... aber mit brauner Soße, bitte!

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So erfreut ich über die Berichterstattungen der letzten Tage und Wochen bin, umso so ratloser werde ich. Woher kommt diese plötzliche Wunderheilung. Wieso können die Behörden und die großen Medienhäuser plötzlich wieder auf dem rechten Auge sehen? Wieso sieht man plötzlich das, was viele Menschen in der Gesellschaft auch schon vorher gewusst oder zumindest geahnt haben?

Was hat man denn bitte erwartet, nachdem man nach dem Zweiten Weltkrieg die "ehemaligen" Täter zu einer Art unverzichtbaren Elite erklärt und in die "neuen" Sicherheitsstrukturen der BRD integriert hat? Dieser Personenkreis mag heute zum größten Teil verstorben oder in Pension sein, aber gesinnungstreue Nachfolger konnten sie in den Jahren nach dem Krieg garantiert installieren. Es wäre sehr naiv zu glauben, dass diese Menschen plötzlich ganz humanitär, tolerant und friedlebend geworden sind.

Vieles wird in den letzten Tagen "aufgedeckt", was man als aufmerksamer Beobachter schon vorher geahnt oder gewusst hat. So wird schon sehr lange die braune Familienkartoffel von Organisationen kritisiert, die sich aktiv gegen Rechts engagieren. Schon lange wird fälschlicherweise "Linksextremismus" mit "Rechtsextremismus" gleichegesetzt, obwohl der "linke Terror" allerhöchstens als Sachbeschädigung eingestuft werden sollte. Es könnten gar nicht genug Autos brennen, um "linke Gewalt" mit nur einem einzigen rechtsradikalen Mord gleichsetzen zu können. Leider gab es aber weit über 150 (gezählte) rechts-motivierte Morde in den letzten 20 Jahren.

Manche Fakten überraschen dann aber doch und zeigen, dass es sogar schlimmer als befürchtet war. Diese V-Leute zum Beispiel. Der Einsatz von V-Leuten war mir natürlich bekannt. Nur dachte ich, dass es eingeschleuste Menschen gewesen seien. Und nicht etwa - wie jetzt bekannt - hochgradige Nazis, die man auch noch mit Staatsgelder unterstützt hat, damit sie wie z.B. in NRW überhaupt erst eine NPD aufbauen konnten!

Nun fordert man also ein NPD-Verbot. Vermutlich braucht man die V-Leute - sowie die Wähler - für die neuen rechten Parteien. "Pro Deutschland" oder "die Freiheit" zum Beispiel. Man könnte sie natürlich auch als Blogger einsetzen. Für "Politically Incorrect" zum Beispiel. Warum noch unnötig Geld in Antisemtismus, Ausländerfeindlichkeit und Homophobie investieren, wenn es das gleiche Angebot mittlerweile auch ohne Antisemitismus und mit nur einem Hauch von Homophobie gibt. Volle Konzentration auf den Antiislamismus, könnte man zynisch anmerken. Weg mit den dumpfen, kahlköpfigen Antisemiten, wenn man auch "zivilisierter" erscheinende Rassisten fördern kann!

Heute sorgt in einem kleinen bayrischen Kaff das aktuelle "titanic"-Cover für großen Wirbel. Plötzlich ist der rechte Nippel unserer Bullerei so sensibilisiert, dass er auf jeden kleinsten Verdacht anspringt. Man ermittelt gegen einen ironischen Plakatkleber. Selbst nachdem die Polizei endlich die Satire erkannt hat, hat man die Suche nach dem Täter nicht eingestellt. Ein Richter soll dann gegebenenfalls entscheiden, ob das lustig war oder kriminell.

Und hier offenbart sich das eigentliche Problem dieser Tage. Man fühlt sich einerseits bestätigt und hofft auf Aufklärung dieses Skandals. Gleichzeitig muss man bereits den Missbrauch dieser Schlagzeilen fürchten. Schnell lag wieder die Vorratsdatenspeicherung auf dem Tisch des Innenministers. Das ist derselbe Versuch wie damals mit den Kinderschändern. Klar ... jeder würde einen härteren Kampf gegen Rechts und gegen Vergewaltiger befürworten. Alles andere wäre auch unmenschlich. Aber wenn man dann liest, wie die Polizei jemanden jagt, der satirische titanic-Cover in der Stadt aufgehängt hat, die man auch an jeder Kiosk-Wand sehen kann, dann darf man bezweifeln, dass die Vorratsdatenspeicherung klug und nur gegen die wirklich "gefährlichen" Subjekte innerhalb dieser Gesellschaft genutzt wird.

Werde ich z.B. meinen "Spiegel" weiterhin in der Berliner U-Bahn lesen dürfen, wenn das Ausstellen eines Hitler-Portraits zu Ermittlungen gegen mich führen könnten? Immerhin ist Hitler regelmässig der Spiegel-Boy des Monats und ziert - gefühlt in jeder zweiten Ausgabe - das Cover des Blattes. Was mir schon oft sauer aufgestossen ist, wenn ich meinen Spiegel vor ausländischen Touristen in der U-Bahn ausgepackt habe. Oft schlage ich den Titel des Spiegels schon vor dem Verlassen des Hauses um, damit ich es nicht erst in der Bahn machen muss.

Ich hoffe jedenfalls, dass Satire auch noch in Zukunft legal sein wird und man den braunen Sumpf im Gegenzug trocken legt. Bis in die letzten Winkel dieser Republik.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Harm

queer dissenting artist - twittert unter @HarmNeitzel

Harm

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