Personalwechsel vollzogen

Innere Sicherheit. personalwechsel vollzogen, melden heute mittag die dlf-nachrichten. gemeint ist die absetzung und neubesetzung beim verfassungsschutz (bund) und bei der bundespolizei.

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was vom dlf im neutralisierten redaktionsdeutsch daherkommt, verschweigt ein herrschaftsgebaren, zu dem der innenminister, wie wiederholt betont wurde, befugt ist. er darf missliebige beamte in den vorzeitigen ruhestand oder sonstwohin schicken, ohne ein wort der begründung zu äußern. zwar gibt man zu, es sei nicht ganz in ordnung, dass die geschassten bundespolizisten durch die medien erfuhren, was ihnen blühte.

das vorgehen des innenministers ist eine folge der ubiquitären strukturellen gewalt, die regelmäßig in direkte gewalt umschlägt. du wirst genau wie ich noch deutlich vor augen haben, wie ein anderer minister des amtierenden schwarzgelben kabinetts seinen pressesprecher vor der versammelten mannschaft der pressekonferenz und vor laufenden kameras in die wüste schickte. und es ist noch nicht lange her - nach den für die cdu verlustreichsten wahlen in nrw - , dass die kanzlerin einen ihrer minister (ex-spitzenkandidat der cdu in nrw bei der wahl) ohne viel federlesens aus dem amt jagte.

wie das wort "Personalwechsel" eine neutralistische untertreibung ist, kann die journalistische metapher vom köpferollen nur als übertreibung bezeichnet werden. die these, das ränkespiel bleibe ja innerhalb der politischen klasse und könne otto normale kalt lassen, geht an der wahrheit vorbei, denn das raubeinig sportliche herrschaftsverhalten trifft nicht nur die eliten, die in konkurrenz zueinander stehen, sondern auch, und zwar viel härter, die gesamtbevölkerung. es ist kein zufall, dass etwa 600 000 haushalten in der brd der strom abgeschaltet wurde, vielmehr ist das eine konsequenz der sauber durchhierarchisierten gesellschaft.

wenn an höchster stelle der neue bundespräsident das loblied auf freiheit und demokratie anstimmt, ist das ein ablenkungsmanöver, so überzeugend er auch sein mag. der mann hat gut singen. ein klagelied angesichts der verhältnisse tät seiner spitzenstimmung abbruch. wie aber soll auch ein ehemaliger aufarbeiter der stasiakten und kirchenmann der ddr kapieren, dass die ungleichheit in der ddr nie so groß war wie in der größeren brd? und wer sagt ihm schon, dass das synonym für ungleichheit unmensch ist?

niemand hat so unleugbar die folgen der hierarchie mit ihrer gewöhnung an befehl und gehorsam bewiesen wie stanley milgram, der sozialpsychologe der 60er jahre. schlimm war nur, dass milgram an der traditionellen hierarchie der gesellschaft festhielt, ja, sie nachdrücklich verteidigte, obgleich er der menschheit unter diesen bedingungen nur eine sehr geringe überlebenschance einräumte. war das gewissen des erfolgreichen forschers seinem wissen nicht gewachsen? oder reichte seine phantasie nicht aus, sich eine andere gesellschaft vorzustellen?

die herrschaftsfratze, die milgram durch sein berühmtes experiment nachzeichnete und die sich hierzulande von jahrzehnt zu jahrzehnt unverhüllter zeigt, löst seltsamerweise kein entsetzen aus, nicht in den medien und nicht in der übrigen öffentlichkeit. die macht der gewohnheit und der große trost, seine schäfchen auf dem trockenen zu wissen, könnten's erklären, wenn auch dennoch ein schäbiger rest bliebe.

wer auf wettbewerb und kampfgeist wie im olympischen london und in den bankenvierteln daselbst setzt, weiß, was er will, ohne freilich zu wissen, wohin das unausweichlich führt.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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