Die Mordordnung.

Hierarchie. das urbild der hierarchie oder des befehlsgefälles vom oberbefehlshaber bis zum schützen arsch ist das militär, das noch stets das rückgrat aller gesellschaften bildet.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

wie sich der fortschritt der wissenschaft und weltweisheit in wörterbüchern niederschlägt, demonstriert das wort hierarchie exemplarisch.
in joh. christ. aug. heyse's "Fremdwörterbuch", 20. vermehrte auflage, berlin 1902, steht zu lesen:
"die Priesterherrschaft, das Kirchenregiment; Rangordnung oder Abstufung der geistlichen Würdenträger; auch verallgemeinert auf andere Gewalten, z.B. die politische, militärische Hierarchie;"
über sechs jahrzehnte später schreibt "Der Große Duden, Fremdwörterbuch":
"feste (priesterliche) Rangordnung (z.B. der Priesterstand der kath. Kirche mit 8 Stufen), auch Bezeichnung für die Gesamtheit derjenigen, die in dieser Rangordnung stehen."
ein gutes jahrzehnt darauf heißt es im "Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache", einem werk der akademie der wissenschaften der ddr:
"1. Gesamtheit der Priester, Priesterschaft,
2.strenge Rang-, Stufenordnung,...
zu 2 Beamten-, Feudal-, Gewerkschafts-, Parteihierarchie".


wie sich zeigt, ist die hierarchie der hierokratie zum verwechseln verwandt, im etymologischen sinn von heiliger herrschaft(sordnung).
die lexikographen sind sich über alle grenzen der ideologien und generationen hinweg in der bloß deskriptiven kennzeichnung des begriffs einig. nirgendwo ein kritisches beiwort. im gegensatz zu diderot, dem mann der encyclopédie, wollen die herausgeber nicht erreichen, dass die leser/innen nach dem gebrauch des werks anders denken. vielmehr soll das publikum in dem glauben bestärkt werden, den ein time-life-band über organisation auf diesen nenner brachte:
"Jede Organisation braucht einen Chef ... Es muß jemanden geben, der entscheidet, wer was zu tun hat, wer wem Weisungen erteilen darf und wann was zu geschehen hat... Es muß einen Mann an der Spitze geben, dem die anderen gehorchen."

so banal und selbstverständlich war das thema nach dem milgram-experiment eigentlich nicht mehr abzuhandeln. milgram hatte zweifelsfrei bewiesen, wohin der gehorsam gegenüber autorität führt.

doch der geniale experimentator war ein apologet aller hierarchie. offensichtlich begriff er nicht, was das ergebnis seiner epochalen befunde für die gesellschaft bedeutete, die gesellschaft, die noch immer eine kriegsgesellschaft war. er pflückte zu gern die vorteile der hierarchie und übersah zu gern die "kollateralschäden" der herrschaftsstrukturen.

milgram, o-ton:

ein überblick über die menschheitskulturen zeigt uns klar, dass ausschließlich gelenkte und konzentrierte aktionen die pyramiden errichten, die gesellschaft des antiken griechenland bilden und aus einermitleiderregenden kreatur, die um ihr überleben ringt, den technischen beherrscher des planeten machen konnten.

milgram schiebt die schuld dem befehlsempfänger und willigen vollstrecker zu. da er die hierarchie für wertvoll hält, ja, für überlebenswichtig, kann er nicht den einzigen sinnvollen schluss aus seinen versuchsergebnissen ziehen und sagen und schreiben, sein versuch habe ein für allemal bewiesen, dass die herrschaftsstruktur die wolfsordnung ist, die mordordnung, die opfer und vor allem feinde braucht, die sich aber auch gegen die mitglieder des eigenen rudels richtet, weil sie diese zu gewissenlosen werkzeugen für die höheren zwecke der befehlsgewalt verurteilt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden