Wildwuchs

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

"Wachstum" ist zum zauber- und schlagwort der politischen klasse geworden. doch mögen die macht-eliten auch nach herzenslust eingreifen in die gesellschaftlichen entwicklungen, so löst sich die gesellschaft in gänze und in teilen doch seltenst bis gar nicht aus dem dunstkreis des vom "zufall" gesteuerten wildwuchses.
selbst wo die naturlandschaft längst der kulturlandschaft, ja, der verstädterten region weichen musste, erscheint die umwelt allenfalls an der oberfläche oder auf kurze zeit geordnet. der mensch, der gesetzgeber dieser tapetenordnung, unterliegt noch tag und nacht dem gesetz des dschungels, das heißt, den biologisch unterfütterten impulsen und traditionen.
wildwuchs durch macht-instinkt, durch rangordnung, imponier- und drohgebärde, flucht- und haudraufverhalten bis hin zu mord und krieg kennzeichnet in jeder hinsicht den fußabdruck des menschen auf der erde, des beherrschers des planeten.

in zwei bereichen ist der wildwuchs mit händen zu greifen, um nicht zu sagen: greift der besonders durch bis ins eingemachte:
a) in der reproduktion des menschen, die nicht eben jedem neuen erdenbürger zu seiner besten förderung und reifung gereicht, die vielmehr vor allem zum exponentiellen wachstum der weltbevölkerung führt mit allen vorherseh- und nachweisbaren folgen;
b) in der globalisierten marktwirtschaft, die allein von der profitgier und der illusion grenzenlosen wachstums vorangetrieben wird, teils aber auch von der nachfrage, die durch das wachstum der weltbevölkerung verstärkt wird.

der mangel und oft genug auch die blanke abwesenheit von vernunft und gewissen im bezirk der reproduktion und dem der ökonomie können der menschheit angesichts der unleugbaren und längst spürbaren grenzen des wachstums nicht den weg in eine gute zukunft ebnen. im gegenteil. der wildwuchs wird mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit zu weiteren kriegsserien und katastrophen führen. mit erahnbaren folgen.
falls die generation, die kassandrisch bereits zur ersten enkelmordenden ausgerufen wurde, die generation der jetzt aktiven erwachsenen den kindern und enkeln, die meist noch mit natürlicher zuversicht dem leben entgegensehen, nicht bloß schuldengebirge und umweltzerstörung hinterlassen will, ist der wildwuchs besser heute als morgen durch "gartenarbeit" zu ersetzen.
ein herkuleswerk muss dem aber voraufgehen: die bewohnte erde ist in einem verwaltungsakt ohne vorbild in überschaubare parzellen oder gärten einzuteilen; diese regionalisierung der welt setzt den abschied vom prinzipiell imperialistischen gemeinwesen der staatskonstruktion voraus. das heißt nicht rückzug in die idylle, sondern verständigung und zusammenarbeit im weltweiten netzverbund der regionen ohne legionen.
wenn das im ansatz gelänge, wären die ökologisierung der wirtschaft und der blühende kindergarten für jedes kind schon kein problem mehr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden