Das 49 €-Ticket

Am Bedarf vorbei? Ziel des Tickets war es, eine größere Anzahl von Autofahrern dazu zu bewegen, auf den ÖPNV umzusteigen. Warum ist dies nicht gelungen?

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Bisherige Untersuchungen zeigen, dass die übergroße Mehrheit der 49 €-Tickets von bisherigen Zeitkarteninhabern genutzt werden, die jetzt einen geringeren Preis für ein erweitertes Angebot zahlen. War das nicht vorherzusehen?

Das Nahverkehrssystem in Deutschland ist extrem kleinteilig organisiert. Die Grenzen der Verkehrsverbünde orientieren sich nicht am Bedarf der Nutzer, sondern an politischen Vorgaben und der Reichweite von Verkehrsunternehmen. Diese Reichweite ist sehr unterschiedlich. Die DB ist republikweit tätig. Private Bahnunternehmen sind zum Teil länderübergreifend aktiv. Busunternehmen des Regionalverkehrs bedienen Städte und Landkreise. U-, S- und Straßenbahnen fahren in Städten und Vororten. Alle diese Unternehmen wollen und müssen ihre Kosten aus dem Verkauf von Fahrscheinen und Subventionen des Staates, vorzugsweise der Bundesländer, decken. Welcher Kunde mit einem Fahrschein eines Verkehrsverbundes welches Verkehrsmittel benutzt ist weitgehend unbekannt. Das führt regelmäßig zu heftigen Verteilungskämpfen in den Verkehrsverbünden. Was dabei außen vor bleibt, ist das Interesse der Kunden. Die bisherige Nahverkehrsplanung geht aus meiner Sicht zu sehr von den Bedürfnissen der Anbieter aus. Dadurch wird eine Tarifstruktur geschaffen, die für die Benutzer zunehmend undurchschaubar wird. Dazu kommen die Grenzen der Verkehrsverbünde. Wer darüber hinaus will, wird doppelt bestraft, weil jeder Verkehrsverbund eigene Regeln und Preise hat.

Ist das 49 €-Ticket nun eine, wenn schon nicht die Lösung? Offensichtlich nicht. Kaum ein Autofahrer sieht sich veranlasst, seine Komfortzone zu verlassen. Es kann auch nicht anders sein, denn wenn das Auto erst einmal gekauft ist, dann spielen laufende Kosten nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Abschreibung und die anderen fixen Kosten sind demgegenüber viel zu hoch. Es besteht also wenig Anreiz, die sofortige Verfügbarkeit des eigenen Autos gegen die unsichere Taktung des ÖPNV einzutauschen.

Das 49 €-Ticket vereinfacht zwar im Prinzip die Tarifstruktur (es gibt allerdings noch viel zu viele Ausnahmen), aber bringt eine gegenteilige Komponente mit sich. Durch den Geltungsbereich im gesamten Bundesgebiet führt es dazu, dass zu bestimmten Zeiten die Züge des Nahverkehrs von potenziellen Nutzern des Fernverkehrs überfordert werden. Dies schreckt Umsteiger vom Auto zusätzlich ab. Ist es also wirklich sinnvoll, ein "Deutschlandticket" zu kreieren, welches nicht vorrangig dem Nahverkehr dient? Sollte man den Gültigkeitsbereich nicht einschränken?

Meine Idee wäre, ein Ticket für die Nutzung aller Verkehrsanbieter im Bereich von einem Umkreis von z. B. 100 km. Dadurch wäre niemand mehr benachteiligt, der unmittelbar an der Grenze eines Verkehrsverbundes wohnt und in den Nachbarverkehrsverbund fahren will. Diese Kreise sollten sich, wie die Farben bei der additiven Farbmischung, überschneiden, damit starre Tarifgrenzen entfallen. Wo die Mittelpunkte der Kreise gesetzt werden und wie viele Kreise mit welchem Durchmesser es sein sollten, ist zur Diskussion zu stellen. Innerhalb eines Kreises sollte das Ticket 29 € oder weniger kosten und monatlich am Automaten gekauft werden können. Wer in ein anderes Gebiet in den Urlaub fährt, kann vor Ort ein Ticket für diesen Kreis erwerben, ohne ein Abo abschließen zu müssen. Das Ticket gilt für jedes Verkehrsmittel, einschließlich IC, EC und ICE, innerhalb des Kreises. Wer über den Nahbereich hinaus fahren möchte, muss einen anderen Preis bezahlen.

Welche anderen Ideen gibt es?

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