Wie aus einem Loser ein grosser Retter wurde

SuperSiggi im Glueck Sigmar Gabriel's Sieg im Mitgliederentscheid wird als grosser Erfolg gefeiert. Groko oder Untergang, Sein oder Nichtsein: Siggi hat mehr Demokratie gewagt!! Ist das so?

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Als Siggi Pop verspottet, der nie ein Wahl gewonnen hat, kann sich der S. Gabriel aus Goslar gegenwaertig einer beinah einhelligen Bewunderung der Demokraten aller Medien und Couleur erfreuen.
Selbst der sonst immer maekeligen J. Augstein schreibt in der F. Community eine Eloge.
Und H. Seehofer will Siggi's Mitgliederentscheid vielleicht imitieren, sollte seine Nachfolge zu regeln sein. Ein demokratischer Ritterschlag aus Bayern fuer einen Sozi!

SuperSiggi, ein Loser im Glueck.

Die Australier allerdings wissen nichts ueber dieses deutsche Fest der Demokratie, gar nichts. Keine begeisterten Medien-Berichten oder diplomatischen Hymnen. Ungewoehnlich. Wie ist das nur moeglich angesichts der traditonell engen deutsch-australischen Herzenszuneigung?

Dieses Raetsel, ihr Lieben daheim, kann ein kurzer (zugegeben fiktiver) Dialog ueber den Aequator hinweg klaeren.

Erste Frage: Der SPD-Mitgliederentscheid war doch verdammt spannend? Haette SuperSiggi nicht auch verlieren koennen?

Antwort von untern: Natuerlich nicht, sonst waere der SuperSiggi ja bloed gewesen, son Entscheid ueberhaupt vorzuschlagen. (Und bloed isser nicht, echt nicht.)

Zweite, sehr irritierte Frage: Wie, bitteschoen, sollte SuperSiggi denn vorher wissen, wie die Mitglieder entscheiden wuerden?

Antwort von unten: Weil er seine demoskopische Hausaufgaben gemacht hatte und 60% weniger 40% ausrechnen konnte. (Fuer Mathematikfluechtlinge: das Ergebis ist ca. 20%)
Diese Erklaerung ist zwar mathematisch leicht einzusehen (wie die/der Fachfrau/mann sagt), trotzdem und fuer das etwas breitere Publikum, einige zusaetzliche Erklaerungen.

Bereits im Juli/August 2013, also diverse Wochen vor der Wahl, ermittelten die Demoskopen die Groko als Lieblingskoalition der Deutschen nach der Wahl. Jede andere Koalition war deutlicher weniger beliebt. Und der Ruf der Bevoelkerungnach nach der Groko wurde in den folgenden Wochen immer lauter. Auch bei SPD-Waehlern, die bekanntlich mit blossem Auge von SPD-Mitgliedern demoskopisch kaum zu unterscheiden sind. (Was aber waehrend der Abstimmung geheimer gehalten wurde, als die spaeteren Kabinettsliste.)

Als SuperSiggi die Mitgliederentscheidung ankuendigte waren so etwa 60% der SPD-Waehler Groko-affine. Selbst bei einem sehr unwahrscheinlichen "Swing" von ca. 15-20% der Mitglieder gegen die Groko (Stimmen, die ohnehin zumeist im "Weiss-Nicht-Lager" verwunden waeren) haette es immer noch knapp gereicht. Das haben die demoskopischen Spin-Doktors dem engeren SPD-Vorstand lang und breit erklaert. SuperSiggi hat's in der Kaffepause an seinen sechs und vier Fingern nachgerechnet und daraufhin den Mitgliederentscheid ausgerufen.

Zusaetzlich haben die Spin-Demoskopen dem Vorstand noch ein paar Tips gegeben, wie man den "Swing" in die richtige Richtung drehen kann und SuperSiggi hat sich als ausgefuchster Mathematikus dran gehalten.
Der immer etwas aufmuepfige Felix Werdermann hat frecherweise diese kleinen Tricks in der FC veroeffentlich und fuers naechste Mal mehr "Demokratie wagen" angemahnt. Ok.

So ist am Ende alles gekommen wie es gekommen ist. Alle sind gluecklich and they live happily ever after.

Doch halt. Das Problem, warum war der SPD-Mitgliederentscheid fuer Australier keine Ueberraschung war, sondern nur fuer die Deutschen, ist noch immer offen, oder?

Stimmt, aber das ist jetzt leicht zu erklaeren.

Hier unten, bei uns, muss naemlich jeder Abgeordnete einen Wahlkreis gewinnen, sonst ist er kein Abgeordneter. Dabei geht's immer um den "Swing". AustralierInnen sind daher "Swing"-Experten. 3% oder 4% "Swing" in die eine oder andere Richtung sind immer moeglich und koennen den einen oder den anderen Kandidaten bevorteilen. Darueber wird bei Wahlen heiss, heiss diskutiert. Auf solche "unsicheren" Wahlkreise konzentriert sich der Wahlkampf.

Alle anderen Wahlkreise sind sicher.

15-20% "Swing" und gar gegen einen monatelangen Trend? Ha, ha, ha lacht die Australierin, der Australier. Das ist so wahrscheinlich wie ein Vulkanausbruch. Der letzte war hier vor ner Million Jahren. Ha, ha,ha.
Dieses Problem ist damit auch geklaert: SuperSiggi konnte seinen Mitgliederentscheid nicht verlieren, es sei irgend ein Vulkan ...

Heisst das nun, dass die Groko unvermeidlich war?

Darauf kann man aus Australien keine Antwort erwarten weils dort keinen Hitler gab!

Hm, (huestel) stimmt. Aber bitteschoen, was hattn der Hitler mit der Groko zu tun? Wer kommt denn auf so einen Schwachsinn? Unerhoert!

Um den Protest etwas abebben zu lassen, ein Erinnerungen an die politische Lage Deutschlands am 23.September 2013.

Das Wahlergebnis zeitigte bekanntlich eine theoretisch moegliche rot-gruene Koalition mit den Linken (Kommunisten), die aber sofort und nachdruecklich ausgeschlossen wurde. Fast niemand in Deutschland haette mehr ruhig schlafen koennen. Aufstaende sudlich der Mainline waeren zu erwarten gewesen. usw.
Mit einem Wort: rotrotgruenginggarnicht.

Auch Schwarz-Gruen haette die "noetige Mehrheit" gehabt. Aber der Trittin wollte nicht und hat seine Laienspieler als potentiellle MinisterInnen zum CDU-Sondieren mitgebracht. Freundliche Worte gab's und Tschuess. Naja. So kann's kommen.

Blieb also nur die Groko? Nein, nein, nein. Auch eine Minderheits-Regierung waere doch moeglich! Schliesslich fehlen A. Merkel doch nur drei Stimmchen zur Kanzler-Mehrheit!

Aber das will die noch Bundeskanzlerin partout nicht! Und warum? Natuerlich wegen dem Hitler. (Man koennte auch formulieren: "wegen der tragischen Ereignisse am Ende der Weimarer Republik" oder unheilvoll "Weimar, Weimar" raunen. "Hitler" meint das gleiche, ist aber knalliger.)

Der H. ist naemlich (und das weiss doch jeder) nur deshalb an die Macht gekommen, weil's damals in Deutschland nur instabile Minderheiten-Regierungen gab. "Das koennen wir uns nicht nochmal leisten", meinte A. Merkel. "Wenn niemand mit mir koalieren will, gibts eben Neuwahlen, basta."

Nun koennte jemand von den hinteren Baenken her frech einwenden, dass der Hitler doch dran gekommen ist, gerade weil's damals dauernd Neuwahlen gab, die Industrielle dem H. finanzierten.
"Stimmt nicht. Setzen sechs. Ruhe im Karton"

Um solche vorwitzigen Einwaende zu vermeiden, waer's natuerlich viel besser gewesen, haette die AfD ein paar Zehntelchen mehr gehabt und/oder die FDP. Dann haette jeder eingesehen, dass die Groko sein MUSS, weils naemlich sonst ueberhaupt keine Mehrheit gegeben haette.

War aber nicht so und darum wurde in den Medien viel hin und her spekuliert.

Letzlich hat SuperSiggi uns alle gerettet. Er hat sich den SPD-Mitgliederentscheid fuer die Groko an seinen zehn Finger ausgerechnet und gewonnen! (AustralierInnen: Maul halten!)

Damit wurde Siggi-popp, der Loser aus Goslar, zum SuperSiggi und Vorbild fuer alle Demokraten.

Ein Maerchen wurde Wirklichkeit.

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Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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