Libyen im September - Monatsrückblick

Libyen. Was geschah… eine unvollständige Auflistung

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September 2016

01.09. Dan Glazebrook analysierte vor kurzem in RussiaToday, welche Bedeutung Seif al-Islam Gaddafi und seine Freilassung für Libyen und die sozialistische Dschamahirija-Bewegung haben. Seif al-Islam stelle eine Hoffnung für das libysche Volk auf Frieden, Wiederherstellung der Unabhängigkeit und des Wohlstands dar. Glazebrook schreibt, dass es im Juli 2015 nach der Verkündigung des Todesurteils, das von einem islamistischen Gericht in Tripolis gegen Seif al-Islam verhängt worden war, zu den größten öffentlichen Kundgebungen für die ehemalige Dschamahirija-Regierung gekommen sei: „Durch die Proteste wurde ein offenes Geheimnis öffentlich gemacht. Die Pro-Gaddafi-Bewegung, die bereits seit der Revolution 2011 existiert, wurde stärker. Sie bezieht ihre Kraft aus der Unzufriedenheit vieler Bürger über die Lebensumstände der vergangenen Jahre.“
Die Grüne Bewegung hätte auch innerhalb der Libyschen Nationalarmee an Bedeutung gewonnen, die im Osten einen Zusammenschluss mit den Pro-Gaddafi-Stämmen eingegangen sei[1] und ehemalige Gaddafi-Militärs in ihre Reihen aufgenommen habe.

02.09. Abdul Rassak al-Nadhuri, Generalmajor der Libyschen Nationalarmee, hat ein fünf Mann starkes Komitee ernannt, das Libyan Airways übernehmen soll. Damit unterliege eine weitere libysche Institution der Kontrolle der LNA.

02.09. Terroristen, die ein Selbstmordattentat auf den Labrak-Flughafen bei Baida geplant hatten, sprengten sich bei der Vorbereitung des Anschlags selbst in die Luft.

03.09. JamahiriyaNewsAgency: Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Verhandlungen mit den Kräften der Moslembruderschaft sei deren Verweigerung von Frauenrechten. Die Moslembrüder planten, die in über 40 Jahren aufgebauten Errungenschaften für Frauen komplett abzuschaffen.

03.09. Eine Studie des United States Institute for Peace (USIP) betont die wichtige Rolle, die die Stämme Libyens für die Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität, der Sicherheit und des Rechts spielen. Diese Stammesstrukturen hätten sich über die Jahrhunderte entwickelt und auch in der Gaddafi-Zeit Bestand gehabt. Alle Reformbestrebungen müssten die Sachkenntnis und Erfahrung der Stämme in Sachen Friedensstiftung und Verhandlungsführung miteinbeziehen.
Plötzlich entdeckt der Westen die libyschen Stämme!

04.09. JamanhiriyaNewsAgency: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) erklärt die Anklage gegen Seif al-Islam Gaddafi für unzulässig. Khaled al Zaidi, ein Verteidiger von Seif al-Islam Gaddafi, sprach bereits im Juni dem ICC die Zuständigkeit ab, da Seif al-Islam Gaddafi bereits vor einem libyschen Gericht verurteilt worden war. Nach den Römischen Statuten darf eine Person nicht zweimal wegen der gleichen Sache belangt werden. Außerdem sei Seif al-Gaddafi unter das generelle Amnestiegesetzt von 2014 gefallen, erlassen von der legitimen damaligen libyschen Regierung.

04.09. Bei den Kämpfen gegen den IS in Sirte wurden zehn Angehörige der Bunjan Marsus Brigade (die meisten stammen von Milizen aus Mirsrata) getötet und eine große Anzahl verletzt. Die Todesumstände der Kämpfer, deren Leichen in einer leerstehenden Schule gefunden wurden, sind unklar.

04.09. Das US-amerikanische Institute of Peace (USIP) veröffentlichte einen Bericht über die Zustände in libyschen Gefängnissen.[2] Sie untersuchten 20 Gefängnisse in allen Landesteilen und bestätigten, dass Gefängnisse nicht nur unter der Kontrolle von staatlichen Autoritäten, sondern auch von bewaffneten politischen Gruppierungen stünden. Auch die staatlich geführten Institutionen verließen sich bei Sicherheitsfragen häufig auf bewaffnete Milizen. Die Gefängnisse litten unter Geldmangel, Überbelegung und Sicherheitsproblemen. Die Gebäude seien baufällig, das schlecht ausgebildete Personal würde nur unregelmäßig bezahlt und die Befehlshierarchien seien unklar.
Die meisten Gefangenen würden ohne Gerichtsverhandlung festgehalten. Die Wärter sähen die Gefangenen nicht als Gefangene, sondern als Feinde. Viele der Gefangenen seien aus politischen Gründen festgesetzt. Besonders ältere Gefangene, vorwiegend aus der Gaddafi-Zeit, Jugendliche, Frauen und Ausländer litten unter den schlechten Haftbedingungen.
Die Gefängnisdirektoren wurden aufgefordert, mehr Sorgfaltspflicht gegenüber den Gefangenen walten zu lassen.

04.09. Das FBI veröffentlichte einen Bericht zu den E-Mails von Hillary Clinton, aus dem hervorgeht, dass ein Mitarbeiter von Clinton ihre Mobiltelefone und Tablets mit dem Hammer zerstörte. Ein Laptop mit allen dort gespeicherten E-Mails ging angeblich beim Versand mit der Post verloren. Später ließ Clinton noch 30.000 E-Mails löschen. Mindestens 30 dieser Mails hatten mit dem später ermordeten Botschafter Stevens in Libyen und mit der Bengasi-Affaire zu tun.
Clinton gab auch an, dass sie den Vermerk „C“ auf Schriftstücken fälschlich nicht als „confidential“ (vertraulich), sondern als alphabetische Reihenfolge interpretiert hätte.
Bisher weiß niemand, in wessen Händen sich Speichermedien von Clinton befinden und welche Mails noch der Veröffentlichung harren.

04.09. Der Präsidialrat beriet erneut über eine gekürzte Ministerliste zur Vorlage beim Tobruk-Parlament. Omar al-Aswad, der bisher das Gremium boykottierte, nahm erstmals daran teil. Ali-Gatrani verweigerte weiterhin die Teilnahme.

05.09. Generalmajor Abdul Rassak al-Nadhuri, Generalstabschef der Libyschen Nationalarmee nahm in Jordanien an einer Abschlussfeier für Spezialeinsatzkräfte teil, die in Jordanien eine Schulung durchlaufen hatten. In der libyschen Delegation befand sich auch ein weiblicher Offizier.
[Wer stellt in Jordanien die Ausbilder? Geschieht die Ausbildung von Soldaten der LNA mit Einverständnis der USA?]

05.09. „Hate Speech International“ veröffentlicht einen Bericht zum Thema „Wer finanziert den IS in Libyen“[3]? Darin heißt es, der IS in Libyen hätte zunächst Gelder vom IS in Syrien und im Irak bekommen. Zusätzlich seien bei einem Überfall auf einen Geldtransporter der libyschen Zentralbank 55 Mio. US-$ erbeutet worden. Außerdem hätten IS-Milizen, die gegen Gaddafi gekämpft hatten, Gehälter vom libyschen Staat bezogen, ebenso wie vom General National Congress (GNC) große Mengen an Waffen und Munition sowie Fahrzeuge und Ausrüstung erhalten.
Die IS-Führung hätte darauf spekuliert, Ölfelder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dies sei ihr aber ebenso wenig gelungen wie Erdöl über dem Landweg in die Türkei zu schmuggeln. Der IS sei in Libyen auch nicht in andere Schmuggelaktivitäten verstrickt gewesen. [Dies ist insofern glaubhaft, als sich der IS in Libyen fast ausschließlich aus ausländischen Kämpfern zusammensetzte, die von der Bevölkerung nicht unterstützt wurden.] Als in Libyen der Widerstand gegen den IS wuchs und die IS-Organisationen in Syrien und im Irak in eigenen Geldschwierigkeiten steckten, schwand die finanzielle Basis des IS in Libyen dahin. Auch in Sirte war nach der Flucht der meisten Einwohner kein Geld mehr zu holen.
2016 sei der IS daher auch durch das Vorrücken der Libyschen Nationalarmee und der ‚Patroleum Facilities Guards‘ (PFG) an seine territorialen Grenzen gestoßen. [Allerdings wird der Kommandant der PFG, Ibrahim Dschedhren, beschuldigt, dass er seinerseits nichts dazu getan hätte, um das Vorrücken des IS entlang der Küste zu stoppen.]
Der Bericht zieht das Fazit, dass der IS in Sirte bald besiegt sei, nun aber befürchtet werden müsse, dass seine Kommandanten sich in die libysche Wüste absetzen und dort einen Einfluss auf Stammes- oder ethnische Konflikte ausüben könnten.
Der Report verliert bezeichnender Weise kein Wort darüber, welche Unterstützung die Türkei, Saudi Arabien und Katar dem IS in Libyen zukommen ließen und dass die politischen Kräfte in Misrata seinem Treiben in ihrer nächster Nachbarschaft mit einem gewissen Wohlwollen zuschauten und gar nicht an ein Eingreifen dachten. Für ihre lange Untätigkeit zahlen die misratischen Milizen heute einen hohen Blutzoll im Kampf gegen den IS in Sirte. Erst mit den Niederlagen der dschihadistischen Kräfte in Syrien, vor allem durch das Eingreifen Russlands, und der veränderten Rolle der Türkei hat sich für den IS auch in Libyen das Blatt gewendet. Seit Anfang August bombardieren die USA in Sirte einen bereits am Boden liegenden IS, zum einen, um sich den Sieg über den IS in Libyen auch ans Revers heften zu können, zum anderen, um ihre militärische Präsenz in Libyen zu rechtfertigen.

05.09. JamahiriyaNewsAgency: Der Hohe Rat der Stämme und Städte lehnt den kürzlich in Tunis abgehaltenen Versöhnungsdialog unter der Moderation von Martin Kobler ab. Grundsätzlich seien sie für einen ernsthaft geführten Dialog, der alle Libyer vereint, allerdings müsse dieser Dialog unter nationaler und internationaler Supervision unter Einbeziehung der Afrikanischen Union in Libyen stattfinden. Dem Hohen Rat seien die Teilnehmer der Dialoge, die in der Schweiz, in Marokko, Algerien, Deutschland, Österreich, Italien und Tunesien stattgefunden hätten, unbekannt.
Bei den Tunis-Treffen sei es nicht gelungen, die wirklichen Gründe für die Spaltung des Landes aufzuzeigen oder die verschiedenen Akteure zu benennen, die sich um Geld und Macht balgen, während ein Teil des libyschen Volkes heimatlos und vertrieben ist. Die meisten der sozialen Anliegen der libyschen Stämme sowie die ehemaligen Unterstützer von Oberst Gaddafi seien immer noch marginalisiert und von jedem Dialog ausgeschlossen. So könne es zu keiner ernsthaften Aussöhnung kommen. Es gehe auch nicht an, dass sich die Vereinten Nationen gegen die reguläre libysche Armee stellen und ihr die Waffen vorenthalten, mit denen sie für Sicherheit im Land sorgen könnte.
Bei dieser Art von Versöhnungsdialog würden Bedingungen gestellt. Dies stelle eine äußere Einmischung dar und missachte die libysche Souveränität und den Willen des Volkes.
Nur ein friedlicher Konsens zwischen den Libyern könne zur Überwindung der ausländischen Einflussnahme und der vom Ausland verschuldeten Krise führen.

06.09. Aus in Sirte gefundenen Dokumenten geht hervor, dass für den IS vor allem Ausländer kämpfen. Das ergab sich aus Zahlungsbelegen, die für Ägypter, Sudanesen, Senegalesen und Tunesier ausgestellt waren.
Der Großteil dieser Kämpfer dürfte sich aus jungen Männern rekrutiert haben, die dem sozialen Elend ihrer Herkunftsländer zu entrinnen hofften. Sie wurden gnadenlos im Namen einer dschihadistischen Ideologie, die fremden Mächten diente, verheizt. Was wird aus ihnen werden? Wohin werden sie sich wenden? Auch sie zählen, aller Zukunftsperspektiven beraubt, zu den Opfern des im Nahen Ostens entfesselten Kriegs um die Kontrolle über Ressourcen.

06.09. Agila Saleh, President des Tobruk-Parlaments, und Abdullah Theinni, Premierminister der Tobruk-Regierung[4], trafen heute zu politischen Gesprächen mit dem nigrischen Präsidenten Mahamadu Issufu im Niger ein. Niger ist innerhalb der Afrikanischen Union Mitglied der Kontaktgruppe für Libyen und erkennt sowohl das Tobruk-Parlament als auch die Tobruk-Regierung als rechtmäßige Machthaber in Libyen an.

06.09. Khalifa Hefter, Oberkommandierender der libyschen Nationalarmee, sagte in einem Interview mit dem russischen Sputnik, dass die UN-Sonderbeauftragten für Libyen in den vergangenen vier Jahren rein gar nichts erreicht hätten und die Verantwortung für die gegenwärtige politische Sackgasse trügen. Da die ‚Einheitsregierung‘ keine Anerkennung durch das Parlament in Tobruk gefunden hat, hätte sie kein Recht, US-Luftschläge gegen den IS in Sirte anzufordern. Dies verstoße gegen die libysche Souveränität. Russland bestehe darauf, dass für US-Angriffe die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats nötig sei. In Bezug auf die Befreiung Sirtes vom IS meinte Hefter, er sei bereitgestanden, um militärisch gegen den IS in Sirte vorzugehen, aber Misrata hätte ihn nicht in die Aktionen einbezogen. Die Kämpfe in Bengasi gegen Dschihadisten wären überdies bedeutend schwieriger gewesen als es jetzt die Kämpfe in Sirte sind.
Unterstützung bekäme die libysche Armee hauptsächlich von Ägypten und dem Tschad. Seine Truppen erhielten auch von anderen ausländischen Experten militärische Ausbildung und logistische Hilfen.
Bekannt ist, dass die Franzosen von dem kleinen Luftwaffenstützpunkt Benina bei Bengasi aus operieren, auch aus Großbritannien scheinen Beobachter vor Ort zu sein und im Juli gab es Berichte, dass auch russisches Militär in Bengasi eingetroffen ist.

06.09. Das US-amerikanische Afrikakommando AFRICOM gibt bekannt, bis Ende August 108 Einsätze gegen den IS in Libyen geflogen zu sein.

07.09. Zintan beklagt sich, dass ein Abkommen über den Austausch von Gefangenen von Misrata nicht eingehalten wurde. Während Zintan einen Gefangenen frei ließ, seien in Misrata nach einer vorläufigen Freilassung von elf Jugendlichen diese später wieder festgesetzt und in ein Gefängnis an einem unbekannten Ort gebracht worden.

07.09. Die tunesische Regierung ist besorgt, dass IS-Kämpfer tunesischer Nationalität nach dem Fall von Sirte in ihr Heimatland zurückkehren könnten. Man geht von etwa tausend tunesischen IS-Kämpfern aus, von denen etliche auch einen französischen Pass haben.
Die tunesische Gewerkschaft warnt auch vor anhaltenden Anti-Regierungsdemonstrationen in der Grenzstadt Ben Guerdane.

08.09. In Bengasi kommen bei einem Selbstmordanschlag 13 Angehörige einer Spezialeinsatzgruppe der Libyschen Nationalarmee ums Leben. Weitere Soldaten wurden verletzt.

09.09. JamahiriyaNewsAgency: Bei dem erneuten zweitägigen Versöhnungsdialog in Tunis zwischen den beiden Parteien – Tobruk-Regierung und ‚Einheitsregierung‘ – unter der Moderation von Martin Kobler konnte keine Einigung erzielt werden. Umstritten war vor allem der in den fünften Entwurf eingefügte Artikel 8 des Vertrags, der vorsieht, dass die Direktoren der Zentralbank, der Nationalen Ölgesellschaft und der Libyschen Investmentbehörde vom Präsidialrat ernannt werden sollen, anstatt wie bisher vom libyschen Parlament. Ebenfalls wurde die als zu gering erachtete Kyrenaika-Vertretung kritisiert und das Fehlen weiblicher Mitglieder sowohl im Präsidialrat als auch in Ministerien und bei Institutionen.
Obwohl das Treffen keinerlei Ergebnis brachte, twitterte Kobler, das Treffen sei ‚sehr konstruktiv‘ verlaufen.

09.09. In Tripolis kam es erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen den islamistischen ‚Revolutionären Brigaden von Tripolis‘ und Milizen aus Misrata. Auf die Anwesenheit von Misrata-Milizen in Tripolis reagieren die Tripolis-Brigaden immer härter. Die Misrata-Milizen sind zum Schutz des Präsidialrats in der Stadt stationiert.

10.09. Wegen mangelnder Schulbücher und nicht bezugsfertiger Schulen werden die Schulferien in Libyen um 22 Tage verlängert.

10.09. Zum heiligen Eid-al-Adha-Fest hat ganz Libyen mit den üblichen Schwierigkeiten zu kämpfen: lange Schlangen vor den Bankschaltern, um einen kleinen Betrag zu ergattern, Kürzungen bei Unterstützungen und Dienstleistungen, hohe Inflation und hohe Preise, himmelschreiende Wechselkurse am Schwarzmarkt.

10.09. Laut Transparency International zählt Libyen inzwischen zu den zehn korruptesten Ländern der Welt.

11.09. Zwei gestern von der libyschen Küstenwache festgesetzte Deutsche, die mit ihrem Schnellboot in libyschen Hoheitsgewässern unterwegs gewesen waren, wurden wieder freigelassen.

12.09. Der Sprecher der Libyschen Nationarmee gibt bekannt, dass es der LNA unter dem Kommando von Khalifa Hefter gelungen sei, die Erdölanlagen und -terminals von Sidra, Ras Lanuf, Brega und Zuweitina unter ihre Kontrolle zu bringen. Die ‚Petroleum Facilities Guards‘ (PFG) hätten die Anlagen kampflos geräumt. Eine darauf folgende, absurde Stellungnahme der Westmächte zog die Wut der libyschen Bevölkerung auf sich. Es kam im ganzen Land zu Protesten. Die National Oil Corperation (NOC) teilte mit, sie werde unverzüglich die Ölexporte wieder aufnehmen.
Siehe auch: www.freitag.de/autoren/gela/libysche-nationalarmee-uebernimmt-erdoelanlagen
und
www.freitag.de/autoren/gela/ibrahim-dschedhren-und-seine-pfg

12.09. Unter dem Vorwand einer humanitären Mission will Italien einen Militäreinsatz in Libyen starten. Auf Wunsch des Präsidialrates will das Kabinett des italienischen Premiers Matteo Renzi ein Militärlazarett nahe dem Flughafen von Misrata errichten lassen. Zum Schutz des Feldlazaretts, für das nur 50 Betten geplant sind, sollen 200 Fallschirmjäger stationiert werden. Weitere 135 italienische Soldaten sollen zur logistischen Unterstützung des Krankenhauses eingesetzt werden. Für eine eventuelle Notevakuierung werden ein Militärflugzeug und ein Schiff im Hafen von Misrata zur Verfügung stehen.
Bisher werden schwerverletzte Kämpfer aus Misrata regelmäßig nach Italien, Tunesien, Marokko und Algerien zur Behandlung ausgeflogen.
Da der Kampf mit dem IS in Sirte in der letzten Phase und bereits gewonnen ist, wird offensichtlich, dass es sich bei dem Feldlazarett nur um einen fadenscheinigen Vorwand handelt, endlich ein größeres Kontingent an Soldaten auf libyschen Boden zu bekommen. In Zinten und Tobruk kam es bereits zu Protestkundgebungen gegen das Vorhaben der Italiener.
Vorsicht, Signor Renzi, die nächsten Wahlen in Italien kommen bestimmt!

13.09. Martin Kobler, UN-Sonderbeauftragter für Libyen, hatte seinen Auftritt vor der UN in New York. Er will General Hefter eine Rolle bei einer vereinigten libyschen Armee zugestehen. Bezüglich des IS meinte er, der IS würde schon sehr bald aus Libyen vertrieben sein. Er informierte den UN-Sicherheitsrat auch über den Fortgang der ‚Aussöhnungsgespräche‘ in Tunis und darüber, dass die Ölproduktion auf ihren allzeit niedrigsten Stand gesunken sei.

14.09. Der Auswärtige Ausschuss des britischen Parlaments veröffentlicht einen Bericht über die Fehler und Versäumnisse Camerons bei Beginn des Libyen-Krieges.
Siehe auch: www.freitag.de/autoren/gela/bericht-ueber-die-libyen-intervention-von-2011
und
www.freitag.de/autoren/gela/die-verantwortlichen-fuer-den-libyen-krieg

15.09. Der Vorsitzende der National Oil Corporation (NOC), Mustafa Senella, erklärte den Ausnahmezustand für die drei Ölterminals Ras Lanuf, Sidra und Zueitina für beendet. Für Sidra und Ras Lanuf hatte der Ausnahmezustand seit Dezember 2014 bestanden, damals sind bei beiden Ölverladehäfen vom islamistischen Libya Fadschr (Morgenröte) großräumige Zerstörungen angerichtet worden, weitere Beschädigungen verursachte im Januar 2016 der IS. Für Zueitina galt der Ausnahmezustand seit November 2013. Über Brega war er nie verhängt worden.
Die Aufhebung des Ausnahmezustands wurde einvernehmlich vom Tobruk-Parlament und dem Präsidialrat in Tripolis gebilligt. Senella dankte beiden für die „weise Entscheidung“, die sich damit „an einem kritischen Punkt für die libysche Einheit und für Versöhnung ausgesprochen hätten“[5].
Ein griechischer Tanker wartet bereits vor Ras Lanuf auf die erste Ladung Erdöl.
Für die USA wird es bitter, wenn libysches Erdöl wieder nach Europa und somit auf den übersättigten Erdölmarkt kommt. Die Preise für Rohöl wird das weiter drücken. Droht der nächste Blasen-Crash?

15.09. In Bengasi wurden sechs Soldaten durch eine Mine getötet. Minen und Scharfschützen erschweren der Libyschen Nationalarmee das Vordringen in die letzten Widerstandsnester der dschihadistischen Milizen.

16.09. Bei einer Kundgebung in Bengasi gegen die UN, die USA, Europa, Faies Sarradsch, Ibrahim Dschedhren sowie gegen die ‚Einheitsregierung‘ und Martin Kobler explodierte ein Sprengkörper. Auch nach der Explosion weigerten sich die Demonstranten, den Platz zu verlassen. Um ihre Solidarität mit den Teilnehmern auszudrücken, gesellten sich Innenminister Mohammed al-Madani al-Fakhri (Tobruk-Regierung) und der Polizeichef von Bengasi zu der Kundgebung.
Demonstrationen fanden auch in Madsch, Baida, Tobruk, Zintan, Radschban, Sebha, Tobruk und sogar in Tripolis statt.

16.09. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri versicherte die volle Unterstützung seines Landes für die Übernahme der Ölterminals durch die Libysche Nationalarmee.

16.09. Laut Radio Kamerun soll der Sohn Muammar Gaddafis, Oberst Khamis Gaddafi, noch am Leben sein und mit anderen ehemaligen libyschen Offizieren an Kämpfen im Süden Libyens teilgenommen haben.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/ist-khamis-al-gaddafi-noch-am-leben

17.09. In Nalut, eine Stadt in den Nafusa-Bergen, fand unter der Schirmherrschaft des Stadtrats eine Nationale Versöhnungskonferenz statt, zu der etwa 2.000 Delegierte aus ganz Libyen, aber auch aus Tunesien, angereist waren. Der Hohe Rat der Stämme und Städte nahm daran teil und auch aus Tripolis und Misrata wurden Teilnehmer erwartet. Die Konferenz wird unterstützt vom Stadtrat Zintens und vom Kommandanten der Einsatzzentrale der Libyschen Nationalarmee in Tripolis, Oberst Idris Madi.
Unter dem Vorwand von ‚Sicherheitsbedenken‘ versuchte der ‚Verteidigungsminister‘ des Präsidialrats die Konferenz zu verbieten. Dies wurde allerdings von den Organisatoren ignoriert.
Obwohl sich zu Anfang große Differenzen schon bezüglich der libyschen Flagge und Nationalhymne zeigten, verabschiedeten die Teilnehmer ein fünf Punkte umfassendes Abschlusskomunique: 1. Die Sicherstellung der Integrität der Einheit des libyschen Territoriums 2. Die Ablehnung ausländischer Einmischung in innerlibysche Angelegenheiten 3. Die Ablehnung von Treffen, die nicht in Libyen stattfinden 4. Die Unterstützung von staatlichen Institutionen wie Armee, Polizei und Justiz, die durch den Staat legitimiert sind 5. Umfassenden deeskalierende Maßnahmen und die Bildung von Komitees zur Erstellung einer Roadmap für die nationale Aussöhnung.

17.09. Zwar werden bei einem Workshop des ‚Europäischen Rates für Ausländische Beziehungen‘ zur Krise in Libyen und Tunesien selbstkritische Töne angeschlagen, nichtsdestotrotz aber wieder irrige Schlussfolgerungen gezogen. Man hätte nicht erkannt, dass die Zahlungsforderungen Dschedhrens für die Öffnung der Ölhäfen ihm die Unterstützung seines Stammes gekostet habe. Insgesamt müsse die Rolle der Stämme eine größere Beachtung finden. Politische Analysen der internationalen Gemeinschaft, der EU und anderer Institutionen hätten die Dynamik, die in Libyen und insbesondere im Osten des Landes vorherrscht, nicht begriffen. Die Sicht des Westens auf Ostlibyen sei durch Tripolis gefiltert gewesen. Das Übergehen des Tobruk-Parlaments und die Annahme, es würde schon mit an Bord kommen, werden inzwischen als falsch betrachtet. Irrige Annahmen und unzureichende Informationen über Libyen durch die internationale Gemeinschaft hätten zu einer falschen westlichen Politik geführt. Außerdem habe es die internationale Gemeinschaft versäumt, sich eine Exit-Strategie im Falle des Versagens von Präsidialrat und ‚Einheitsregierung‘ zu überlegen. Kritisiert werden auch Waffenlieferungen an die jeweiligen Blöcke in Libyen durch verschiedene ausländische Akteure. Die internationale Gemeinschaft müsse nach einer echten Übereinstimmung zwischen den Konfliktparteien suchen, um als echter Vermittler zu gelten.
Die Westmächte gestehen es endlich ein, dass Martin Kobler und die ‚Einheitsregierung‘ gescheitert sind. Was Sie aber immer noch leugnen: Die Einmischung von außen in innerlibysche Angelegenheit ist absolut unerwünscht!

18.09. Angriffe von Ibrahim Dschedhrens Petroleum Facilities Guard (PFG) auf Ras Lanuf und Sidra wurden von der Libyschen Nationalarmee mittels Bodentruppen und Luftangriffen zurückgeschlagen. Dschedhren versuchte erfolglos, zwei der Erdölanlagen, die ihm am 9. September abgenommen worden waren, wieder zurückzuerobern. Fünf PFG-Kämpfer wurden getötet, Fahrzeuge zerstört und beschlagnahmt. Verwundete PFG-Kämpfer wurden in die Klinik von Misrata gebracht. Der Vorsitzende der National Oil Corperation, Mustafa Senella, rief zum Stopp der Kämpfe um die Erdölanlagen auf, um keine weiteren Schäden an der libyschen Infrastruktur zu verursachen.

18.09. Bunjan Marsous Milizen (Misrata) haben nach zwei Wochen Pause ihren Kampf gegen den IS in Sirte wiederaufgenommen. Die Kämpfe befinden sich in der letzten Phase und sind so gut wie gewonnen. Insgesamt wurden 520 Kämpfer vor allem aus Misrata dabei getötet und mehr als 2500 verletzt. Allerdings sieht es so aus, als wenn es sich bei diesen Kämpfen um eine reine Angelegenheit der von Misrata geführten Bunjan-Marsous-Milizen handelt, mit der Sarradsch und sein Präsidialrat wenig zu tun haben. Die Misrata-Milizen bemängelten fehlende logistische, medizinische und finanzielle Unterstützung durch den Präsidialrat.

19.09. In Tripolis wurden Barrikaden errichtet und brannten Reifen als Protest gegen die immer noch langanhaltenden Stromausfälle. Laut der General Electricity Company of Libya (GECOL) sollen sich zukünftig die Stromausfälle auf sechs Stunden täglich beschränken. Die Stromausfälle sind innerhalb Libyens und auch Tripolis‘ sehr ungleichmäßig – in Abhängigkeit von den vorherrschenden Milizen – verteilt.

19.09. Nahe des Flughafens von Ghat (im Südwesten Libyens) wurden zwei Italiener, ein Kanadier und der libysche Fahrer entführt. Bei den drei Ausländern handelt es sich um Techniker, die für eine italienische Firma am Flughafen von Ghat gearbeitet haben sollen.

19.09. Die UN bittet um etwa elf Millionen Dollar Spenden für Sirte, um humanitäre Hilfen und Notfallmaßnahmen nach dem Fall des IS zu gewährleisten. Es sollen davon Lebensmittel geliefert, aber auch Sprengfallen beseitigt werden. Etwa 100.000 Einwohner sind seit Februar letzten Jahres, als der IS die Stadt besetzte, vor allem in die Städte Bani Walid, Misrata, Tarhuna, Dschufra und Tripolis geflohen, an die 80.000 Menschen sollen sich noch in der Stadt aufhalten.
Sirte wurde bereits 2011 weiträumig zerstört, als Milizen aus Misrata in die Geburtsstadt und damaligen Aufenthaltsort Gaddafis einmarschierten.

20.09. Bei einem Hubschrauberabsturz kamen Brigadegeneral Idris Jounis, sein Sohn, drei Offiziere und die gesamte Besatzung ums Leben. Brigadegeneral Jounis war der Militärberater von Agila Saleh (Präsident des Tobruk-Parlaments). Die Absturzursache soll ein technischer Fehler gewesen sein.

20.09. Nachdem vor einem Monat eine Übereinkunft über die Öffnung der Küstenstraße zwischen den Stämmen Wirschfana, Zawia und den Milizen des Dschansur-Viertels (Tripolis) getroffen worden war, wurde die Straße heute wieder von Milizen aus Dschansur und Zawia gesperrt. Der Grund sollen Zwischenfälle bei von Wirschfana-Milizen gehaltenen Checkpoint sein.

20.09. Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, forderte gemeinsam mit Generalfeldmarschall Khalifa Hefter die Absetzung des UN-Sonderbeauftragten für Libyen, Martin Kobler. Die Vorwürfe richten sich gegen die Stellungnahme Koblers nach der Übernahme der Ölterminals durch die Libysche Nationalarmee sowie dessen Auftreten als „Regent von Libyen, der die Spaltung noch vertieft hat, anstatt die Leute wieder zu versöhnen.“ Saleh sagte in einem Interview, er hätte einen Brief an den UN-Generalsekretär geschrieben, in dem er die Absetzung Koblers forderte. Als Nachfolger für Kobler ist der Norweger Espen Barth Eide im Gespräch.
Warum hält man nicht Ausschau nach einem Afrikaner, der als UN-Sonderbotschafter für Libyen fungiert, jemanden, der mit den Gepflogenheiten und Stammesstrukturen auf dem Kontinent vertraut ist und auch die Interessen Afrikas vertritt?

20.09. In einem öffentlichen Park außerhalb der Stadt Dschufra wurden durch einen Luftschlag mindestens sieben Menschen getötet und 20 verletzt, darunter viele Kinder. Die Libysche Nationalarmee machte ein Flugzeug aus Misrata dafür verantwortlich, das eigentlich die 12. Brigade der LNA zum Ziel hatte, die seit dem 18. September wieder den Luftwaffenstützpunkt Dschufra unter ihrer Kontrolle hat. Misrata wies die Vorwürfe zurück.

21.09. Das Auslaufen des mit Erdöl beladenen Tankers Seadelta aus dem Hafen von Ras Lanuf markiert das Ende der Blockade der Ölverladeterminals durch Ibrahim Dschedhrens Petroleum Facilities Guard (PFG). Auch aus Brega konnte ein beladener Öltanker auslaufen.

22.09. Die gestrige Ankündigung der Führung des Staatsrats, er werde die Legislative vom Tobruk-Parlament übernehmen, hat zu heftigen Protesten geführt, in erster Linie vom Tobruk-Parlament, aber selbst Ratsmitglieder stellten sich dagegen, sowie auch Martin Kobler und der britische Botschafter. Diese Ankündigung sollte ignoriert werden.

22.09. Generalmajor al-Naschuri von der Libyschen Nationalarmee hat die Führung der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft GECOL im Osten abgesetzt und sie durch ein nur ihm verantwortliches Komitee ersetzt. Er versucht damit, die ständigen Stromausfälle im Osten Libyens unter Kontrolle zu bringen. Allerdings verfügt GECOL über kein Geld, um ausstehende Löhne zu zahlen und hat in den Anlagen technische Probleme.

22.09. Faradsch Ghaim, ehemals Chef des Einsatzzentrums für Spezialoperationen in Bengasi, der sich zur Einheitsregierung bekannte, ist von dieser abgefallen und hat sich wieder der LNA unter Hefter angeschlossen.

22.09. Am Rande der UN-Generalversammlung haben 22 Länder, die EU, die USA, die Arabische Liga und die Afrikanische Union ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem sie Libyen auffordern, am politischen Dialog festzuhalten, die Ölproduktion wieder zu steigern, im nächsten Jahr Wahlen zu organisieren und eine Einheitsarmee zu bilden. Zugrunde liegen sollte das Skhirat-Abkommen vom Dezember 2015. Sarradsch mit seiner ‚Einheitsregierung‘ und der Präsidialrat sollten die einzige Exekutive sein, das Tobruk-Parlament die einzige Legislative.

24.09. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte im Vorfeld des EU-Flüchtlingsgipfel in Wien vorgeschlagen, mehr als eine Million illegal Eingewanderte wieder abzuschieben und sie in bewachten Lagern außerhalb der EU festzuhalten. Diese sollten in Libyen lokalisiert sein: "Ungarns Standpunkt ist, dass Europa eine neue Libyen-Politik braucht. Das Land muss zusammen gehalten und stabilisiert werden. Wenn nicht, könne man nicht diese gigantische Flüchtlingsstadt an der Küste aufbauen, wohin man all die zurück bringen müsse, die illegal nach Europa eingewandert seien, so Orbán."[6]
Achmed Abdel-Hakim Hamza von der Nationalen Menschenrechtskommission in Libyen zeigte sich besorgt über die Politik der europäischen Länder. Er sagte: „Wir werden kein Projekt genehmigen, das vorsieht, afrikanische Migranten und Flüchtlinge auf libysches Gebiet zurückzuführen und Libyen in ein riesiges Auffanglager für Migranten zu verwandeln. Dies diene ausschließlich europäischen Interessen. Wir werden solche Vorschläge nicht durchgehen lassen.“[7]
Die Europäer wollen laut Orbán also bestimmen, dass Flüchtlingsstädte, auch noch in einem gigantischen Ausmaß, an der libyschen Küste gebaut werden. Absurder geht es ja nicht mehr. Warum sollten die Libyer eine schwarzafrikanische Stadt mit all den Problemen, die dies bringen würde, an ihrer Küste dulden? Man erinnerte sich, dass gerade die nach dem Sturz Gaddafis 2011 an die Macht gekommenen islamistischen Milizen erbarmungslos Jagd auf Schwarze in Libyen machten und sie abschlachteten. Sie vertrieben auch die schwarzhäutigen Einwohner von Tawerga aus deren Stadt. Genau diese islamistischen Kräfte werden immer noch vom Westen hofiert und unterstützt.

24.09. Russland hat in New York die Entsendung ausländischer Kräfte, die bewaffnete Gruppen in Libyen ausbilden, verurteilt. Auch dürfe die Libysche Nationalarmee beim Aufbau neuer Sicherheitsstrukturen nicht übergangen werden. Moskau vertritt die Meinung, erst nach der Anerkennung durch das Tobruk-Parlament könne eine ‚Einheitsregierung‘ Bestand haben.

24.09. Die Mitarbeiter der Zivilen Registraturbehörde (Civil Registry Authority / CRA) sind in einen landesweiten, unbefristeten Streik getreten. Sie wollen damit die Freilassung zweier Mitarbeiter erzwingen, die vor zwei Tagen während ihrer Arbeit in Tripolis entführt wurden. CRA sagte, es hätte vorher bereits Entführungen von und Angriffe auf ihre Mitarbeiter gegeben. Zu den Aufgaben der Behörde, die dem Innenministerium untersteht, zählen u.a. die Registrierung von Ehen, Geburten, Sterbefällen, Ausgabe von Pässen. In diesem Jahr waren schon einmal zwei Mitarbeiter entführt worden, deren Leichen später gefunden wurden. Im März diesen Jahres hatte die CRA zugegeben, dass sie von ‚ideologisch extremistischen Gruppen‘ übernommen worden wäre, die die Daten der libyschen Bürger unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Damit wäre es ihnen auch möglich gewesen, ihre Identitäten zu manipulieren. (Gemeint sind damit wohl dschihadistische Milizen, deren Mitgliedern im Gefahrenfall falsche Papiere die Ausreise erleichtern würden.) Jetzt sollen die Datensätze an einem neutralen Ort, vermutlich im Ausland, gelagert sein, wo sowohl die ostlibyschen als auch die westlibyschen Behörden darauf Zugriff hätten.

25.09. DschamahiriyaNewsAgency gedenkt der vielen zivilen Opfer von Bani Walid im September 2011 durch die Invasion feindlicher Kämpfer, unterstützt durch die NATO, und die damit verbundenen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Die Stadt Bani Walid sei durch Misrata-Milizen zerstört, deren Bewohner getötet oder vertrieben worden, unter ihnen Frauen, Kinder und Alte, und mehr als dreitausend Häuser seien in Brand gesteckt worden. Es müsse eine Untersuchung über die damaligen Vorfälle geben. Misrata wird auch vorgeworfen, es hätte Jugendliche, die den Stamm der Warfalla angehörten, gefangen genommen und diese seien heute noch ohne Gerichtsverfahren eingekerkert. Die Freilassung aller Gefangenen sei die Voraussetzung für eine Aussöhnung.

25.09. Die Ankündigung des ‚Staatsrats‘ in Tripolis, die Legislative an sich zu ziehen, ist bei allen politischen Parteien auf große Ablehnung gestoßen. Nichtsdestotrotz kündigte der ‚Staatsrat‘ an, auch die höchsten militärischen und zivilen Posten im Staat besetzen zu wollen, darunter den Oberbefehlshaber des Militärs und den Chef der Libyschen Zentralbank.

26.09. Die geplante Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die EU wurde verschoben. Es konnten noch keine geeigneten Kandidaten durch den Präsidialrat benannt werden. Eine Ausbildung von Rekruten Jahr 2014 in Großbritannien musste frühzeitig abgebrochen werden, da einige der aus dschihadistischen Milizen stammenden Teilnehmer in der benachbarten Kleinstadt Frauen vergewaltigten. Zwei der islamistischen Kämpfer kamen daraufhin in England in den Knast.

27.09. Der Militärgouverneur des östlichen Libyens, Abdeul Rassaq al-Nazhuri, wurde von örtlichen Stammesführern dazu aufgefordert, in der Stadt Solug (50 km südlich von Bengasi) einen Militär als Stadtoberhaupt einzusetzen, wie ebenfalls in Tobruk. Auch in Bengasi, Kufra, Adschdabija und al-Abjar wurden die zivilen Stadtoberhäupter durch Militärs ersetzt.

27.09. In Tripolis wurde der Generaldirektor der Libyschen Auslandsbank vor seinem Haus von einer bewaffneten Bande entführt. Bei diesen sich häufig ereignenden Entführungen scheinen sich politische und kriminelle Motive der ausführenden Milizen zu überschneiden. In diesem Fall könnte auch Rassismus eine Rolle gespielt haben, da der Banker ein Berber sein soll.

27.09. JamahiriyaNewsAgency: Die Aussage von Samantha Power vor den Vereinten Nationen in New York, die die russischen Angriffe in Syrien als Barbarei bezeichnete, konterte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova: „Nichts in der neueren Geschichte ist barbarischer als das, was die USA im Irak und in Libyen getan haben.“[8]

27.09. Mindestens acht Leichen wurden an der Küste der Kyrenaika angeschwemmt. Es scheint sich um die Leichen von Bootsflüchtlingen zu handeln.

27.09. Bei Gesprächen in Paris sagte der französische Präsidenten Hollande zu Sarradsch, auch wenn die Stadt Sirte ganz vom IS befreit wäre, gäbe es noch andere Terroristen in Libyen, „die gejagt und zur Strecke gebracht werden müssten“[9]. Frankreich würde dabei möglichst umfassend beteiligt sein, um sicherzustellen, dass dies auch geschehe.
Klassisch: Terroristen sind always and everywere und das französische Militär muss sie zur Strecke bringen! Wie schön, dass es Terroristen gibt, die einen den Vorwand für die Intervention in fremden Ländern liefern!

28.09. Aufregung um den ehemaligen NTC-Justizminister Mohamed Ibrahim Allagui, der mit Frau und Kind nach Großbritannien geflohen ist und dort politisches Asyl beantragt hat. Das Libyan Popular National Movement LPNA appelierte an Mauretanien, Tunesien und Großbritannien, Allagui politisches Asyl zu verweigern. Sie werfen ihm Kriegsverbrechen und die Veruntreuung von libyschen Staatsgeldern vor.
Allagui war während der Zeit des Nationalen Übergangsrats (März 2011 bis August 2012) Justizminister.

28.09. In einem Interview mit der amerikanischen Nachrichtenagentur AP zeigte Generalfeldmarschall Hefter nach wie vor kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Sarradsch. Er vertrat die Meinung, der Präsidialrat sei von der Moslembruderschaft dominiert und das westliche Libyen stehe unter der Kontrolle von schwerbewaffneten kriminellen Banden. Er lobte den Präsidenten Ägyptens, Abdel Fatah Sisi und meinte, das gewählte Militär hätte beachtliche Fortschritte im Land erzielt. Auch für Libyen könne er sich einen erfahrenen militärischen Führer vorstellen, er selbst hätte aber keine Ambitionen.

29.09. Die Stämme Warschfalla und Orischvanh haben bei einem gemeinsamen Treffen in Bani Walid ihre Zusammenarbeit vereinbart.

30.09. Die EU hat die Sanktionen gegen Agila Saleh (Präsident Tobruk-Parlament), Nuri Abu Sahmain (Präsident des ehemaligen GNC) und Khalifa Ghwell (vom ehemaligen GNC ernannter Premierminister) wegen Nichtunterstützung der ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch und damit „der Gefährdung des Friedens und der Sicherheit“ um ein weiteres halbes Jahr verlängert. Die im April 2016 erstellte Liste von Sanktionierten wurde unverändert weitergeschrieben. Beobachter zeigten sich erstaunt, dass die Liste nicht erweitert wurde.

Quellen (soweit nicht anders vermerkt): jamahiriyanewsagency.wordpress.com / libyaherald.com / libyaagainstsuperpowermedio.org / http://parstoday.com / jungewelt.de / welt-im-blick.de / http://vivalibya.wordpress.com / https://deutsch.rt/com / nnz.ch / heise.de / radio-utopie.de / derstandard.at


[1] www.rt.com/op-edge/353995-gaddafis-ghosts-return-libyan/

[2] https://www.usip.org/publications/2016/09/02/prisons-and-detention-in-libya

[3] https://www.hate-speech.org/who-pays-for-isis-in-libya/

[4] Während das Tobruk-Parlament tatsächlich in Tobruk sitzt, hat die Tobruk-Regierung inzwischen ihren Sitz in Baida.

[5] www.libyaherald.com/2016/09/15/noc-lifts-force-majeure-at-eastern-oil-terminals/

[6] http://www.deutschlandfunk.de/fluechtlingsgipfel-in-wien-eu-staaten-wollen-frontex.1783.de.html?dram:article_id=366762

[7] https://vivalibya.wordpress.com/2016/09/27/libyan-national-commission-for-human-rights-condemns-hungarys-proposal-for-city-of-migrants-in-libya/

[8] https://jamahiriyanewsagency.wordpress.com/2016/09/27/russian-fm-spokesperson-rebukes-us-envoy-to-un-on-barbarism-in-iraq-and-libya/

[9] https://www.libyaherald.com/2016/09/27/franco-libyan-talks-focus-on-fight-against-terrorism/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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