Seif al-Gaddafi und die neue Bewegung

Libyen. Während in der Bevölkerung die Sehnsucht nach einem Gaddafi-Libyen immer größer wird, führt Seif al-Gaddafi die „Volksfront zur Befreiung Libyens“ an.

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JamahirijaNewsAgency veröffentlichte am 9. Januar 2017 die Erklärung zur Gründung der Popular Front for the Liberation of Libya (Volksfront zur Befreiung Libyens), die bereits am 25.12.2016 in den Bergen Westlibyens abgefasst wurde.[1] Unter dem Dach der Popular Front for the Liberation of Libya sollen sich alle libyschen Aktivisten zusammenfinden, die das Land von kriminellen Milizen und terroristischen Organisationen befreien wollen, die Religion nur als Deckmäntelchen nutzen, in Wirklichkeit aber für ausländische Politik arbeiten. Die Aufgabe der neuen Bewegung besteht im Aufbau eines souveränen Staates, der seine Unabhängigkeit, seine Sicherheit und sein Ansehen mittels seiner legitimen Institutionen aufrechterhält. Die Erklärung endet mit dem Aufruf: „Zusammen zum Wohle Libyens, für Wohlstand, Freiheit und soziale Gerechtigkeit.“

Die neugegründete Bewegung wird von Seif al-Islam Gaddafi angeführt.

Interessant dazu ist ein Artikel in der tunesischen Zeitung Le Temps, die meint, die gleichzeitige Balkanisierung, d.h. Aufsplitterung des Landes in verschiedene Regionen, in Kombination mit einer Somalisierung, d.h. Milizen regieren das Land, würde in immer mehr Libyern den Wunsch zur Rückkehr nach einem Libyen wie einstmals unter Gaddafi wecken. Ein Pro-Gaddafi-Aktivist, der nach Tunesien emigriert ist, sagt: „Wir möchten die Befreiung Libyens, das 2011 das Opfer eines von der NATO geführten Umsturzes geworden ist.“ Seine Organisation habe 20.000 Mitglieder in Libyen und zwischen 15.000 und 20.000 ehemaliger Soldaten, die im Ausland im Exil leben und bereit für die Rückkehr nach Libyen sind.

Den Gaddafisten schwebt nach der Wiedererlangung politischer Macht vor, ein Referendum unter Aufsicht der internationalen Gemeinschaft abzuhalten. Zur Abstimmung dabei käme die Schaffung eines Stammesrats, der die Stämme repräsentiert, daneben gäbe es eine Kleine Kammer und – neu – die Ausarbeitung einer Verfassung.

Auch ein Mitarbeiter der Maghreb Center for Policy Studies in Libya prophezeit die Erneuerung eines zukunftsweisenden „grünen Denkens“ (Grün ist die Farbe der Gaddafisten): Sie würden in einem zukünftigen Libyen durch strategische Allianzen wieder erheblich an Einfluss gewinnen.

Diejenigen Gaddafisten, die sich Generalfeldmarschall Hefter angeschlossen haben, hätten von dem Amnestiegesetz für Gaddafisten profitiert, das am 7. September 2015 durch das Parlament (Tobruk) beschlossen worden ist und das zum Ziel hatte, den bis zu drei Millionen Emigranten, die vor allem in Tunesien und Ägypten im Exil lebten, die Rückkehr nach Libyen zu ermöglichen.

Die Unterstützer von Seif al-Gaddafi sind bestens organisiert. Seif al-Gaddafi war am 28. Juli 2015 von einem islamistischen Gericht in Tripolis in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Tatsächlich ist er laut Aussagen seiner Anwälte und der Dschamahirija frei und hält sich an einem sicheren Ort in Libyen auf. Dass sich Seif al-Gaddafi wieder in die libysche Politik einmischt, wäre auch aus Sicht vieler libyscher Politiker gut möglich.

Viele Stämme im Westen Libyens trauen Hefter nicht, der von Stämmen im Osten Libyens unterstützt wird. Die von der ‚internationalen Gemeinschaft‘, der UN und EU an die Macht gepushte ‚Einheitsregierung‘ ist von ihrem Einfluss im Land her sowieso bedeutungslos.

Unter diesen Voraussetzungen könnte Seif al-Gaddafi die Kyrenaika vereinigen. Bereits im September 2015 erklärte der Höchste Stammesrat des Landes Seif al-Gaddafi zum legitimen Vertreter Libyens. Dies stellte eine starke symbolische Geste dar.

Seit dem Frühjahr wird auch an der Bildung einer Fessan-Armee gearbeitet. Die Milizen in Tripolis wissen um die Gefahr, die ihnen droht, wenn die Sehnsucht nach der Gaddafi-Ära weiter Gestalt annimmt.


[1] https://jamahiriyanewsagency.wordpress.com/2017/01/09/founding-declaration-of-the-popular-front-for-the-liberation-of-libya/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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