Ayotzinapa und kein Ende

Proteste halten an Generalstaatsanwalt und Behörden haben durch einen erneuten Vertrauensbruch jegliches Vertrauen bei den Angehörigen der mutmaßlich ermordeten Studenten verspielt.

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Für kommenden Montag (26.1.) wurde zu einer weiteren Großdemonstration für die Aufklärung des Massakers an 43 Studenten in Ayotzinapa in Mexiko-Stadt aufgerufen. Die mexikanische Regierung hat bislang nichts getan um die Wut und den Zorn der Familienangehörigen der Opfer zu besänftigen. Obwohl er den Angehörigen versprochen hatte, jede sensible Information zu erst mit ihnen zu besprechen, gab Bundesgeneralstaatsanwaltschaft (PGR) Jesús Murillo Karam vor wenigen Tagen eine Pressekonferenz. Darin gab er bekannt, dass die Forensik-Experten der Universität Innsbruck keine DNA-Profile aus den 16 Knochen- und Ascheproben herstellen zu können, bei denen es sich möglicherweise um Überreste der verschwundenen Studenten handeln könnte. Die Angehörigen erfuhren davon aus den Medien. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto hat es in den vier Monaten seit dem Verbrechen nicht ein einziges Mal geschafft, an die Tatorte in den Landkreisen Iguala und Cocula zu reisen.

Die mexikanische Generalbundesstaatsanwaltschaft hält an der Version fest, dass die Studenten auf einer Müllhalde in Igualas Nachbarkommune Cocula von Mitgliedern des Drogenkartells Guerreros Unidos umgebracht und verbrannt wurden. Fast 100 Personen sind inzwischen im Zusammenhang mit dem Verbrechen verhaftet worden. Eine schlüssige Schilderung des Tathergangs gibt es aber nach wie vor nicht. Die Ermittlungsbehörden haben jede Glaubwürdigkeit bei den Familienangehörigen verspielt. Zudem gibt es Spekulationen, die auf einer Geolokalisierung von Mobiltelefonen der Studenten beruhen. Danach könnten die Verschwundenen zumindest zeitweise auf dem Kasernengelände des in Iguala stationierten 27. Infanteriebataillons festgehalten worden sein. Mit dieser Armeeeinheit war der Bürgermeister von Iguala eng verbandelt.

Am 12. Januar gab es mehrere Verletzte bei einem Zusammenstoß von Militärs sowie Angehörigen und Kommilitonen der Verschwundenen vor dem Kasernentor. Der mexikanische Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong dazu: „Es gibt das Interesse, Falschwissen zu schaffen und unsere Armee und unsere nationalen Einsatzkräfte in die Geschehnisse von Iguala zu verwickeln.“ Das Militär ist in Mexiko nach wie vor unantastbar.

In der vergangenen Woche führten mehrere Gruppen von Bürgern die Suche nach den verschwundenen Studenten weiter. An der Karawane nehmen Familienangehörige, Mitstudenten, Die Suche soll auch auf andere Regionen im Bundesstaat Guerrero ausgedehnt werden. Solche Suchen führen regelmäßig zum Aufspüren von weiteren Massengräbern. Wie zuletzt am Donnerstag vergangener Woche. „Höllenstadt Iguala“ beschrieb jüngst ein Zeitungskommentar die Situation, die dort in den vergangenen Jahren herrschte.

Im Zusammenhang mit dem Verbrechen an den Studenten bleiben sind auch die Listen der Staatsanwaltschaft Guerreros über die bei der Polizei von Iguala beschlagnahmten G36-Gewehre des deutschen Rüstungsunternehmens Heckler & Koch relevant. Nach den Bestimmungen der deutschen Exportgenehmigung hätten sie dort nie hinkommen dürfen. Auch aus G36-Gewehren könnten in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 auf die Studenten geschossen worden sein. Mexikos Außenminister José Antonio Meade war kürzlich in Deutschland. In einem mit der DPA geführten Interview, sagte er, er verfüge „über kein Element“, das ihm erlaube, die Beschlagnahme zu bestätigen. Angesichts der vorliegenden Listen ist diese Aussage befremdlich. Meade reihte damit in die Reihe der mexikanischen Regierungsrepräsentanten, welche die Gewalt in Mexiko herunterspielen. Im Fall der verschwundenen Studenten wird alles auf die Komplizenschaft von Politik und organisiertem Verbrechen auf kommunaler Ebene abgeschoben. Zu Unrecht wie sich immer mehr zeigt.

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Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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