Im deutschen Lieblingssport war es eine Saison, in der wieder vermehrt der Name Jupp Heynckes fiel. Weil der FC Bayern München vor sich hin kriselte und sich schwertat, einen Trainer zu finden, wurde etwa in der Art gewitzelt: Muss Heynckes das Kabel seines Festnetzanschlusses durchschneiden, um bloß nicht von seinem alten Freund Uli Hoeneß erreicht und verpflichtet zu werden?
Heynckes ist verdienstvolle 79 Jahre alt und hat sich zur Ruhe gesetzt. Hoeneß ist 72 und überaus umtriebig. Zwar hat er seine Wurstfabrik den Kindern überschrieben, aber immer noch sucht er Supermärkte auf, um zu überprüfen, ob die Ware dort angemessen platziert und präsentiert ist. Und bei den Bayern hat er die von ihm selbst installierten Nachfolger im Management sc
agement schon wieder abgesetzt.Im Fußball gibt es eben kein Renteneintrittsalter. Niemand sagt: „Jetzt bin ich Mitte sechzig, das war’s.“ Viele haben auch nie einbezahlt in die Rentenkasse, Jupp Heynckes hat mal verraten, dass er nur etwas mehr als 200 Euro im Monat Rente bekomme, resultierend aus seinen jungen Jahren, als er eine Ausbildung zum Stuckateur absolviert hatte. Aber wer gibt sich mit so etwas Popeligem wie der Altersvorsorge ab, wenn er durch die ewige Boombranche Profisport – Fußball zumal – zum Spitzenverdiener wird?Uli Hoeneß, Martin Kind: Patriarchen, die nicht loslassenDeshalb gibt es im Fußball kein Empfinden für den altersbedingten geordneten Rückzug. Neue Maßstäbe für Agilität setzt gerade der Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind, der 80 geworden ist, aber sich in seinem Nebenjob als Geschäftsführer des Zweitligisten aus Hannover mit unverminderter Hingabe mit der aktiven Fanszene wegen der 50+1-Regelung und eines möglichen Investoreneinstiegs verbal balgt.Kind liefert eine Geschichte des Starrsinns, Uli Hoeneß ebenfalls. Sie sind klassische Patriarchen, die nicht loslassen können. Hoeneß ließ sich vor über 30 Jahren von der Fernsehsaga Der Große Bellheim begeistern. Die Story: Alte Herren, die aus dem Ruhestand zurückkehren und ihre Firma retten. Auf dieser Mission sieht er sich auch. Seine Bayern sind erstmals seit zwölf Jahren nicht Meister geworden – er kann nicht anders, er muss eingreifen. Dass er seinem Verein längst zur Last geworden ist, will er nicht wahrnehmen.Altersgeschichten im Fußball können aber durchaus ihren Charme entwickeln. Wenn sie sich frei von Zwängen entwickeln. Wie bei Friedhelm Funkel. Der hat mal offiziell erklärt, dass er keinen Trainerjob mehr annehmen werde, das war vor ein paar Jahren – jetzt steckt er im zweiten Helfereinsatz. Den ersten in Köln trat er 2021 an, weil er sich in der Corona-Zeit aufgrund eines akuten Mangels an Alte-Herren-Tennisturnieren unausgelastet fühlte. 2024 wurde er für den 1. FC Kaiserslautern schwach, bei dem er schon Spieler gewesen war. Mit 70 Jahren hat er einen Abstieg abgewendet und steht sogar im Finale um den DFB-Pokal. Es wird das einzige Spiel der Saison, in dem eine Mehrheit der Interessierten nicht dem schönen Leverkusener Charmeur Xabi Alonso die Daumen drücken wird, sondern dem leicht verknitterten Herrn Funkel mit dem Vornamen von vorvorgestern.Weil das halt auch das Schöne am Fußball ist: Dass einer mit 70 Jahren sich ins tägliche Getümmel bei seinem Verein stürzt, während im Austragsstüberl des Bundestrainers mit Julian Nagelsmann ein 36-Jähriger sitzt und sich quasi in Altersteilzeit befindet.Placeholder authorbio-1