Bauchnabel Lampedusa

Eurozentrismus. Gibt es tote Bootsfluechtlinge nur vor Lampedusa? Haben nur Europaeer ein Problem mit "illegalen" Migranten? Einige provokative Erfahrungen und Daten von den Antipoden.

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Australien ist ein Einwanderungsland. Bei ca. 24Mio Einwohnern koennen pro Jahr ca. 130.000 Menschen legal einwandern. Mal grob auf Deutschland umgerechnet, muesste D jaehrlich ne halbe Million legaler Einwanderer zulassen.
(Das sind globale Zahlen, die beispielsweise Familiennachzug, Asyl, etc. einschliessen.)

Kommt hinzu: nur wenn es eine legale Migration gibt, kann es auch eine illegale Migration geben. Logisch.

Wie's in Australien zugeht.

Legale Migration nach Australien erfordert einen laenglichen Papierkrieg, der etwas abgekuerzt werden kann und billiger ist, wenn der Antrag vom Ausland aus gestellt wird.

Legale Migration ist in Australien akzeptiert. Die grossen Bergbau-Unternehmen wuerden gern die Einwanderungsquoten erhoehen, weil Migranten eher bereit sind, die harten Arbeitsbedingungen in den grossen Tagebau-Betrieben in West Australien zu akzeptieren. (Es geht dabei nicht um Bezahlung. Die ist immer gleich und sehr gut. Die Arbeitsbedingungen in den Mienen schrecken Einheimische ab.)

Illegale Migranten werden hier als Leute gesehen, die sich vordraengeln wollen. Damit machen sie sich unbeliebt und werden von der Mehrheit der Bevoelkerung nicht akzeptiert. In den vergangenen Jahren sind jeweils ca. 3000-5000 Illegale auf Booten nach Australien gekommen. In diesem Jahr hat sich die Zahl verzehnfacht.

Das macht aber deutlich, dass nicht die illegalen Migranten das Problem sind, sondern die Menschenschmuggler (people smuggler), die immer mehr Booten losschicken. Viele Leute verdienen daran, vor allem natuerlich die Menschenschmugglern selbst, aber auch korrupte Beamten, Leute, die Boote aufkaufen etc.
Kurz es geht um business. Die Migranten "kaufen" den Schmugglern ab, dass man sie nach Australien bringen wird. Da die Kaufpreise sehr hoch sind, boomt das Geschaeft.

Die australische Regierung versucht daher, das Geschaftsmodell der Menschenschmuggler kaputt zu machen.
Um das zu erreichen haben die unterschiedliche Parteien und Regierung unterschiedliche Strategien entwickelt, manche unerfreulich, andere lediglich problematisch usw. Manches funktioniert, anderes nicht. Eine endgueltige Loesung gibt es nicht. Doch die politische Fokussierung auf das Geschaeftsmodell der Menschenschmuggler und ihrer Helfer hat bereits die Zahl der Boote verringert.

In Europa ist man von einer solchen Politik noch weit entfernt.
Man kann das Ertrinken von Bootsfluechtlingen aber nicht verhindern kann, solange das Geschaeft der Menschenschmuggler so floriert wie gegenwaertig. Die Migranten kaufen den Schmugglern ab, dass man sie per Boot nach Europa bringen wird. Ueber Risiken wird dabei geschwiegen.

Das "Eindaemmen" der "illegalen" Zuwanderung, wie das in
Europa derzeit Gesetz ist, kann nicht funktionieren, solange das Geschaeft der Menschenschmuggler boomt. Das muesste selbst ein CSU Inneminister einsehen koennen.

Die Ursache der Migration, die unterschiedlichen Lebensbedingen auf der Welt, zu beseitigen ist unrealisitsch.
Dazu waere eine Umverteilung des Reichstums erforderlich, wodurch die erste Welt ihren Lebenstand um (geschaetzte) 60% absenken muesste. Eine solche Entwicklung kann man wuenschen aber nicht erwarten. Das muesste auch ein human-rights-Aktivist einsehen koennen.

Was tun?
Erstens. Trotz der verbreiteten Fremdenfeindlichkeit in Europa muessen Migrationsquoten eingefuehrt werden, so dass Zuwanderer eine realistische Chance haben, legal einzuwandern und nicht auf die Boote muessen.
In Australien funktioniert das doch auch. Aus Indien beispielsweise kommen derzeit fast nur noch legale Migranten.

Der zweite wichtige Schritt, waere das Geschaeftsmodell der Menschenschmuggler und ihrer Helfer zu stoeren bzw. zu zerstoeren.
Das ist schwierig aber machbar. Die Politik muss das wollen, trotz aller diplomatischen und vorallem oekonomischen Widerstaende.

Letztendlich ist dieser Weg auch im Interesse, der Menschen die nach Europa wollen. Bis jetzt glauben diese Migranten den Versprechungen der Menschenschmugglern, bezahlen viel Geld und am Ende ertrinken viele von ihnen irgendwo im Mittelmeer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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