Notwendiges Wasser für sauren transatlantischen Wein

Das Bruttoinlandsprodukt ist als Maßstab für den Vergleich der Leistungsfähigkeit von Ländern grob irreführend. Das amerikanische Journal "American Affairs" stellt andere Zahlen für den Vergleich zur Verfügung.

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In dem Artikel "Assessing the Russian and Chinese Economies Geostrategically" kann man handfeste Zahlen lesen. Sie kommen nicht aus dem südchinesischen Meer, sondern aus dem Journal 'American Affairs'. Manches dauert lange, bis es ins kollektive Bewusstsein von Menschen einsickert. Dieser Artikel stammt vom November des vergangenen Jahres und greift auf Daten zurück, die noch vor der Pandemie erhoben wurden. Da die beiden genannten Länder besser durch die Pandemie gekommen sind als der Westen, haben sich die Abstände inzwischen vergrößert.

Am Schluss heißt es:

"Es ist nun offensichtlich, warum der Versuch, die Volkswirtschaften Chinas und Russlands ausschließlich durch das BIP darzustellen, indem man die Wechselkursmethode anwendet, zu einem irreführenden Bild von der Wirtschaftskraft dieser beiden Länder führt - und zu einem Bild, das der Entscheidungsfindung schaden kann. Die Elemente der Industrieproduktion, die wir hervorgehoben haben, sind in der gegenwärtigen Situation umso wichtiger."

In Tabelle 1 ist dargestellt, warum sich die Neocons immer auf das BIP berufen. 2019 hatten die USA einen Anteil von 24,4 % und China von 16,4 % am globalen BIP. Deutschland erreicht 4,4 % da und Russland ist mit 1,9 % abgeschlagen.

Wird allein die Kaufkraftparität miteingerechnet, kehren sich die Verhältnisse schon um. China erreicht dann 17,3 %, die USA 15,8 %, Deutschland 3,5 % und Russland 3,1 % des globalen BIP.

Im Abschnitt "Die Bedeutung des produktiven Sektors" kommt der Autor zur Sache. Im Vergleich des produktiven Bereiches zu Russland erreicht Deutschland noch 90 % und Frankreich lediglich 44,3 %. Im Vergleich zu China erreichen die USA 34 % und Deutschland 11,5 %. Braucht anhand dieser Zahlen noch irgendjemand eine Erklärung für die mangelnde Fähigkeit des kollektiven Westens, der Ukraine genügend Munition zur Verfügung zu stellen? Wie das die USA gegenüber China machen wollen überlasse ich dem geneigten Leser.

Im letzten Abschnitt wird auf kritische Rohstoffe eingegangen. Hier eine Auswahl:

"Die letzte Methode zur Bewertung des Umfangs der russischen Wirtschaft ist die Messung der Position Russlands bei den weltweiten Exporten von Schlüsselprodukten. Im Jahr 2019 war Russland der weltweit zweitgrößte Produzent von Platin, Kobalt und Vanadium, der drittgrößte Produzent von Gold und Nickel, der viertgrößte Produzent von Silber und Phosphaten, der fünftgrößte Produzent von Eisenerz und der sechstgrößte Produzent von Uran und Blei. Das Hauptprodukt der russischen Landwirtschaft ist Getreide; Russland ist der weltweit größte Exporteur von Weizen und der größte Produzent von Gerste, Buchweizen, Hafer und Roggen sowie der zweitgrößte Produzent von Sonnenblumenkernen. Natürlich ist Russland der weltweit größte Gasexporteur (und verfügt über die größten Reserven der Welt) und der zweitgrößte Exporteur von Rohöl. Dies verleiht Russland, abgesehen von seinen industriellen Kapazitäten, eine zentrale Position im Rohstoffhandel, was sein Bündnis mit China erklärt. Jede Unterbrechung oder starke Einschränkung des Handels mit Russland wird wahrscheinlich zu erheblichen Störungen auf den Rohstoffmärkten führen."

Die letzten Wirtschaftsdaten zeigen übrigens, dass Deutschland in die Rezession rutscht und Russland ein Wirtschaftswachstum verzeichnen kann. Niemand geringerer als der ungarische Regierungschef fasst das sehr prägnant auf Reuters zusammen.

"Anfangs dachte ich, wir hätten uns nur in den Fuß geschossen, aber jetzt ist klar, dass sich die europäische Wirtschaft selbst in die Lunge geschossen hat und nach Luft schnappt."

Herr Melnyk fordert in seiner unnachahmlichen Art in einem seiner jüngsten Tweets vom Westen, 1 % seines BIPs als Militärhilfe für die Ukraine zur Verfügung zu stellen…

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