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bereits in der urgesellschaft der sammler und jäger gab es anfänge der arbeitsteilung. aber mir scheint, die waren aus der not geboren. während die mbuti im tropischen regenwald in der regel gemeinsam in der nächsten umgebung ihren unterhalt einsammelten und erjagten, undzwar ohne technisches gerät außer pfeil und bogen und netze, brauchten die inuit in der arktischen region unbedingt den hundeschlitten, um das große jagdrevier durchqueren, und wärmende kleidung, um im polarklima überleben zu können. daraus folgte eine strikte arbeitsteilung nach geschlecht. der mann war der "fänger", die frau verarbeitete den fang zu mahlzeiten und kleidungsstücken für alle mitglieder der kernfamilie.
verbunden mit dieser arbeitsteilung, die ja noch horizontal erscheint, war eine wertung der beiden tätigkeitsbereiche. der mann war eindeitig die nummer eins. er war mobil und bewaffnet. die frau hockte in der sommerhütte oder im iglu. bei kindstötungen waren meist mädchen die opfer.

die spätere arbeitsteilung der dörfler und städter wird gewöhnlich als fortschritt gefeiert. das ist aus unserer perspektive verständlich. wer möchte den arzt und apotheker schon missen? ebenso den handwerker und ingenieur.
die alten chinesen, die als daoisten unter dem namen lao-dsi versammelt sind, sahen das anders. sie sehnten sich zurück nach dem einfachen dorfleben ohne juristen und richter, ohne krankenhäuser und schulen. ohne die städtische arbeitsteilung.
sie hassten die eingriffe durch autoritäten. sie meinten die vertikale arbeitsteilung, kurz: die herrschaftliche ordnung.
damit bestimmten sie frühzeitig das grundübel der zivilisation. das gebalge der machtkranken hatte im alten china die gleichen folgen wie überall in der welt. der zeitweilige sieger war nach aller wahrscheinlichkeit der machtkränkste. ein psychopath. kein sachwalter mit augenmaß, geschweige denn mit sachverstand und weisheit.

trotzdem können wir uns keine gesellschaft mehr ohne arbeitsteilung vorstellen. doch wissen wir, welche nachteile schon die horizontale spezialisierung hat. auf der einen seite die fachidioten, die nur noch in einem kästchen bescheid wissen; auf der andern seite die simpel, die am fließband stehen und nur einen handgriff ausführen müssen.
das unheil der vertikalen arbeitsteilung ist unvergleichlich größer, es bedroht mensch und erde.
nicht anarchie oder autarkie verspricht eine lösung der großen probleme, sondern die vernetzung, eine art rückkehr zum frühesten merkmal der menschlichen gemeinschaft, zur mitteilung. sie hat nur vorteile, wie es scheint. sie müsste auf die eine oder andere weise die vertikale arbeitsteilung ersetzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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