Gespür für das Unschickliche

Kino Der Film „Max Manus“ von Espen Sandberg und Joachim Rönning erzählt die Geschichte, des gleichnamigen norwegischen Widerstandskämpfers zu Zeiten der Nazi-Besatzung

Seit der Stummfilmzeit ist das skandinavische Kino berühmt dafür, der Landschaft und Witterung die komplexesten erzählerischen Zuständigkeiten anzuvertrauen. Die Natur ist Schicksal, fungiert als Spiegel der Leidenschaften. Sie birgt das Versprechen von Läuterung und Selbsterkenntnis. Die Szenerie ist dabei eher majestätisch als erhaben, denn die Bildkomposition sucht traditionell ein menschliches Maß, stellt eine enge Beziehung zu den Figuren her. Heute suchen skandinavische Regisseure meist eine andere Perspektive: die des Helikopterflugs. In einschlägigen Fernsehkrimis und in den Stieg-Larsson-Verfilmungen versenken sie ihren Blick aus luftiger Höhe auf düstere Seelenlandschaften.

Im norwegischen Kassenschlager Max Manus gewinnt diese inszenatorische Floskel den Charakter einer patriotischen Inbesitznahme: Er handelt von der Verteidigung des Territoriums gegen die deutschen Besatzer. Der Titelheld ist Norwegens größter Held des Zweiten Weltkriegs und wurde hoch dekoriert. Es ist verblüffend, dass er bisher nie zum Gegenstand einer Filmbiografie wurde, derart tollkühn und aufsehenerregend waren seine Taten. Thomas Nordseth-Tillers Drehbuch basiert auf Manus’ Lebenserinnerungen, konzentriert sich auf die Zeit vom April 1940, dem Einmarsch der Nazis, bis zum Kriegsende.

Nach seiner Heimkehr aus dem finnischen Winterkrieg, wo er im Kampf gegen die Sowjetarmee verletzt wurde (was in ausgiebigen Rückblenden zu einem Trauma deklariert wird), schließt Max (Aksel Hennie) sich einer Widerstandsgruppe an. Als die Zelle auffliegt, rettet er sich mit einem beherzten Fenstersprung aus dem Gewahrsam der Gestapo. Die Flucht lässt ihn zur Legende werden, sein Ruf eilt ihm bis nach Schottland voraus, wo er mit seinem Freund Gregers Gram (Nicolai Greve Broch) als Spezialist für Sabotage an Schiffen ausgebildet wird. Die Aktionen der „Oslo-Bande“ richten derart großen Schaden an, dass die Gestapo sich zu immer brutaleren Repressalien gezwungen sieht. Die größte Bewährungsprobe der Gruppe soll die Sprengung des Tankers „SS Donau“ sein.

Mit ihrem Kinodebüt, dem flauen Penelope-Cruz-Salma-Hayek-Vehikel Bandidas, haben sich die Werbefilmer Espen Sandberg und Joachim Rönning nicht unbedingt für eine solch staatstragende Aufgabe empfohlen. Ihr Film mutet allerdings rechtschaffen anachronistisch an; es gebricht ihm am Flair ironischer Revision. Bei aller Konventionalität beweisen sie indes ein Gespür für das Unschickliche. Die Tableaus von schneidig lächelnden Widerstandskämpfern vor malerischen Stadtpanoramen und die vom Gegenlicht weichgezeichneten Impression des Wohllebens im Exil streuen den Sand des Unangemessenen ins Getriebe der Heldengeschichte.

Max und seine Kameraden gehen als aufrechte Dandys an ihr gefährliches Werk, ihr selbstgewähltes Mandat birgt auch die Verlockung der Verantwortungslosigkeit. Sie empfinden eine bübische Freude am Gelingen. Max Manus möchte ein Abenteuerfilm sein mit dem grimmigen Leichtsinn der Anti-Nazi-Filme, die Raoul Walsh einst mit Errol Flynn inszeniert hat. Max wird zwar von dem Schuldgefühl geplagt, überlebt zu haben, darf aber ein ungebrochener Held bleiben. Um sich die Integrität eines Jungentraums zu bewahren, muss dieses Widerstandsdrama freilich in einem Krieg spielen, der so ist wie andere auch: Dass die „SS Donau“ zur Deportation von Juden diente, verschweigt der Film geflissentlich.

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