Religion, Kultur und das liebe Geld

Die ISIS Barbaren zertrümmern alte Skulpturen in Mosul und planieren Ausgrabungen in Nimrud: Der Koran verbietet Götzen-Bilder! Die Zivilisation reagiert mit Entsetzen! Warum eigentlich?

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Mitte des 19. Jahrhundert wurden alte Religionen als "Kulturen" umgedeutet, deren Reste man nicht laenger zerstoeren duerfe. Archaeologisch Ausgrabung und Konservieren wurde als Zeichen von Zivilisation verstanden. Heute ist das Bewahren von Kulturguetern selbstverstaendlich.

Gegen diese Regeln zu verstossen ruettelt an den Grundfesten zivilisierter Gesellschaften, ist ein Skandal wie das Pupen bei Tisch.

Das die Moerderbande ISIS sowas macht (nein, nicht das Pupen, sondern das Kaputthauen von kulturellen Artefakten des 9. Jahrhunderts BC) ist im Grunde keine Ueberraschung. Die kuemmern sich auch sonst um nix.

Die halten sich selbst fuer die creme de la creme und kennen sonst nur Unglaeubige.

Das Video der Demolierungen in Mosul sieht zwar schlimm aus. War's aber gar nicht. Das Museum hatte naemlich ueberwiegend Gipsabdruecke der Originale ausgestellt, sagt eine einschlaegig informierte Archaeologie-Professorin im BBC Interview. Man kann's auch selber sehn, weil's naemlich ziemlich staubt wenn die ausgestellten Gipsmaenner kaputt gehen.

Das war kein Zufall oder Bloedheit wie es scheint, sondern clevere Promotion. Fuer kulturelle Altertuemer gibt's schliesslich einen Markt. Im Video konnten potentielle Abnehmer sehen, was die ISISe so alles im Depot haben. Mit kleineren Exponaten war der Markt laengst angefuettert worden. Jetzt gings um die teuren, schwere Sachen, fuer deren Transport man einen Tieflader braucht. (Damit kann man beispielsweise einen Panzer anliefern und auf dem Rueckweg einen echten Steinmann aus dem 9. Jahrhundert BC mit nehmen.)

Solche Geschaeftsverbindungen stehen natuerlich nicht in der Zeitung (und auch ich kann meine Quellen nicht offenlegen). Offiziell wird selbstverstaendlich behauptet, die ISISe koennten die subtile Differenz zwischen Religion und "Kultur" nicht einsehen.
Die Skulpturen muessten zerdeppert werden, weil sie einst eine gotteslaesterlichen Religion repraesentierten. Fertig.

Lukrative Geschaefte mit religioesen Aufputz sind nicht neu. Das gab's schon das haeufiger. Ein paar Beispiele.

Moses, als er von seiner Bergwanderung zurueckkam, hat gleich ein goldenes Kalb zerdonnert, um seine tanzwuetigen Stammesgenossen zur Raison zu bringen.
Was mit dem Bruchgold spaeter passierte, darueber schweigt die Schrift.
Auch nach der Eroberung Jerichos durch ihre akustische Wunderwaffe, wurden sicher die indigenen Tempel gepluendert, ehe man sie zu Synagogen umgewidmem konnte. Genaues weiss man auch hier nicht.

Jetzt wollen wir aber nicht immer nur auf den Juden rumhacken. Die Roemer waren auch nicht besser und haben den alten Hebraeern den zweiten Tempel kurz und klein geschlagen. Beim Siegesmarsch in Rom wurde u.a. die Menora, ein siebenarmiger Tempelleuchter (30 kg Gold)
gezeigt. Der ist hinterher bestimmt nicht aufm Schrott gelandet. Da kann man sicher sein.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/69/Rom%2C_Titusbogen%2C_Triumphzug.jpg/220px-Rom%2C_Titusbogen%2C_Triumphzug.jpg

Wenn wir schon bei den Abrahamiten und den Roemern sind, koennen wir auch gleich noch die Zerstoerung einer der beiden antiken Hoch-Zivilisation den Christen vorwerfen.

Anfangs waren die ja nur eine morbide Doomsday-Sekte des roemischen Plebs und diverser Sklaven-Organisationen, die sich unterirdisch versammelte und hauptsaechlich nutzlose Schriftrollen verbrannte. Die konnten von den Mitgliedern ohnehin niemand lesen. Wenn die damals gewusst haetten, was so ne antike Schriftrolle heute kostet...

Spaeter, als der Weltuntergang ausgeblieben war, haben die Christen die Mission anderer Religionen (Slawen, Kelten, Germanen, Mayas, Azteken, Iren usw.) als Geschaefts-Modell entwickelt.

Das lief so. Nach der Eliminierung der heidnischen Priester und Haeuptlinge, wurden Wertsachen, soweit vorhanden, abtransportiert. Die indigene Landbevoelkerung hatte zudem 10% ihrer Einkuenfte dem Ortsgeistlichen zu spenden. Weltweit kam da einiges zusammen.

Auch in China, der zweiten Hoch-Zivilisation der alten Welt, haben Konfuzianer im achten und neunten Jahrhundert einen hoechst lukrativen Plan durchgezogen.

Damals gab's viele reiche buddhistischen Kloester, die zunaechst wegen un-chinesischer Umtriebe aufgeloestwurden. Moenche und Nonnen schickte man in die Landwirtschaft. Das alles brachte gutes Geld, aber irgendwie war's doch stink normal.

Doch knapp 50 Jahre spaeter wurden die Kloester jedoch neu eroeffnet. Moenche und Nonnen konnten sich wiederum "einkaufen" (Bargeld lacht!) und waren dann lebenslang von allen Steuern befreit! Sehr clever. (Solch ein Steuerbefreiungs- Deal koennte auch heute viele maroden Kloester retten. )

Genug der Beispiele aus aller Welt.

Die christliche Mission von Heiden ist heute ein Zuschussgeschaeft. Nur die Immobilien der alten Zeiten gibt es noch. Die leeren Kirchen werden daher zunehmend als Asylbewerberheime umgenutzt oder als Suppenkuechen fuer Wohnungs- und Staatenlose betrieben. Ohne staatliche Zuschuesse ist allerdings mit solchen Aktivitaeten kein Geld zu verdienen. Moderne Christen sind also auf Teufel komm raus zu selbstlosen Beschuetzern fremder Kulturen mutiert.

Die ISISe wollen zwar auf keinen Fall als "modern" gelten, sondern nur als Bewahrer des wahren Glaubens, als Verteidiger des wahren Koran. Nur geschaeftlich sind sie modern und deutlich besser als die heutigen Christen.

ISIS-maessig agieren Christliche Demokraten in Deutschland nur, wenn's um alte Haeuser geht. Wenn ein besetztes Wohnhaus (staedtebauliches Denkmal aus den 30er Jahren) saniert werden muss, wird, nach dem Polizeieinsatz, dem oertlichen Bauloewen selbstverstandlich das "Entkernen" genehmigt.

Am Ende stehen nur noch Teile der alte Fassade vor den acht Stadtresidenzen in urbaner Lage.

So gesehen musste auch in Mosul ein Museum entkernt werden, um den Propheten nicht laenger zu beleidigen. (OK. Dabei sind ein paar Gipsmaenner im Bauschutt gelandet. ) Und das alte Nimrud wurde mit Bulldozern planiert, weil der Koran das vorschreibt.

Ein deutscher Bauunternehmer haette fuer diese beiden Projekte vermutlich etwas mehr Bakschich als ueblich gebraucht, aber bestimmt keinen Koran.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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