Unhaltbare Zustände im Mitiga-Gefängnis

Libyen. Aus der Haftanstalt Entlassene berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und menschenunwürdigen Haftbedingungen. Sie fordern ein internationales Tribunal.

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Der Leidensweg von Kapitän Vladimir Tekuchev sowie einem weiteren russischen Staatsbürger, fünf Ukrainern und einem Griechen begann Ende Juni 2016, als ihr Schiff etwa 27 Kilometer von der libyschen Küste entfernt von der Tripolis-Küstenwache aufgebacht wurde und die Schiffsbesatzung in Gefangenschaft kam.

Während der Festnahme bedrohten die Kidnapper die Schiffsbesatzung mit vorgehaltener Waffe und forderten ein Lösegeld in Höhe von einer Million US-$. Laut dem Kapitän wurden den Seeleuten alle Wertsachen abgenommen, darunter Geld und Mobiltelefone. Am Vorabend der Verhaftung der Seeleute hatten russische Menschenrechtsaktivisten der ‚Einheitsregierung‘ Folter und Entführung vorgeworfen.

Die anschließend wegen Ölschmuggels zu fünf Jahren Gefängnis verurteilten Seeleute wurden nach drei Jahren aus der Haft entlassen.

Kapitän Tekuchev prangerte jetzt öffentlich die menschenunwürdigen Zustände in den Haftanstalten an. Schwere Menschenrechtsverletzungen, unter denen auch inhaftierte Ausländer zu leiden haben, seien dort an der Tagesordnung. Der Kapitän sagte, viele Menschen seien grundlos inhaftiert, in den überfüllten Gefängnissen werde gefoltert und es sei oft nicht möglich, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch die hygienischen Zustände seien schlimm, es gebe nicht einmal Bettwäsche.

Besonders unerträglich seien die Zustände im Mitiga-Gefängnis, das sich auf dem östlich von Tripolis gelegenen Mitiga-Flughafengelände befindet.

Kapitän Tekuchev sagte in einem Interview, dass sich seine Matrosen im Mitiga-Gefängnis eine Zelle, die nicht größer als zwölf Quadratmeter war, mit 27 und mehr Gefangenen teilen mussten. Die Größe von Einzelzellen habe nur eineinhalb Quadratmeter betragen, so dass sich der Gefangene nicht einmal ausstrecken konnte.

Im Mitiga-Gefängnis waren auch die beiden im Mai in Tripolis festgenommenen Soziologen Maxim Shugaley und Samer Hasan Ali von der Russischen Stiftung zum Schutz nationaler Werte untergebracht. Ihnen war vorgeworfen worden, die nächsten Wahlen in Libyen, deren Abhaltung noch völlig offen ist, beeinflussen zu wollen. Beide wurden im Mitiga-Gefängnis gefoltert.

Wie Kapitän Tekuchev erklärte, gibt es noch viele andere Ausländer, die sich in libyschen Gefängnissen in ähnlichen Situationen befinden. Bekannt ist der Fall eines französisch-italienischen Geschäftsmanns, eines potenziellen Investors. Er litt an Tuberkulose und wurde während seines Gefängnisaufenthaltes regelmäßig geschlagen.

Bei einigen Insassen waren die Gründe für die Festnahme völlig unverständlich. So wurden beispielsweise alle Passagiere eines internationalen Fluges, der in Tripolis notlanden musste, inhaftiert.

Wie die Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen berichten, werden derzeit in Libyen über 5.000 Ausländer, darunter auch Flüchtlinge und Migranten, in Haftanstalten festgehalten, für die die ‚Einheitsregierung‘ verantwortlich zeichnet. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, sagte erst kürzlich vor dem UN-Sicherheitsrat: „Ich fordere den Sicherheitsrat dringend dazu auf, an die Behörden in Tripolis zu appellieren, die lange verzögerte, doch dringend gebotene Entscheidung zu treffen, die in diesen Zentren inhaftierten Personen freizulassen.“

Darüber hinaus plädieren die ehemaligen Insassen für die Abhaltung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung der begangenen Verbrechen.

http://www.addresslibya.com/en/archives/50036

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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