle Libyer werden aufgefordert, den UN-Vorschlag zu unterstützen, auch jene, die eigentlich gegen ihn sind.
Der UN-Plan soll in jedem Fall unter hochrangiger internationaler Beteiligung bei einer Sitzung in Rom Mitte des Monats angenommen werden. Vorgesehen ist die Bildung einer Einheitsregierung innerhalb von 40 Tagen. Im Anschluss daran wird erwartet, dass die neue GNA-Regierung wegen der Gefährdungslage durch ISIL ein Gesuch um militärische Intervention an das Ausland richtet.
Tatsächlich wird befürchtet, dass schon bei Abschluss des Vertrags ein neunköpfiger Rat sein Amt antreten könnte, der sofort um ein militärisches Eingreifen in Libyen bittet.
Von den neun Ratsmitgliedern sind sechs von der UN festgelegt, drei werden die Libyer selbst bestimmen.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-intervention-des-westens

06.12. Der englische „Guardian“ weist darauf hin, dass sich die europäischen Militärplaner auf eine Militärintervention in Libyen vorbereiten! Über der vom IS beherrschten Stadt Sirte setzen Amerikaner Spähdrohnen ein, die Luftschläge vorbereiten sollen. Schon in der vergangenen Woche waren auch französische Drohnen über der Stadt unterwegs. Die USA haben mit den Bombardements begonnen: Im Juni wurde Ajdabija, im November Derna bombardiert. Allerdings mit dem gleichen Erfolg, den Bombardements im Irak und in Syrien zeitigten: Der ISIL (Islamische Staat in Libyen) konnte sich ungehindert weiter ausbreiten.

Vertreter des „American Military’s African Command“ (Africom) mit Sitz in Stuttgart sind bereits auf libyschem Territorium unterwegs. Und sollte die Entscheidung für ein westliches militärisches Eingreifen in Libyen fallen, stehen dafür an Libyens Grenzen die benötigten Streitkräfte bereit. Die USA haben Bomber und Marine gestützte Hubschraubereinheiten in Spanien und Italien stationiert, von wo aus auch Drohneneinsätze gestartet werden. Seit kurzem stehen Tornados und Typhoons auf Zypern für Einsätze in Libyen bereit, es kreuzt der französische Flugzeugträger Charles de Gaulle vor der libyschen Küste, wo sich auch Dutzende europäische Kriegsschiffe tummeln, deren offizieller Auftrag sich gegen Menschenschmuggler richtet. Von zwei Militärbasen im Niger fliegen amerikanische Drohnen Aufklärungsflüge im Süden Libyens, um die Einsätze einer 3000-Mann starken französischen Fallschirmjägertruppe, genannt Operation Barkhane, zu leiten.

06.12. Die Nato sollte laut ihrem Oberbefehlshaber Jens Stoltenberg nicht mit dem Gedanken spielen, in Libyen militärisch einzugreifen, allerdings sagt er auch: „Wenn eine Einheitsregierung gebildet ist, sind wir bereit zu helfen.“
Eine Beteiligung an einem internationalen Einsatz zur Friedensherstellung schließt auch Italien nicht aus.

06.12. Frankreichs Präsident Hollande bestätigte, dass französische Jets Ende November die libysche Küste überflogen hätten. Weitere Flüge seien geplant. Kritiker sprachen von einer Verletzung der Souveränität des Landes und dass der Westen die Gefahr durch den IS dramatisiere.

06.12. Laut einem von der UNO veröffentlichten Bericht hat der IS in Libyen große Probleme, Unterstützung von der Bevölkerung zu erhalten und Gefolgschaft zu rekrutieren. Der IS, dessen gesamte libysche Führungsriege sich aus Ausländern zusammensetzt, wird in der Bevölkerung als Fremdkörper empfunden. Die UNO schätzt die Stärke des IS in Libyen auf etwa 2.500 Mann.
Laut der „New York Times“ sehe der IS Libyen als eine Kolonie an.
Der ISIS hat keinen Rückhalt in der libyschen Bevölkerung, deren Loyalität auf Stammeszugehörigkeit basiert. Die Mehrheit wollte nicht von Gaddafi „befreit“ werden, sondern hatte sich im Sozialstaat Libyen recht komfortabel eingerichtet. Und so dürfte ein strenger Kalifatenstaat für so gut wie alle Libyer eine Gruselvorstellung sein. Deshalb rekrutieren sich die Kämpfer und Unterstützer des IS in Libyen fast ausschließlich aus dem Ausland, die Dschihadisten kommen aus Ländern wie Tunesien, dem Sudan, Jemen oder auch aus Europa. Somit stellt sich in Libyen die Situation anders dar als im Irak oder in Syrien, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung durchaus mit dem IS sympathisieren.

06.12. Das Gerichtsverfahren gegen Saadi al-Gaddafi in Tripolis wurde auf den 7. Februar 2016 verschoben. Die heutige Sitzung dauerte nur wenige Minuten, in denen Saadis Anwalt um einen Aufschub bat, um die Verteidigung besser vorbereiten zu können.
Saadi erklärte gegenüber Human Rights Watch, dass er seit seiner Auslieferung aus dem Niger im März 2014 gefoltert und in Einzelhaft gehalten werde.
Auch drei weitere ehemalige libysche Staatsbeamte aus Gaddafi-Zeiten beschwerten sich über Gewaltanwendungen, Verweigerung von Treffen mit ihren Anwälten und Verweigerung von Zeugenladungen. Auch würden die Anwälte durch bewaffnete Gruppen bedroht.
Im August wurde ein Video veröffentlicht, das die Folterung von Saadi al-Gaddafi zeigt.

07.12. Für den 13. Dezember ist eine große internationale Libyen-Konferenz in Rom einberufen mit dem Ziel, die Zerrüttung des Landes und den Vormarsch der IS zu stoppen.
Vier Jahre nach dem verheerenden Nato-Krieg, der das reiche und prosperierende Libyen zerstörte und dschihadistischen Kämpfern den Weg bereitete, steht die westliche Allianz vor einem Scherbenhaufen, der sich so schnell nicht mehr kitten lässt.

07.12. Das Pentagon bestätigt, dass Abu Nabil, Anführer des IS in Libyen, bei einem Luftangriff in Libyen Mitte November getötet wurde.

08.12. Bei Kämpfen in Khoms wurden neun Menschen getötet. Durch die Beschädigung des Kraftwerks ist die Stromversorgung der Stadt unterbrochen.

08.12. Abdul Hakim Ahmed Hamza, Sprecher der Nationalen Kommission für Menschenrechte in Libyen, forderte den neuen UN-Beauftragten für Libyen, Martin Kobler, auf, keine Gruppen oder Parteien aus dem politischen Prozess auszuschließen.
Auch die laut Umfragen zu den stärksten politischen Kräften zählenden Anhänger der ehemaligen Dschamahirija (Volksdemokratie) wurden bisher nicht an dem Friedensprozess beteiligt. Mit Ausschluss dieser großen Volksgruppe kann es in Libyen keinen wirklichen Frieden geben und das wissen auch alle in den UN-Friedensprozess involvierten Parteien und Politiker.

09.12. Ägyptens Präsident al-Sisi fordert nach seinem Teffen mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras eine internationale Beteiligung an der Sicherung der ägyptischen Grenze zu Libyen, auch um den Waffenhandel zu unterbinden.

09.12. Der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi soll angeblich die Türkei, wo er sich wegen schwerer Verletzungen einer medizinischen Behandlung unterzogen hatte, in Richtung Libyen verlassen haben und sich in der Stadt Sirte aufhalten.
Dazu wird vermeldet: „Ein Informant hätte erklärt, niemand vermute ihn (al-Baghdadi) in Sirte.“ Ach so, darum geht diese Meldung durch alle Medien!

10.12. Die afghanischen Taliban bezeichnen den IS als ein Propagandaprojekt. Daher die Frage: Ist der IS wirklich in der Lage, gegen moderne Waffensystemen zu bestehen? Oder wird er auch zur Rechtfertigung von Militäreinsätzen vorgeschoben?
Bereits im letzten Jahr hatten sich diesbezüglich einige Abgeordnete in Israel geäußert: „Der IS sei leichte Beute für den israelischen Geheimdienst, die Luftwaffe und die Präzisionswaffen der Bodentruppen“ und Gefechten mit modernen Armee in keiner Weise gewachsen.

10.12. Die UNO hat die internationale Gemeinschaft um 165,5 Millionen Dollar für die notleidende Bevölkerung in Libyen gebeten. Das Geld werde für Trinkwasser, Kanalisation, Impfstoffe und Medikamente benötigt.
Man muss sich vorstellen: Der geforderte Betrag entspricht in etwa der Summe, den Libyen vor dem Nato-Krieg 2011 in zwei (!) Tagen an Öleinnahmen hatte! Außerdem war die libysche Bevölkerung durch das „Great-Man-Made-River-Projekt“ bestens mit Trinkwasser versorgt.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/das-great-man-made-river-projekt

11.12. Muammar al-Gaddafis Sohn Hannibal wurde heute im Libanon von Bewaffneten entführt, misshandelt und anschließend den libanesischen Sicherheitskräften übergeben.
https://www.youtube.com/watch?v=rlf_SifZpy8

In einem von der Gruppe Amal Movement veröffentlichten Video muss der durch Folterspuren gezeichnete Hannibal in einer Botschaft fordern, dass alle Beweise bezüglich des Falles Mussa Sadr unverzüglich veröffentlicht werden.
Mussa Sadr war Chef des Obersten Rates der Schiiten im Libanon und 1978 unter mysteriösen Umständen in Libyen verschwunden. Dafür wurde Muammar al-Gaddafi verantwortlich gemacht. Doch wer profitierte vom damaligen Verschwinden Iman Sadr? Gaddafi ganz sicher nicht.
Weiter erstaunt, dass nach fast vierzig Jahren und unter völlig veränderten politischen Umständen, das heißt in einer Zeit, in der die Hisbollah in Syrien gegen den IS kämpft, ein Rachefeldzug gegen einen Gaddafi-Sohn eröffnet wird, der zur Zeit des Verschwindens von Mussa Sadr gerade mal drei Jahre alt war. Ist es nur Zufall, dass in letzter Zeit ständig Drohungen gegen Söhne Gaddafis im Internet auftauchen? Zuerst die Ankündigung, die gegen Saif al-Islam verhängte Todesstrafe zu vollstrecken, dann ein Foltervideo von Saadi al-Islam im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses in Tripolis und nun das Video mit Hannibal al-Gaddafi. Sind dies offene Drohungen und Erpressungsversuche gegen Anhänger der Dschamahirija (Volksdemokratie)?


Hannibal Gaddafi ist mit einer Libanesin verheiratet und nach seiner Flucht aus Libyen 2011 zunächst nach Algerien, dann in den Libanon geflohen. Im Westen ist er durch die Schweizer „Libyen-Affäre“ bekannt geworden, die zu einer kurzzeitigen Verhaftung in Genf führte.

Die Libysche Nationale Kommission für Menschenrechte ruft dazu auf, Hannibal al-Gaddafi umgehend freizulassen, um ihn vor einer illegalen Auslieferung nach Libyen zu schützen.

12.12. Ahmed Abdel-Hakim Hamza, Sprecher der Nationalen Libyschen Kommission für Menschenrechte (NCHR) wurde von Bewaffneten in Tripolis entführt. Bei den Bewaffneten soll es sich um die Miliz „Alboorky“ handeln. Hamza soll am Leben sein und in der Gegend Abu-Salem in Tripolis festgehalten werden. Die NCHR bittet um lokale und internationale Unterstützung bei den Bemühungen um die Freilassung von Hamza.
Bereits im Februar wurden in Tripolis zwei ehemalige Mitarbeiter der NCHR Opfer von Entführungen.

12.12. Bewaffnete verübten einen Anschlag auf die Zawia Universität in Tripolis, wobei ein Großteil des Verwaltungsbaus abbrannte.
Bereits im Frühjahr wurde das Universitätsgebäude von Raketen getroffen.

13.12. Die Dschamahirija meldet sich in einer Stellungnahme zu den römischen Verhandlungen zu Wort, in der sie in vollem Umfang die Bemühungen des UN-Beauftragten Martin Kobler unterstützt, die UN-Mission in Libyen würdigt und betont, dass sie auf Seiten all jener Libyer stünde, die die schnelle Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit, beruhend auf dem Abkommen von Skhirat (Marokko), wollen. Allerdings betont sie auch, dass die strikte Einhaltung der Souveränität, der territorialen Integrität und der soziale Zusammenhalt Libyens gewährleistet bleiben müssen und jede ausländische Einmischung abgelehnt wird. Im Kampf gegen ISIL (IS in Libyen) soll mit der Regierung der Nationalen Einheit zusammengearbeitet werden. Geschützt werden sollen die libyschen nationalen Wirtschaftsinstitutionen wie die Libysche Zentralbank, die Nationale Ölgesellschaft und die Libysche Investmentbehörde.
Alle Parteien in Libyen werden dazu aufgerufen, in allen Landesteilen unverzüglich den Waffenstillstand zu befolgen.

13.12. Heute begann in Rom unter Beteiligung von 17 Ländern und dem UN-Beauftragten für Libyen sowie Vertretern der beiden libyschen Parlamente und anderer Gruppen eine Konferenz zur Bildung einer Einheitsregierung.
Am kommenden Mittwoch soll in Marokko der UN-Plan zur Bildung einer Einheitsregierung beschlossen werden.
US-Außenminister Kerry warnt: „Wir können ein Fortdauern des gegenwärtigen Status Quo in Libyen nicht zulassen“.
Die am 5. Dezember innerlibysch ausgehandelte Einigung wurde dabei ignoriert.
Etwas verwirrend ist das schon: Eine UN-ausgehandelte Einheitsregierung, der Teile von HoR (Tobruk) und GNC (Tripolis) zustimmen, eine innerlibysch ausgehandelte Einheitsregierung, der Teile von HoR und GNC zustimmen, beachtliche Mehrheiten von HoR und GNC, die keiner der beiden Einheitsregierungen zustimmen und daneben etliche Stämme, politischen Parteien und Milizen, die an dem Friedensprozess nicht teilnahmen oder ausgeschlossen waren.
Dazu Auszüge aus einem Interview mit dem Politikwissenschaftler Wolfram Lacher am 14.12. im Deutschlandfunk: „Es besteht die Gefahr, dass hier auf internationalen Druck hin in aller Eile ein Abkommen geschlossen wird, das nicht umgesetzt werden wird, und eine Regierung gebildet wird, die weitgehend machtlos sein wird. […] (Die Vertreter am Verhandlungstisch) haben oftmals sehr wenig Einfluss auf die tatsächlichen Akteure, auf die bewaffneten Gruppen.“ Da es in den Parlamenten keine Mehrheiten für das Abkommen gibt, heißt das, dass „die Regierung voraussichtlich gar keine Legislative hat, auf die sie sich stützen könnte… der Großteil des Machtteilungsabkommens könnte somit gar nicht umgesetzt werden.“ Diese „Einigung dem Augenschein nach [vergrößert] die Gefahr, dass diese Strategie nicht nur scheitert, sondern die Lage in Libyen noch verschlimmert. […] Lacher zieht das Fazit, dass man den Verhandlungen mehr Zeit geben und auch die bewaffneten Gruppen hätte miteinbeziehen müssen.
http://www.deutschlandfunk.de/libyen-konferenz-grosse-gefahr-dass-die-lage-sich.694.de.html?dram:article_id=339720

Es geht wohl nicht nur darum, Libyen zu befrieden, sondern auch darum, die Chance zu nutzen, der sich durch den Schockzustand bietet, in den die Weltöffentlichkeit nach den Attentaten von Paris gefallen ist. Unter dem Vorwand, den IS in Libyen bekämpfen zu müssen, kann endlich in dem Land interveniert werden. Und das, obwohl man weiß, man wird den IS nicht mit Bomben besiegen, sondern ihn dadurch eher stärken. Warum werden nicht auch in Libyen die Geld-, Waffen- und Kämpferströme unterbunden, die seit Jahren vor allem aus Katar und der Türkei in das Land strömen und die Dschihadisten aller Couleurs stärken? Die europäischen Staaten können die Türkei nicht zur Unterlassung zwingen, weil die Türkei sonst Europa nicht die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern vom Leib hält.
Und geht es statt um den Kampf gegen den IS nicht vor allem darum, für Europa die libyschen Ölfelder zu sichern, die plötzlich vom IS bedroht werden? Italien ist stark von sicheren Erdöllieferungen aus Libyen abhängig, es hängt am libyschen Tropf. Dieser ganze verfluchte Nato-Krieg gegen Libyen war und ist ein einziges Desaster, unter dem inzwischen nicht nur die Libyer, sondern ganz Europa zu leiden hat.

15.12. Ein Arzt aus Malta, der in einem Krankenhaus in Tripolis arbeitete, wurde heute von Bewaffneten entführt.

16.12. Hannibal Gaddafi wurde nach Beirut gebracht. Die libanesische Regierung hat bisher weder eine Begründung für seine fortdauernde Festnahme gegeben, noch sich für die Entführung und Misshandlungen entschuldigt.
Menschenrechtsorganisationen werden dazu aufgerufen, sich für die sofortige Freilassung von Hannibal al-Gaddafi einzusetzen, um seine rechtswidrige Auslieferung nach Libyen zu verhindern!

16.12. Das arabisch-strategische Forum hat errechnet, dass sich die durch den arabischen Frühling entstandenen wirtschaftlichen Schäden auf rund 834 Milliarden Dollar belaufen.
Der Arabische Frühling hätte unter anderem zur Zerstörung von Infrastrukturprojekten geführt, in deren Aufbau die Völker jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang investiert hätten. In den betroffenen Gebieten wurden 1,34 Millionen Einwohner bei Gewalttaten, Kampfhandlungen und Terroranschlägen getötet oder verletzt. Etwa 14,4 Millionen Menschen seien seitdem auf der Flucht.

16.12. In Tripolis kam es zu bewaffneten Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen. Das Fadschr-Bündnis, das hinter der Tripolis-Regierung stand, ist auseinandergebrochen und die Fraktionen der pro und contra Einheitsregierung bekämpfen sich. Ohne auch diese Gruppen in einen Waffenstillstand einzubeziehen, ist das Friedensabkommen kaum durchzusetzen.

16.12. Heute kamen der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Martin Kobler, und der Oberkommandierende der libyschen Streitkräfte, General Khalifa Hefter zu einem halbstündigen Treffen zusammen. Anschließend stellten sich die beiden bei einer Pressekonferenz den Fragen der Journalisten. Kobler betonte, die Rolle des libyschen Militärs und der Polizei müsse im Kampf gegen die Milizen gestärkt werden. Auf die Frage, wann endlich das 2011 verhängte Waffenembargo gegen Libyen aufgehoben wird, entgegnete Kobler, diese Frage könne nur die neue Einheitsregierung – und ausschließlich die neue Einheitsregierung – an die Vereinten Nationen stellen. Natürlich würde eine Einheitsarmee auch Waffen zum Kampf gegen den IS benötigen.
Hefter forderte, die Armee müsse im ganzen Land für Sicherheit sorgen, die Milizen integriert oder entwaffnet, das Waffenembargo dringend aufgehoben werden. Auf die Frage, auf welche Weise Russland die libysche Nationalarmee unterstütze, lobte der General Russland für seine ernsthafte Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus. Diese Hilfe sei von allen Ländern willkommen.

17.12. Im marokkanischen Skhirat wird das unter Vermittlung der Vereinten Nationen vereinbarte Abkommen zu einem politischen Dialog verabschiedet. Nun soll ein Präsidialrat gebildet werden, der aus dem zukünftigen Regierungschef Fajis al-Sarraj und seinen Stellvertretern besteht. Innerhalb eines Monats soll die Bildung eines Kabinetts folgen. In den nächsten zwei Jahren sollen eine neue Verfassung ausgearbeitet und eine Volkskammer gewählt werden. Die neue Regierung der Nationalen Einheit soll ihren Sitz in Tripolis haben. Ein Sicherheitskomitee für die Hauptstadt wird eingesetzt.
Fajis al-Sarraj ist mit keiner der Hauptparteien verbunden, er gilt als neutral. Der Architekt arbeitete bis Beginn des Nato-Krieges für das Wohnungsbauministerium.
Das Abkommen ist umstritten, einige wichtige Akteure in Libyen erkennen das Friedensabkommen nicht an. So sind sich die Präsidenten des Tobruk-Parlaments, Aguila Saleh, und sein Kontrahent, Nuri Abu Sahmain nur in einem wirklich einig: das Friedensabkommen als Einmischung ausländischer Kräfte in innerlibysche Angelegenheiten abzulehnen. Der Sprecher des Tripolis-Parlaments geht davon aus, dass jene, die das Abkommen unterschrieben, nicht im Namen des Tripolis-Parlaments handelten, sondern Marionetten der internationalen Gemeinschaft seien.
Die Dschamahirija unterstützt das Abkommen und ruft zur Einhaltung der Waffenruhe auf, verbittet sich allerdings jegliche Einmischung von außen in die Souveränität Libyens.

17.12. Großbritannien geht davon aus, dass die neue libysche Einheitsregierung um Truppen bitten wird, die dabei helfen sollen, Libyen zu stabilisieren und das Vorrücken des IS zu stoppen. In einer Fernsehsendung teilte der britische Verteidigungsminister Michael Fallon mit, Großbritannien könne 1.000 Militärs einer nicht-kämpfenden Einheit entsenden. Wie aus der Regierung Großbritanniens verlautet, erwartet man, dass die neue libysche Verwaltung um britische Militärunterstützung bitten werde. Zunächst soll eine kleine Einheit von etwa einem halben Dutzend Kräften entsandt werden, zusammen mit etwa gleich vielen italienischen Kräften.

17.12. Schon letzten Montag, also am 14. 12., sind zwanzig bewaffnete und mit kugelsicheren Schutzwesten bekleidete Amerikaner in einer militärischen Geheimmission auf dem nahe Sabratha gelegenen, libyschen Militärstützpunkt al-Wattija gelandet. Belegt wird dies durch Fotos, die die kampfbereite US-Einheit beim Verlassen eines blau-weiß gestreiften Passagierflugzeuges mit VAE-Kennung (Vereinigte Arabische Emirate) zeigt.

Allerdings musste die Spezialeinheit den Stützpunkt auf Weisung des örtlichen Kommandanten bald wieder verlassen, da für den Aufenthalt keine Genehmigung bestand.Es war unklar, ob jemand innerhalb des libyschen Militärs die Erlaubnis für die Intervention der US-Militärs gegeben hatte. Das Pentagon schwieg offiziell zu dem Vorfall, allerdings wurde bekannt, es hätte sich bei der Spezialeinheit um den Teil einer Mission gehandelt.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/wie-die-usa-zu-frueh-intervenieren-wollten


Allen meinen Lesern und Leserinnen schöne Festtage und ein friedliches 2016!
https://www.youtube.com/watch?v=S84RLgnz7Rs

Quellen: derstandard.at – theguardian.com – heute.de – sueddeutsche.de – de.sputniknews.com – Der Spiegel – spiegel.de – german.irib.ir – libyaherald.com – jamahiriyanewsagency.worldpress.com – heise.de – ibtimes.com – vivalibya.wordpress.com – tagesschau.de – wallstreetjournal.com – handelsblatt.com – welt-im-blick – libyaobserver.ly – gegenfrage.com – zenithonline.de – deutschlandfunk – und andere

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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