nachdem vor etwa 12 000 jahren (ende der letzten eiszeit) das zeitalter der domestikation mit dem zähmen weniger kleiner tiere und mit dem anbau weniger kleiner pflanzen angefangen hatte, waren je nach glück und fertigkeit der züchter allmählich aus den wenigen exemplaren kleiner tiere ganze herden großer tiere geworden und aus den begrenzten anpflanzungen oder gärten große felder mit reichen ernten. was anfangs nicht einmal zur selbstversorgung einer kleinen gruppe ausreichte, erwirtschaftete am ende des domestikationszeitalters die lebensgrundlage großer gemeinschaften.
der bruch in dieser erfolgsgeschichte ist die einbeziehung des menschen in die reihe der immer größeren bzw. nützlicheren lebewesen.
im sinne des 'fortschritts' und erfolgs war das kein bruch, kein knick in der entwicklungslinie. es war im gegenteil nur konsequent. es nach der erfolgreichen 'in-wert-setzung' der pflanzen und tiere auch mal mit dem menschen zu versuchen, ergab sich logisch auf der einmal eingeschlagenen straße des erfolgs zu stets höheren erträgen, von zähmung zu zähmung. so gesehen erscheint die tätigkeit des hirten als vorstufe und vorbereitung auf die beherrschung des herdentiers mensch.
allerdings stellte die knechtung und ausbeutung des menschen einen veritablen bruch dar, ein verbrechen in des wortes eigenster bedeutung, das nachträglich auch die ausbeutung der tiere in einem anderen licht erscheinen lässt; die jagd der frühen bogenschützen auf hirsch und reh mündete unter veränderten bedingungen in der menschenjagd.
die metaphorische rede vom 'guten hirten' hat den zusammenhang offenbar nicht begriffen.
der erste gelungene großversuch zur ausbeutung des domestizierten menschen durch eine clique war die erste kleine stadt, der beginn der zivilisation, das modell der nachfolgenden 6 000 jahre, der stolz der zivilisierten welt.
der umschlag geschah nicht aus willkür, aus böswilligkeit gar, sondern aus innerer notwendigkeit. darauf deutet zumindest die parallele entwicklung in weit voneinander entfernten weltregionen. in amerika entstanden dörfer ohne verbindung zu den ersten siedlungen im orient. auch die weiterentwicklung zu städten lief parallel - ohne vorbilder aus der jeweils anderen weltregion.
bei den animalischen ahnen des menschen hatte die rangordnung in den gruppen eine große rolle gespielt. in jenem prozess, in dem der mensch durch viele jahrhunderttausende hin zum menschen wurde, ist ein wesentliches element das schwinden jenes rangverhaltens zugunsten egalitärer und kooperativer umgangsformen in der urgesellschaft.
zu beginn der domestikation kehrt sich die entwicklung um und zeitigt in der zivilisation schließlich wieder deutliche parallelen zu den streng hierarchischen verhältnissen bei den tierischen ahnen. kurz: die rebestialisierung des menschen dauert bereits 12 000 jahre. sie treibt von jahrtausend zu jahrtausend buntere blüten.
(so gesehen ist es erstaunlich, dass es uns noch gibt)
Geschrieben von
h.yuren

Kommentare 5
Ich habe es durchgelesen. Es ist tatsächlich eine andere Art der Herleitung der Begiffe von der Gleichheit und der Ungleichheit des Menschen.
Die Sichtweise der Stadt in dem Blog ist eher negativ ausgeprägt. Wenn ich mich auf Ihre Begrifflichkeiten einlasse, hat dann gerade nicht die Stadt die ganz großen kulturellen Errungenschaften hervorgebracht? Das die Stadt zur
Rebestialisierung geführt hat erscheint mir einer seits schlüssig, andererseits bin ich skeptisch, wenn ich an den deutschen Spruch:"Stadtluft macht frei denke!" Die Stadt war auch ein Hort der Spezialisierung und des Wissens. Ist es denn nicht so, dass dieses Wissen, die Menschen abgesehen von philosoohischen Fragestellungen eher frei gemacht hat? Ein sehr guter Blog, der zum Nachdenken anregt!
Ich bin halt in dieser Materie nicht so gut drauf.
danke für dein anhaltendes interesse, lieber por.
es ist in einem üblichen blog nicht möglich, alles nötige zu schreiben; darum die reihe von blogs, aber die ist sozusagen auch nur im stenogrammstil möglich.
deine frage nach der freiheit in der und durch die stadt führt zu teil 4, den ich noch mache. das betrifft dann auch die rolle der aufklärung in der geschichte. was die geschichte der stadt angeht, habe ich meine wichtigsten informationen vom stadthistoriker lewis mumford.
der "fortschritt" ist gewiss in der stadt zuhause. aber der hat ein doppeltes gesicht. fortschritt in welcher hinsicht?
früher war das leben auf dem lande schwierig, heute ist es eher (zumindest für meine ohren) in der stadt ungemütlich. das netz ist überall auf dem globus. in der stadt sind meist die leitungen leistungsfähiger (für filmdownloads etc.), luxus, den ich nicht brauche.
kontrolle, verrat, verfolgung waren in der stadt unter anderem schon immer "besser". als kind sah ich, dass ein bekannter kommunist sich in der laube seines gartens vor den schergen versteckte, die der kalte krieg losschickte. aber in dem kaff bestand ein großer teil des lehrerkollegiums am städtischen progymnasium aus alten nazis, die da einen unauffälligen unterschlupf gefunden hatten. die gefahr, dass da ein hochhuth oder wallraff einen blick hineinwarf, lag bei null.
Lieber h. yuren,
danke für Deine Antwort. Ich freue mich auf Deinen nächsten Blog!
por
Hallo Helder,
ich kann mich im Grunde por nur anschließen. So schrecklich finde ich das Stadtleben nicht.
Der 'Fortschritt' ist ja auch, was wir (wir Mennschen) daraus machen. Es gibt sicher solche, die es als Fortschritt betrachten, daß heute fast jeder ein Mobiltelefon in der Tasche hat und jederzeit mit jedem anderen Mobiltelefonträger reden kann.
Z.B. die Vesorgung mit Frischwasser, ohne dreimal täglich zum Brunnen laufen zu müssen, finde ich dagegen sehr praktisch, wenn sie auch viel, viel sparsamer gehandhabt werden könnte, so daß nicht nur ein kleiner Bruchteil der Menscheheit diesen Luxus - wie immer - auf Kosten der großen Mehrheit genießen kann.
Ich glaube, daß sie so mancher alte Nazi auch sehr gut auf dem Lande verstecken konnte, nicht nur in der Anonymität der Stadt. Da hatte und hat man doch noch stets dieses Gefühl gehabt: "Das ist einer von uns." Und wer würde "einen von uns" schon verraten?
Insgesamt kommst Du mir oft sehr kulturpessimistisch vor, Helder.
"Always look on the bright side of life ... "
Herzlifch,
I.D.A. Liszt
hallo i.d.a.,
woran machst du meinen kulturpessimismus fest? an der rebestialisierungsthese z.b.?
als schüler war ich mal begeistert von schopenhauer, aber mich plagt kein weltschmerz. kulturkritik ist die sache seit meinem 17. lebensjahr; darum gab es eine schnittmenge mit dem pudelmann.
zur schulgeschichtskritik kam ich erst spät, sozusagen im historischen alter von 50+