Zeitgeist

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dubioses destillat, gewonnen aus einem datengebräu über aktionen, einstellungen, ausdrucksformen und verlautbarungen einer epoche.
je nach geschmack, geschick und technischem apparat des alchimisten fällt das produkt unterschiedlich aus.

so informiert der brockhaus der 50er jahre über das lemma:
"die sich in den Erscheinungen eines Zeitalters offenbarende Gleichartigkeit der geistigen Haltung, des Stils, der Lebensform und Ideen; bes. im dt. Idealismus und in der Romantik so genannt. Der Z. ist Forschungsgegenstand der Geistesgeschichte."

das "Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache" (ddr)aus den 70er jahren definiert:
"die für einen bestimmten geschichtlichen Zeitraum charakteristische Gesinnung, geistige Haltung (der herrschenden Klasse)."

dem neuen duden ist zu entnehmen:
"(o.Pl.) [1769 erstmals bei Herder]: für eine bestimmte geschichtliche Zeit charakteristische allgemeine Gesinnung, geistige Haltung."

wer von wem abgeschrieben hat, interessiert hier nicht.
der zusatz in klammern im wörterbuch der ddr muss auch nicht erklärt werden.
der hinweis in runden klammern im duden "(o.Pl,)", d.h. ohne plural, ist fragwürdig, denn ganz zweifellos gibt es unterschiedliche zeitgeister, objektiv, weil sie verschiedenen zeitaltern zugeordnet sind, subjektiv, weil (s.o.) blickwinkel und phantasie des betrachters jeweils ein anderes bild, sprich: einen anderen zeitgeist, ergeben.

die nicht zu übersehende verwandtschaft mit der veröffentlichten meinung, mit korpsgeist, weingeist und anderem ungeist, mehr noch seine entstehung oder besser: fabrikation stempeln den zeitgeist zum dubiosen destillat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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