Ist ein Frieden in Syrien noch moeglich?

pax russiana? Die Welt tut nichts. Der Bürgerkrieg dauert an. Assad ist noch im Amt. Die Gepräche in Genf stagnieren. Russland bombardiert Krankenhäuser. Assad foltert. Bomben fallen

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Das ist die Lage, glaubt man den deutschen Medien, die mehr an Frontberichterstattung als am Frieden interessiert scheinen. Verstaendlich. Die Auflage, das Geld.

Doch es gibt seit Mitte 2015 einen Friedensplan fuer Syrien, der parallel zum Iran Nuklear Abkommen zwischen den Grossmaechten (US, Russ, Chin, GB, F, D) verabredet wurde. Eingebunden war auch eine Regelung des Ukraine Konflikt.

"Verlierer" waren die Tuerkei, Saudi-Arabien und die Ukraine, die im vergangenen Jahr vieles versucht haben, um den Friedensplan zu sabotieren.

Ohne in Einzelheiten zu gehen, viele Elemente des Plans wurden umgesetzt: die militaerische Einbindung Russlands, die Friedenskonferenz zwischen allen Beteiligten, die Konzentration auf die Bekaempfung der Islamisten IS und Al-Nusra-Front, die Befriedung der Krim.
(Die urspruenglich wohl nicht vorgesehene Beteiligung der Kurden am Friedensprozess, hat die Umsetzung befoerdert.)

Die Verlierer, Tuerkei und Saudi-Arabien spielen in Syrien fast keine Rolle mehr. Die Ukraine hatte lange den status quo akzeptiert.

Soweit so gut.

Probleme gab's von Anfang an mit den USA, deren Position in Westasien widerspruechlich war. Bereits Anfang 2014 hatte Stratfor, Sprachrohr der US Geheimdienste, diese Einschaetzung lanciert:

The United States may be leading the ill-fated peace conference to reconstruct Syria, but it doesn't really have any strong interests there. The depravity of the civil war itself compels the United States to show that it is doing something constructive, but Washington's core interest for the region at the moment is to preserve and advance a negotiation with Iran. This goal sits at odds with a publicly stated U.S. goal to ensure al Assad is not part of a Syrian transition, and this point may well be one of many pieces in the developing bargain between Washington and Tehran.

Eineinhalb Jahre spaeter, kurz nach dem Abschluss des US-Iran Abkommens, hat Stratfor genau diese Einschaetzung kommentarlos wiederholt. (Auch eine Moeglichkeit, die Syrien Vereinbarung der Grossmaechte zu kommentieren.)

Ein weiteres Jahr spaeter zeigt sich nun, dass die USA tatsaechlich nur an besseren Geschaeften (bargains) mit dem Iran interessiert waren. In Syrien dagegen, "the US doesn't have any strong interests".
Assad, Russland und Iran (+Kurden) muessen inzwischen den Boden-Krieg gegen die Islamisten, mit gelegentlicher Luft-Unterstuetzung und unter den wachsamen Augen der anderen Beteiligten am Friedensplan, zu Ende fuehren.

Ein solches Ende ist nicht nur moeglich, sondern sehr wahrscheinlich. Die Situation der Gegner des Friedensplans ist naemlich hoffnungslos.

In der Tuerkei konnte Erdogan den islamistischen Putsch nur mit Hilfe der sekularen Kemalisten beenden und hat anschliessend die islamistische Infrastruktur der Tuerkei blindwuetig zerschlagen. Jetzt versucht er sich auch noch bei den Russen anzubiedern. Das alles hat seinen sunnitisch-aristokratischen Geldgebern am Golf sicher nicht gefallen.
Zudem kann Erdogans sein wichtigstes politisches Ziel, die Kurden zurueckzudraengen, nicht mehr erreichen.

Saudi-Arabien musste die Unterstuetzung des IS aufgeben, um wenigstens in Jemen-Krieg mit einem blauen Auge davon zu kommen. (Dazu muesste man viel mehr sagen, lass ich aber.)

Die "Rebellen" haben die Chance, am Friedensprozess beteiligt zu werden, verspielt und sind kurz vor dem militaerischen Ende. Sie versuchen noch durch Medienkampagnen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren (Giftgaseinsatz, humanitaere Katastrophe, Folter duch das Regime), ihre Position zu verbessern. Durch die Integration der islamistischen Nusra-Front, sind die Rebellen allerdings selbst zum legitimen Ziel von Luftangriffen geworden und haben die Unterstuetzung der USA endgueltig verloren. Trotz aller russischen Waffenstillstands-Angebote wollen sie jedoch (noch) nicht aufgeben.

Die Islamisten ziehen sich langsam aus Syrien zurueck.

Die Kurden haben die politische Konstellation clever genutzt, um ihr Gebiet an der Suedgrenze der Tuerkei zu konsolidiert. Wer sollte sie noch daran hindern? Im gegenwaertigen Uebergang versuchen sie zudem, mit Hilfe der US-Air Force, den IS aus der Enklave Mossul vertreiben, um so ihr "Staatsgebiet" zu arrondieren.

Einschub eins: Die Situation der Zivilbevoelkerung

Die bisherigen politischen Einschaetzungen vernachlaessigen (mal wieder) die Leiden der Zivilbevoelkerung in den umkaempften Gebieten, die von der jeweiligen Eroberern als Geiseln genommenwerden. Daran kann ich hier nur erinnern.)

Ende Einschub1

Einschub zwei: Die Situation in der Ukraine.

Eine aehnliche Entwicklung wie in Syrien gibt es in der Ukraine, dem zweiten Konflikt, der 2015 in Wien "geregelt" wurde. Die isolierte Regierung in Minsk versucht seit einiger Zeit, den latenten Krieg im Osten zu reaktivieren und den Krim Konflikt wieder anzuheizen. So koennte eine "David gegen Goliath" Konstellation entstehen. Dieses Projekt wird scheitern, da niemand ein Interesse an einem militaerischen Konflikt mit Russland hat.

End Einschub2.

Die neuesten Entwicklungen stuetzen die bisherige, eher generelle Analyse.

Deutschland ist Erdogan durch die BND Einschaetzung, die Tuerkei unterstuetze Islamisten, zu Hilfe geeilt. Diese Einschaetzung des BND stammt zwar aus der Zeit vor dem Putsch und bezieht sich hauptsaechlich auf die Hamas.

Dennoch werden die Gelder aus den Emiraten wohl wieder in die (zumindest ein bisschen) islamistische Tuerkei (Made in Germany) fliessen.

(Hamas ist wohl tatsaechlich aus dem iranisch-shiitischen Lager ins sunnitische gewechselt. Das zeigt ein Bericht der Jerusalem Post ueber die Ausweisung der Hamas aus dem Libanon, der gleichzeitig mit der Deutschen Einschaetzung der Tuerkei veroeffentlicht wurde.)

Unterdessen setzt China seine wirtschaftlichen Investitionen in der Ukraine und Westasien fort. Neuerdings will China aber auch "mitsiegen" und bietet Assad militaerische Hilfe an.

Russland baut seine militaerisch Einfluss auf Westasien aus und bezieht auch Iran offiziell in den Krieg mit ein.

Die anderen Partner der Syrien-Vereinbarungen (GB, F, D) von 2015 halten sich sehr zurueck. Nur Herr Steinmeier kommentiert gelegentlich humanitaer und macht undurchfuehrbare Vorschlaege (Luftbruecke), die von den Medien dankbar aufgegriffen werden.

Fazit: Die beiden Buergerkriege vor der europaeischen Haustuer werden unter der Regie Russlands bis zum Ende des Jahres wohl beendet.

Nach der Selbstisolation der USA kuendigt sich eine pax russiana an.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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