Treten statt vertreten

„Homosexuelle in der AfD“ Die Partei hetzt gegen Lesben und Schwule. Da hilft auch kein Feigenblatt
Ausgabe 18/2019
Und komm mir jetzt bloß nicht mit der Weidel!
Und komm mir jetzt bloß nicht mit der Weidel!

Foto: Imago Images/IPON

Was kann der Sexualität von Kaninchen Schlimmeres passieren, als dass der Papst seine Anhänger davor warnt? Womöglich nur, dass die AfD sie zum Vorbild für ihre Politik nimmt. Weil der Berliner Abgeordnete Kay Nerstheimer vor drei Jahren Homosexuelle als „widernatürlich“ und „degenerierte Spezies“ bezeichnete, wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt. Im März bestätigte das Berliner Landgericht das Urteil, gegen das Nerstheimer in Berufung gegangen war. Nach der Verurteilung blieb er bei seiner Ansicht: „Im Sinne der Biologie ist das nicht, das sagt einem jeder Kaninchenzüchter.“ Nerstheimer muss nun 5.000 Euro Strafe zahlen. Er will in Revision gehen. Bei seiner Verhandlung ließ er sich von dem Anwalt und sächsischen Parteikollegen Roland Ulbrich vertreten, der in einem Beweisantrag erklärte, es wäre eine „wissenschaftlich vertretbare These“, dass Homosexualität widernatürlich sei.

Dass die AfD eine homophobe Partei ist, ist nichts Neues. Dass die AfD mit Alice Weidel eine lesbische Fraktionsvorsitzende gewählt hat, hält die Partei nicht davon ab, bis heute nur selten gegen homophobe Ausfälle vorzugehen. Zwar distanzierte sich Weidel von Nerstheimer und legte den Parteiausschluss nahe. Da Nerstheimer Widerspruch einlegte, liegt der Fall nun beim Bundesparteigericht der AfD vor und ist noch nicht rechtskräftig. Nerstheimer verzichtete schließlich freiwillig auf seine Fraktionszugehörigkeit im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Fall zeigt erneut, dass weite Teile der Partei homophobe Volksverhetzung offensichtlich billigen.

Mirko Welsch, früher Bundessprecher der „Homosexuellen in der AfD“ (über Schwule und Lesben hinaus gibt es dort keine sexuellen Minderheiten), warf schon vor zwei Jahren hin. Um den parteiübergreifenden Emanzipationskampf ging es aber auch ihm nicht. So hatte er etwa den Grünen-Politiker Volker Beck im Rahmen einer Rede zum Internationalen Tag gegen Homophobie als das „Krebsgeschwür der Schwulenbewegung“ und den Lesben- und Schwulenverband als „linksgrüne Parasiten“ bezeichnet. Parteiintern wurde Welsch aber nur für seine öffentliche Ablehnung des Höcke-Flügels angegriffen. Wegen diesem trat er vor zwei Jahren aus. Wer sich als Schwuler zu Höcke bekenne, sagte er danach, „bei dem muss ich am gesunden Menschenverstand zweifeln“.

Seitdem ist die Möchtegern-Homolobby der AfD keineswegs tot. Schon vorher spaltete sich die „Schwul-Lesbische Plattform“ ab, ein Sammelbecken für Anhänger des rechtsnationalen Flügels. Heute heißt die Vertretung „Alternative Homosexuelle“ und positioniert sich gegen gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht. Ihre Existenzberechtigung zieht die Vertretung offenbar vor allem aus der Hetze gegen Muslime. Derweil konstruiert Nicole Höchst, Schirmherrin der Vereinigung, öffentlich einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie und sieht in Gleichstellungspolitik einen Arbeitszwang für Frauen. Die „Alternative“ tritt mehr gegen Homosexuelle, als dass sie sie vertritt.

So widersprüchlich, wie eine Homo-Interessenvertretung und eine Homophobie tolerierende lesbische Parteivorsitzende in der AfD auf den ersten Blick wirken, so widersprüchlich ist beides bei weitem nicht. Weidels sexuelle Orientierung bringt Schwulen und Lesben in der Partei ausreichend Signalwirkung, sie kann so immer als Rechtfertigung für die eigene Mitgliedschaft herangezogen werden, wenn es in Partei und Basis wieder homophob brodelt. Die Homosexuellenvertretung selbst aber hat vor allem einen Hauptzweck: Sie eignet sich dafür, nicht nur die blonde deutsche Frau, sondern auch Homosexuelle als Opfer einer vermeintlichen Islamisierung heranziehen zu können.

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Geschrieben von

Helke Ellersiek

Freie Journalistin. Leipzig, Köln, Berlin.Twitter: @helkonie

Helke Ellersiek

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