Links und solidarisch?

Coronadiskurs Was ist eigentlich noch subversiv und radikal – in Coronazeiten?

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Wir haben viel gelernt in dieser Corona- und Lockdownzeit. Es schien besonders radikal und links zu sein, die Straße zu meiden und „Stay at home!“ zu propagieren. Wir überflügelten die Hinweise der Bundesregierung zum Infektionsschutz und waren hygienischer als der größte Waschzwangneurotiker. Als die Impfung nur zögernd griff und von Mutanten die Rede war, verfielen wir in Aktivismus. Weit davon entfernt eine andere planvolle Produktion und Verteilung kämpferisch durchsetzen zu können, erträumten wir uns einfach eine bereits bestehende Planwirtschaft, die einen solidarischen kompletten Lockdown – ZeroCovid genannt – durchsetzen sollte. Von oben bitte. Konsequent.

Wir hatten Feinde. Wir konnten gegen sie von Anfang an, gut geschützt und schwer empört demonstrieren. Sie hießen und nennen sich Querdenker, Hygienedemonstranten, Coronarebellen und sie sind nun auch die Feinde des Verfassungsschutzes, weil sich unter ihnen angeblich Personen bewegen, die den Staat delegitimieren würden. Die Regierung delegitimierte sich jeden Tag aufs neue, doch wir hielten ihr solidarisch die Stange. Wir empörten uns vornehmlich über den Antisemitismus der „Coronaleugner*innen“, wie wir sie zu nennen uns angewöhnt hatten. Gläubig attackierten wir deren „wissenschaftsfeindlichen Irrationalismus“ und sahen die gleichen Anklagen landauf landab im Fernsehen zirkulieren.

Als ein paar Schauspielerinnen und Schauspieler die Lockdownpolitik der Bundesregierung ironisch und sarkastisch kommentierten, nannten wir sie nicht nur „naiv“ wie durch den WDR geschehen, sondern gleich: „rechts“. Begründungen brauchten wir dafür nicht, denn stets sind es die anderen, die „schwurbeln“. Wenn sie Heuchelei, Irrationalismen, Angstpolitik, Freiheitseinschränkungen im Lockdowngeschehen anklagten, wussten wir: das will nur die Arbeit auf den Intensivstationen sabotieren. Denn wir wissen: Wer in Frage stellt, ist „unempathisch“, wer zweifelt, irrt, und dies stets aus niederen Beweggründen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gerhard Hanloser

Kritische Analysen, Miniaturen und Reflexionen über linke Bewegungen, Theorien und Praxis

Gerhard Hanloser

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