imperiale wissenschaft

amerikanistik worte sind die transportbänder von ideen und begriffen. mit gezinkten wörtern ist es wie mit gezinkten karten: sie zielen auf betrug.

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das wörterbuch der ddr (70er jahre) nennt zwei bedeutungen:
"1. Wissenschaft von der Urbevölkerung Amerikas.
2. Wissenschaft von der Sprache und Literatur der Vereinigten Staaten von Amerika."

gegen die erste verwendung des wortes ist nichts einzuwenden, desto mehr gegen die zweite. wie können wir von leuten etwas gescheites erwarten, die mit dem namen ihrer beschäftigung schon gründlich abstürzen? amerika, der doppelkontinent, wird mit dem imperium gleichgesetzt, das auf dem nordkontinent sein staatsgebiet hat. darin steckt schon soviel verzerrte weltwahrnehmung wie möglich.
ein experte auf dem gebiet der amerikanistik muss sich in der höhle des löwen auskennen und wohlfühlen. schon wieder so ein wortlumpen! die höhle des löwen. wer vergleicht denn da den sogenannten könig der tiere mit ratten und karnickeln, die natürlich in höhlen wohnen!
von den größenverhältnissen abgesehen, gar nicht mal so verkehrt wie das bild der usa in der vokabel amerikanistik.
es kommt auf den geschmack der tätigen an. schmeißfliegen mögen anderes als schmetterlinge oder bienen.
und wer so tut, als sei die beschäftigung mit texten wissenschaft in einer kultur, in der die theologen zwar nicht mehr das allerhöchste ansehen genießen, aber doch offiziell als wissenschaftler des geistes gefeiert und bezahlt werden, mag die kunst der buchstabendeuterei ihren anteil am kuchen fordern und bekommen.

neududens drehen lediglich die reihenfolge der stichwörter. an erster stelle die, öhm,
"Wissenschaft von der Geschichte, Kultur, Sprache u. Literatur der USA."
danach folgt "das Teilgebiet der Völkerkunde, das sich mit Geschichte, Sprache u. Kultur der amerikanischen Indianer befasst."
wo gab es noch mal die nicht-amerikanischen indianer, die ihren namen bekanntlich dem irrtum des columbus verdanken und deshalb sakrosankt schon sind.
niemand soll etwas anderes für möglich halten als das, was mit ernster miene staatstragend vorgetragen wird. ist das auch lächerlich, zum lachen ist es zu ernst.
beiden alten wörterbüchern gemein ist der ernst und die humorlosigkeit, mit denen der amerikanistik noch in der wortesammlung allen ernstes gehuldigt wird. einen noch so unscheinbaren hinweis auf die propagandistische verlogenheit im begriff gibt es nicht. die alltägliche gleichsetzung des ungleichen ist längst die norm.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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