Ablasshandel 2.0

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands hat mir ein "Gutscheinheft" zugeschickt, einzulösen bei ihrer Aktion "Klimawandel - Lebenswandel 2011". 24 Postkarten mit 24 Ideen zum häuslichen CO2-Sparen. Erfüllte Sparaufgaben können auf den Karten vermerkt werden und an die kirchliche Kampagnenstelle in Erfurt zurückgesandt werden. Dort gibt es am Erntedank-Tag 2011 "besonders klimafreundliche Preise" zu gewinnen.

http://static.twoday.net/gruenkern/images/klima.jpg

Wenn die Postkarte im Kasten klingt,
die CO2-Seele in den Himmel springt!


Schauen wir mal, welche Aufgaben ich erfüllen kann:

1. Kein Mineralwasser in PET-Flaschen kaufen - kann ich mir eh nicht mehr leisten. Ja schön, aber kein Einspar-Effekt.
2. Freitags kein Fleisch essen, eine Möglichkeit.
3. Nur noch Bio-Obst und -Gemüse kaufen? Viel zu teuer.
4. Keine Fertig-Mahlzeiten kaufen, im Ein-Personen-Haushalt zeitaufwendig und mit mehr Abfall verbunden.
5. Stromanbieter wechseln? Die Stadtwerke sind zwar teuer und finanzieren Lustreisen der Oberbürgermeisterin, aber ich glaube (!) immer noch an das versprochene Laufwasser-Kraftwerk an der Saale.
6. Standby-Geräte über abschaltbare Steckerleisten vom Netz trennen - längst geschehen, kein zusätzlicher Einspareffekt.
7. Als "Energiespar-Detektiv" zweimal täglich Streifengänge durch den ganzen Block unternehmen? Au ja!
8. Bei Arbeitspausen am PC den Monitor abschalten? Das macht das schlaue Ding schon selbst.
9. Den Kindern den Zweit-Fernseher wegnehmen? Ich habe weder das Eine noch das Andere.
10. Statt bei 60 Grad nur noch bei 30 Grad waschen? Um dann mit Flecken und Grauschleier dumm dazustehen? Eher nicht.
11. Keinen Wäschetrockner verwenden - besitze ich gar nicht, also auch kein Einspareffekt.
12. Weniger Rasenmähen, ja gerne, nur habe ich überhaupt keinen Rasen.
13. Hände nur noch mit kaltem Wasser waschen? Wie unangenehm und unhygienisch.
14. Energieberater ins Haus holen? Der würde sich totlachen über den unsanierten DDR-Plattenbau mit den unregelbaren Heizungen, ungedämmten Wänden, den undichten Fenstern und Türen.
15. In moderne Zentralheizungs-Pumpen investieren? Der Vermieter würde sich freuen.
16. Heizungstemperatur um 3 bis 5 Grad absenken? Geht nicht, die alten Blechkästen heizen immer "volle Pulle".
17. Mobil ohne Auto - schwierig und immer teurer, aber eine Möglichkeit.
18. Mehr Reifendruck aufs Auto, ja was denn nun?
19. Niedertourig im höchstmöglichen Gang fahren? Die Kirche scheint mit dem Autofahren Probleme zu haben, Bischöfin Käßmann sei's geklagt.
20. Ohne Torf aus dem Baumarkt gärtnern? Ich habe eh nur ein paar Topfpflanzen und die gieren jährlich nach Blumenerde.
21. Beim Einkauf Plastiktüten empört ablehen? Die brauche ich als Mülltüten.
22. Aluminium tötet den Regenwald! Darum setzte ich es auch nur sparsam ein, möchte aber auf die Alufolie von der Rolle nicht ganz verzichten.
23. Nur noch Recyclingpapier verwenden. Das bröckelt und staubt mir zu sehr.
24. Bürobedarf beim klimaneutralen Versender kaufen - zu teuer.

Um wirklich etwas für meine persönliche CO2-Bilanz zu tun, müsste ich mich wahrscheinlich mit unserem Vermieter anlegen, der städtischen Wohnungsgesellschaft. Kommunaler Klimaschutz ist in westdeutschen Städten ein großes Thema, im Osten scheint er noch nicht angekommen zu sein. Ob es da hilft, ein Stoßgebet auf einer Postkarte an die kirchliche Kampagnenstelle zu schicken?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden