Oh Pegida, oh - Freue Dich oh Christenheit!

Antiislamismus Teile der CSU versuchen sich bei "Pegida" anzuwanzen, indem sie die Flüchtlings/Ausländer- Frage zu einem Problem aufbrezeln

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Ein Riesenproblem, dem nur durch Verschärfung der ohnehin wenig nachsichtigen Ausländergesetzgebung Herr zu werden sei: „Wer betrügt, der fliegt!“, „Deutsch-Pflicht daheim!“; neuester Gag, „Asyl-Schnellverfahren“, so schallen die zarten Lockrufe aus dem Land der Bayern. Wohlgemerkt, es sind Teile der CSU nur. Denn solch harsche Töne wirken nicht gerade als schmeichelnde Einladung an jene der Ausländer, die der kapitalistische Wirtschaftsstandort Deutschland seit einigen Jahren vermehrt zu benutzen gedenkt.

Ob hingegen durch die Münchner Klänge Pegida-Anhänger zurückzugewinnen sind für die C-Parteien, ohne dass auf der anderen Seite jene verloren gehen, die Angela Merkel erfolgreich von SPD und Grünen abgegriffen hat, steht in den Sternen. Die Sozen ihrerseits haben – Sarrazin hin, Buschkowsky her - jede Hoffnung fahren lassen, verständnisheuchelnd irgendwie bei unsern höchst besorgten Mitbürgern zu punkten.

Von ihnen, einst Meister im Einseifen, nimmt kein Hund mehr ein Knöchlein. Ein Verdienst von Basta-Kanzler Schröder, der „mutig“ (so die Bessergestellten), dummdreist (so die Einkommensschwächeren), neben ihrer Schädigung die Unteren noch mit Spott versorgte, in letzterer Hinsicht anders als traditionell.

So dass kaum noch wer unsere Sozen als „kleineres Übel“ sieht. Eher wohl als schlechtere CDU. Wenn Sozen, dann die Richtigen, nämlich die von der Linkspartei, im Osten auf jeden Fall. Ob dagegen hilft, dass die Linkspartei, um erstmals führend in einem Bundesland sozialdemokratische Politik umzusetzen, sich beschwatzen hat lassen, der mausetoten DDR das Unwort „Unrechtsstaat*) anzupappen, ist sehr die Frage. Also machten die alten Sozen kurzen Prozess mit den Perditisten, „Nazis in Nadelstreifen“ sind’s, wusste die SPD stante pede, fertig ist der Lack.

Schwierig allerdings, selbiges überzeugend nachzuweisen. Was die Aufgeregten genau wollen, weiß niemand, wissen die wahrscheinlich nicht mal selbst. Denn praktisch ist für Pegidisten der Islam das geringste aller Probleme. Denjenigen Pegidaanhänger möchte ich sehen, der von Salafisten belästigt worden ist. Der seine Existenz gern mit der eines Flüchtlings tauschen würde. Der in Schrecken versank im Angesicht einer Burkaverhülllten. Oder nur glaubt, weniger Geld für Nichtdeutsche würde ihm als Urdeutschen das Portemonnaie dicker machen.

Auch die sonst alles wissende freiheitliche Presse kann hier nicht recht weiterhelfen. Sie, die ansonsten binnen 20 Minuten verbal unbeholfene, wenn nicht gleich irgendwelche Radikalinskis dem geneigten Publikum als repräsentativ vorstellen kann, steht auf dem Schlauch: Die Pergidisten wollen – anleitungsgemäß - einfach nicht der „Vierten Gewalt“ Rede und Antwort stehen. Welch unerhörter Angriff auf die Pressefreiheit!

Ex-Innenminister Friedrich hatte da nun eine tiefer gehendere Idee. Er meint, seine C-Gruppen müssten sich wieder stärker die „Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation“ zu Herzen nehmen. In der Tat, Pegida beschwört, „wir sind das Volk“ und die „Bewahrung und Schutz unserer Identität und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“. Letzteres ist freilich nicht auf ihrem Mist gewachsen. Erfunden hatte das unser Meisterdenker („spätrömische Dekadenz“), der erfolgreiche Mittelstandsfreak, Exaußenminister Guido Westerwelle.

Als würde Angela Merkel und ihre Deutschen massig immer noch auf himmlische Ratschläge warten. Als hätten den Dreißigjährigen Krieg irgendwelche Islamisten vom Zaun gebrochen. Als wenn Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung von Frau und Mann ein uraltes, dringendes Anliegen des Christentums gewesen seien. Als hätten Christen- und Judentum seit eh und je miteinander gekuschelt. Und was heißt das denn, „Identität unseres Volkes“? Bin ich, Klein-Klausi“ eins mit Frau Kanzlerin Angela Merkel, zumindest einig? Bin ich ein Herz und eine Seele mit meinem Exchef, der mich rausgemobbt hat, selig mit den Arbeitgeberrichtern, die dies absegneten?**) Nur weil wir zufällig dieselbe Staatsangehörigkeit haben?

Kurzum: Der Pegidademonstrant, der nicht wahrhaben will, dass auch er nicht viel mehr als eine Kosten/Nutzen-Stelle ist, statt seinem nachvollziehbaren Unbehagen auf den Grund zu gehen, bildet sich auf sein Deutschtum sonst was ein, und findet in unartigen Ausländern den Grund allen Übels.

Insofern unterscheiden sich West- und Ostdeutsche nicht großartig. Denn in der West- wie in der Ostzone stoßen die „Forderungen“ von Pegida gleichermaßen auf reichlich Zustimmung. Nur sind Westdeutsche weniger bereit, als „das Volk“ auf die Straße zu gehen. Denn sie sind reifer, stumpfer als ihre ostdeutschen Schwestern und Brüder. Sie haben schon lange gelernt, Demokratie heißt „denen da oben“ zuzustimmen, ggf. auch kritisch. Nicht aber, dass man als Otto Normalverbraucher wirklich etwas zu melden hätte.

Und sie wissen, außer ein paar schönen Worten bestenfalls bringt es nichts, damit anzugeben, zu den besten Deutschen zu gehören, besser als diejenigen, „die Verantwortung tragen“ für unser höchst gefährdetes Vaterland. Unsere Pegidisten borgen ihre Volkstümelei bei den ostdeutschen Demonstranten von 1989. Denen wurde und wird noch die wonnige Einbildung gestattet, sie seien es gewesen, die ihre Obrigkeit zum Teufel gejagt haben. Ein Zahn, denen ihnen jüngst ein gewisser Herr Kohl - plauderfreudig - entgültig gezogen haben könnte.

Dem Herrn Friedrich aber fällt zu dem damit auftauchenden Teufel Ausländerfeindlichkeit nichts besseres ein, als dessen Großmutter zu bemühen, die abenteuerliche – immer auf negative Abgrenzung angewiesene - Konstruktion von Volk und Nation.

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* “Unrechtsstaat ist nicht mehr als ein Wort, „einleuchtend und dunkel zugleich“(Max Horkheimer). Nicht einmal ein Begriff ("Begriff" im wörtlichen Sinn), der helfen könnte, einen unliebsamen Staat zu begreifen. Denn was soll dieses Wörtchen bezüglich der DDR aussagen? Ungeachtet der Härten, die sie ihren Untertanen zumutete: War es bitteres Unrecht, dass sie es nicht gestattete, eine Kassiererin wegen Aneignung eines Pfandbons rauszuschmeißen? Dass sie im Unterschied zum Rechtsstaat BRD den § 175 StGB nicht in der durch die Nazis verschärften Form übernahm? Sie keine Rassentrennung wie in einigen Staaten des „Rule of Law"-Landes USA zuließ?

Dem gemäß ist m. W. in keinem der einschlägigen juristischen und politikwissenschaftlichen Fachlexika „Unrechtsstaat“ als Eintrag, wohl nicht mal als Stichwort zu finden,

Entsprechend stellte der „Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages“ bereits in einem Gutachten vom 30. April 2008 klar:

>>Eine wissenschaftlich haltbare Definition des Begriffs “Unrechtsstaat” gibt es weder in der Rechtswissenschaft noch in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Gleichwohl wird in politischen Diskussionen oft das Gegensatzpaar “Rechtsstaat – Unrechtsstaat” verwendet. Dabei geht es zumeist darum, die politische Ordnung eines Staates, der als Unrechtsstaat gebrandmarkt wird, von einem rechtsstaatlich strukturierten System abzugrenzen und moralisch zu diskreditieren.<<[http://www.mdr.de/exakt/unrechtsstaat112-download.pdf Wissenschaftliche Definition des Begriffs "Unrechtsstaats"] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, 30. April 2008

Eine Erkenntnis, die der Chef des Dienstes, Dr. Schöler, dem gemeinen Volk nicht gönnt.

Ebenso das allwissende Wikipedia, in der zwei selbst ernannte Hausmeister mit albernsten Einwänden die Wiedergabe dieses Zitates bis jetzt verhindern. http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Unrechtsstaat#Revert_von_Phi

** groucho: Sozialstaat Perfekt: Jetzt auch Mindestlohn
https://www.freitag.de/autoren/groucho/sozialstaat-perfekt-jetzt-auch-mindestlohn

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