Flüchtlingsdebatte: Wie Zeit Online mit Desinformation Stimmung gegen junge Muslime macht
Zeit Redakteur Martin Klingst leistet sich in dem Artikel "Flüchtlingsunterkünfte: Gefährliche Langeweile" (Junge muslimische Männer, die wochenlang unbeschäftigt in Heimen warten – kann das explosiv werden?) vom 24.9.2015 entweder eine ungeheuerliche Fehlleistung oder den manipulativen Versuch Stimmung gegen junge Muslime herbeizuschreiben.
Klingst im Wortlaut:
"Und in einer Untersuchung der Fachhochschule Dortmund im Auftrag des Familienministeriums aus diesem Jahr steht: "Gewaltanwendungen, die von Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig." Oft beruhten diese auf einem bestimmten Bild von Männlichkeit sowie der bedingungslosen Verteidigung der Familienehre."
Dieser Absatz enthält zwei gravierende Fehler. Zum einen stammt die Studie der Fachhochschule Dortmund aus dem Jahr 2010. Viel schwerer noch wiegt allerdings die Tatsache, dass Klingst das Zitat so beschnitten hat, dass die ursprüngliche Aussage der Wissenschaftler durch das Weglassen entscheidender Passagen völlig entstellt wird und in der Version des Zeit-Autoren eine komplett andere Botschaft entsteht, die von den zahlreichen rechtslastigen Kommentatoren des Artikels dankend aufgegriffen wird.
Das Originalzitat der Studie (Quelle):
"Die subjektiven Gründe für Gewaltanwendungen, die von den Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig. Neben den migrationsbedingten bzw. sozialstrukturellen Aspekten, wie z.B.Diskriminierungserfahrungen aufgrund der ethnischen und sozialen Herkunft, kommen kulturelle hinzu, wie beispielsweise das Männlichkeitskonzept, Werte wie Solidarität und Loyalität sowie die bedingungslose Verteidigung der Ehre (auch von weiblichen Familienmitgliedern)."
Nicht die Gewaltanwendungen der muslimischen Jugendlichen, sondern deren Gründe sind vielfältig. Die migrationsbedingten bzw. sozialstrukturellen Aspekte, die von der Autoren der Studie an dieser Stelle erwähnt werden, verschweigt der Zeit-Redakteur.
Die Behauptung "Oft beruhten diese auf einem bestimmten Bild von Männlichkeit sowie der bedingungslosen Verteidigung der Familienehre", wird so in der Passage der Wissenschaftler nicht formuliert.
Wie will ein gestandener Journalist wie Klingst diese manipulative Interpretation einer Studie erklären? Bislang hüllt er sich in Schweigen. Die Kommentarfunktion zu seinem Artikel auf Zeit Online wurde eingestellt. Auf Nachfrage erhielt ich bislang keine Antwort der Zeit Redaktion. Mein Zeit Online Account hingegen wurde einen Tag später zum wiederholten Mal gesperrt.
Update 25.9.2015
Auf Nachfrage erreichte mich eine Antwort des Autoren der zitierten Studie, Prof. Dr. Ahmet Toprak:
"Die zitierte Studie ist von mir und Sie haben recht. Der Autor hat einfach verkürzt zitiert. Ich habe bereits mit ihm kommuniziert. Er meinte, dass die Redaktion das Zitat verkürzt hätte. Wir werden am Montag ausführlicher darüber reden. Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Weg finden werden, um das richtig zu stellen."
Kommentare 21
1. mal, du schreibst immer noch in der ZEIT?
Arm...
2.
Ich habe mir diese Sache 12 mal durchgelesen, ich sehe da ueberhaupt keinen Gegensatz, ich meine, als Erbsenzaehler bin ich doch ein wenig geuebt, ein bisserl gekuerzt hat dass der Klingst schon, aber ich kann nicht erkennen dass er gegen Grundsaetze verstossen hat.
Gruss
1."Gewaltanwendungen, die von Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig." (Zeit-Zitat der Studie)
2."Die subjektiven Gründe für Gewaltanwendungen, die von den Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig.(Studie)
1.Gewaltanwendungen sind vielfältig.
2.Gründe für Gewaltanwendungen sind vielfältig.
Außerdem lässt Klingst einen Teil der Gründe einfach weg.
Die Studie stammt zudem aus dem Jahr 2010,nicht 2015.
Got it?
Als Analphabet will ich hier nur sagen:
1.
(objektive) "Gewaltanwendungen, die von Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig." (Zeit-Zitat der Studie)
2.
"Die subjektiven Gründe für Gewaltanwendungen, die von den Jugendlichen muslimischer Herkunft angeführt werden, sind sehr vielfältig". (Studie)
Es macht fuer mich ueberhaupt keinen Unterschied ob die Studie aus dem Jahr 2010 oder 2015 kommt.
Das es zu 1 (a) Gewaltanwendungen Gruende gibt, ist immer klar, da kannst du sogar den Polizeihauptmeister in Bad Tropfingen fragen, ohne Motiv gibt es keine Gewaltanwendung.
Sei es aus Geldgruenden, Eifersucht oder sonstwas...
Got it?
Es macht doch einen Unterschied ob man sagt:
"Gewaltanwendungen sind vielfältig."
oder
"Gründe für Gewaltanwendung sind vielfältig."
Warum bei den gelangweilten jungen Leuten -wie bei den Bankern, wenn es gerade mal passt- die jeweilige Religionszugehörigkeit zu betonen ist, dass erschließt sich mir eher selten; könnte im Positiven wie im Negativen mit den sog. sarrazinesken Genen zusammen hängen.
Menschen, in soziokulturellen engen, grenzwertigen Bedingungen gehalten, sie werden früher oder später die jeweils geltenden Konventionen übertreten, ganz unabhängig von Religion oder anderem, angenisierten Gedöns.
..."Es macht doch einen Unterschied ob man sagt:
"Gewaltanwendungen sind vielfältig."
oder
"Gründe für Gewaltanwendung sind vielfältig."...
Nein, erbsenzaehlerisch sind auch bei "Gewaltanwendungen sind vielfältig." Gruende (Motive) vorhanden.
..."-wie bei den Bankern, wenn es gerade mal passt-"...
Nein, es passt ueberhaupt nicht, die haben ein geregeltes Einkommen, auch wenn ihnen der Job stinkt, aber sie koennen die Freundin in's Autokino einladen, das ist etwas was muslimische Fluechtlinge nicht koennen.
.... ich denke es ist schlichte Ironie, die hier keinen Unterschied erkennt.
Man kann das nicht als Zitat sehen, es ist schlichte Hetze, doch darüber sollte man sich schlicht nicht wundern, den es ist geltendes Prinzip.
So bizarr unsere Gesellschaft agiert, so bizarr biegt sie sich jede Erkenntins zurecht, so lange bis der Zerrspiegel ins eigene Handlungsmuster passt und man beruhigt weiter seine Verbrechen begehen kann.
So gesehen dürfte ein Lohnempfänger der ZEIT kaum noch zu klaren Gedanken fähig sein, soweit sie mit der objektiven real sichtbaren Welt in Zusammenhang stehen, er hat ein verzerrtes Empfinden, die subjektive Brille macht aus dem Subjekt ein Objekt der jeweils lohnzahlenden Instituion - aus dem Mensch wurde ein Nutzmensch.
.... sich darüber noch ernsthaft zu echauffieren, das zeugt von einem unglaublich optimistischen Menschenbild, dazu darf ich Ihnen ganz herzlich gratulieren - bewahren Sie es sich, das macht Vieles wohl erträglicher.
Nun sieh mir das mal nach, wenn ich bei diesem (angeblich) religiös determinierten Regungen immer mal eine etwas zynisch klingende Ironie entwickle.
Das geht von Sarrazin bis zu den diskursiven Erfahrungen in der Beschneidungsdebatte (beispielsweise); und ich frage mich immer, wie das mit den Genen bei Konvertiten funktioniert. Woher wissen die Gene, weiss das broderseitig gern verwendete (Juden)Blut, welche Religion gerade im Kopf des Trägers kreist?
Auf Nachfrage erreichte mich eine Antwort des Autoren der zitierten Studie, Prof. Dr. Ahmet Toprak:
"Die zitierte Studie ist von mir und Sie haben recht. Der Autor hat einfach verkürzt zitiert. Ich habe bereits mit ihm kommuniziert. Er meinte, dass die Redaktion das Zitat verkürzt hätte. Wir werden am Montag ausführlicher darüber reden. Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Weg finden werden, um das richtig zu stellen."
Ich bin wie ein Flitzebogen gespannt was dabei rauskommt.
Ich muss nicht Rechthaben.
;-)
Ich erkläre es mal, wie ich es verstehe.
Aussage Nr. 2: "Gründe für Gewaltanwendung sind vielfältig."...
Heißt, es gibt mindestens 1 Gewaltanwendung, die Gründe dafür sind vielfältig.
Aussage Nr. 1: "Gewaltanwendungen sind vielfältig."
Heißt, es gibt mehr als 1, nämlich viele Gewaltanwendungen.
Das sollten sogar Beutelratten unterscheiden können. ;-)
Ich auch nicht ;) Aber das Blame game wird in der Tat spannend.
Nachtrag:
Martin Klingst hat auf die Kritik reagiert.Hier ein Auszug seines Schreibens:
"Sie haben recht, die Studie von Professor Ahmet Toprak von der Universität Dortmund stammt aus dem Jahre 2010. Dieser Fehler wird korrigiert und ich entschuldige mich dafür.
Was Ihren inhaltlichen Einwand anbelangt, so möchte ich darauf hinweisen, dass ich geschrieben habe, dass die Gründe für Gewaltanwendungen durchaus vielschichtig sind und sich junge muslimische Männer keinesfalls über einen Kamm scheren lassen. Auch an anderen Stellen des Artikels habe ich pauschale Vorwürfe immer wieder relativiert und durchaus differenziert darauf geantwortet."
Hier ein Beispiel von Gewaltanwendung, geschehen am 24.09.2015:
Auf dem Leipziger Messegelände kam es am späten Donnerstagabend zu einer Massenschlägerei zwischen rund 200 Syrern und Afghanen. Dabei wurden laut Polizei mehrere Menschen verletzt. Ein Mitarbeiterin des Roten Kreuzes brach sich beim Weglaufen die Kniescheibe.
Der Streit sei vermutlich von einem 17-jährigen Afghanen ausgegangen, sagte ein Polizeisprecher. Der Jugendliche habe ein elfjähriges Mädchen aus Syrien bedroht. Er soll dabei ein Messer in der Hand gehalten haben.
Als das Mädchen wegrannte und mit ihrem Onkel zurückkehrte, kam es zu einer Rangelei, an der sich in der Folge immer mehr Menschen beteiligten. Sie sollen teilweise mit Latten, Tischbeinen, Bettgestellen und Ästen aufeinander losgegangen sein.
Eventuell könnte man an diesem Vorfall die Interpretationsdifferenzen des Zeit-Zitats überwinden.
"Eventuell könnte man an diesem Vorfall die Interpretationsdifferenzen des Zeit-Zitats überwinden."
Und was sagt Ihrer Meinung nach der Bericht über diesen Vorfall aus?
Ich dachte immer ich bin "Dipl. Prof. Erbsenzaehler", den muss ich wohl an Kami und GSFRB abgeben, mehr als zu einem Referent hat's wohl nie gereicht.
:-(
P.S. mal schauen wie es da weitergeht.
;-)
Und was sagt Ihrer Meinung nach der Bericht über diesen Vorfall aus?
Ich befürchte, dies sind die Anfänge sich ausbreitender Gewalt. Gründe mag es viele geben:
♦ Männerüberschuss bei den Zuwanderern
♦ Genderfreies Bewusstsein
♦ Kulturelle Differenzen
♦ Differenzen der Weltanschauungen
♦ Religiöser Fanatismus
♦ Verteilungskämpfe wg. Wohnungsknappheit
♦ Differenzen wg. der Job-Konkurrenz
Wer diese Fakten nicht ins Auge fasst und perspektivfrei denkt, ist besoffen von seinem Helfersyndrom. Die Linke insgesamt stellt sich dem Problem kaum, sondern denkt nur im Hier und Jetzt und nimmt die Befürchtungen der hier Lebenden nicht allzu ernst. Ich bin ziemlich sicher, dass wir nach der ersten Euphorie ein langes, tiefes Tal politischer und gesellschaftlicher Probleme durchschreiten werden. Ein Ende des Tals ist nicht abzusehen.
Das mental enge Denkschema in rechts und links ist in diesem Fall völlig deplatziert. Flüchtlinge, die aus div. individuellen Gründen nicht integrierbar sind, wird es in jedem Fall geben. Je mehr aber von ihnen in kurzer Zeit kommen, je mehr wird sich automatisch diese Gefahr auch verschärfen - aber eben nicht, weil die Flüchtlinge, Araber, Afrikaner, Muslime usw. sind - sondern weil die ungeheure Masse, die noch immer weiter und weiter anwächst, einfach den Möglichkeiten der Integration mit dem Faktor Zeit nicht standhält.
Es ist also kein Menschen oder Kultur/Religions-Problem, durchaus aber ein Mengen-Zeit-Problem angesichts der Möglichkeiten, was ich sehe. Und wenn man Probleme sieht, gleich den Rechts-Links-Automatismus-Knopf zu drücken, zeigt doch nur, wie ideologisch verblendet man die Sache sehen und damit noch mehr verschärfen kann.
Durch jeden Flüchtling, bei dem die Integration nicht klappt, aber ebenfalls auch durch jeden anderweitig NICHT-Integrierten (Deutsche, Europäer) droht potenziell der Gesellschaft die gleich große Gefahr, wenn Perspektivlosigkeit den Rest des Lebens bestimmt. Wie viele in einer solchen Situation dann eben auch zu kriminellen Überlebensmethoden greifen oder sich aus der inneren und äußeren Not mehr und mehr fundamentalistischem Gedankengut zuwenden, ist zwar noch nicht ausgemacht, aber kann auf keinen Fall per se in Abrede gestellt werden, sondern birgt sogar eine gewisse Logik, wenn manch einer keinen anderen Ausweg sieht. Denn zurück in die Heimat werden die wenigsten können.
Es geht m.E. hierbei also nicht um ein Flüchtlingsproblem, sondern um ein generelles Menschenproblem einer mindestens 3-4 Klassengesellschaft, die Flüchtlinge wie Nichtflüchtlinge betrifft. Aber der ungebremste Strom wird diese Gefahren (neben den Chancen) natürlich rein zahlenmäßig allein verstärken.
So ist das, ganz trocken und absehbar.
Manchmal geht es schneller als man denkt:
..."Am Abend eskalierte die Gewalt erneut: Diesmal hätten sich 70 auf der einen und 300 Menschen auf der anderen Seite gegenübergestanden, sagte der Polizeisprecher. Erst nach mehreren Stunden sei es der Polizei gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen"...
;-)