Wird Afghanistan ein weiterer kaputter Staat?

Die neue US-Strategie. Ein stabiles Afghanistan als dritter islamistischer Staat in Mittel-Asien (neben Iran und Pakistan) ist nicht im Interesse der USA. Ein kaputtes Afghanistan wäre besser

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Das neue Afghanistan, der Staat der Taliban, soll ein Islamisches Emirat werden, auf der Grundlage der Scharia. Derzeit versuchen die verbuendeten Milizen des gewonnenen Krieges in groben Zuegen die zukuenftige Innen- und Aussen-Politik Afghanistans abzustimmen. Das ist sicher schwierig aber machbar, sofern die USA und deren Verbuendete sich raushalten.

Genau das ist nicht zu erwarten.

Die Absicht der USA, ein "demokratisches Afghanistan" zu schaffen ist zwar gescheitert, doch Pentagon und CIA haben eine neue Strategie.
Afghanistan waere nicht der erste Staat, den die USA nach der Beseitigung eines "verbrecherischen Regimes" zu Grunde richten. In Irak, Lybien, Somalia, Syrien hatte das gut geklappt. Warum nicht auch in Afghanistan? Das Pentagon hat die detaillierte Planung seit Jahren "schussfertig" in der Schublade.

Pech, dass Trump Praesident wurde. Der war zu unberechenbar fuer die Planer des Pentagon. Darum musste die "Umwandlung" Afghanistan in einen kaputten Staat um knapp 5 Jahre verschoben werden. Mit dem neuen Praesidenten geht's jetzt aber los.

Inzwischen haben aber China und Russland die Verzoegerung der USA Planung genutzt, um in Afghanistan politischen Einfluss zu gewinnen.

Vor allem wurden regionale Strukturen aufgebaut, in die Afghanistan nach dem Abzug der USA, schnell integriert werden kann. Ob das klappt, muss man abwarten.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Afghanistan das geopolitische Zentrum Mittelasiens ist. Es grenzt an Pakistan, Iran, China und die muslimischen Republiken der ehemaligen SU. Afghanistan ist wichtig fuer den internationalen Handel, vor allem die chinesische Road&Belt Initiative.

Diese Region wollen die USA ihren asiatischen Kontrahenten nicht kampflos ueberlassen.
Der Rueckzug aus Afghanistan ist daher fuer die US-Generale keine Niederlage, sondern der Beginn der Destabilisierung des Landes.

Der schnelle Truppenabzug bei Nacht und Nebel war ein erster Schritt, der ein anhaltendes Chaos in Kabul ausloeste, das die westlichen Medien tagelang ausgeschlachtet haben.

"Die Taliban behindern die Ausreise aller Afghanen vor allem von veraengstigten afghanischen Frauen", heisst es.
Die westliche Regierungen haetten viel zu spaet reagiert und muessen jetzt mit Hilfe von Elitesoldaten ihre afghanischen Kollaborateure (vulgo: "Ortskraefte") herausholen.
Diese Afghanen befuerchten, dass die Taliban die Arbeit einiger ihrer Landsleute fuer die Besatzungstruppen nicht sonderlich schaetzen. Darum Flucht.

Die USA haben tausende "vom Tode bedrohte" afghanische Familien in Sicherheit geflogen. Andere versuchen sich nach Pakistan durchzuschlagen.

Die Aengste einiger Afghanen vor dem Machtwechsel, werden durch die westlichen Medien verstaerkt.
Es gibt Meldungen von Protesten und Aufstaenden gegen das neue, alte Regime.
K-ISIS veruebte einen Selbstmordattentat am Flughafen. Die US-Soldaten auf den Wachttuermen schiessen zurueck und toeten viele der Wartenden. Bilder von Leichenbergen.
Am naechsten Tag berichten die USA von einer erfolgreichen Drohnen-Vergeltung gegen K-ISIS.
Eine Drohne am Tag darauf, verhindert einen weiteren Anschlag, behaupten die USA.

BBC berichtet kurz: Eine dieser Drohnen traf das Auto einer Familie mit sieben Kindern, die durch ein Armen-Viertel fuhren. Alle tot.

Die Wirkungen der ersten Destabilisierungen-Schritte der USA blieben allerdings auf Kabul beschraenkt und hatte, ausserhalb des Flughafens, wenig Wirkungen. Selbst in der Innenstadt Kabuls war das Leben eher normal.

Seit die meisten Staaten ihre Evakuierungsfluege eingestellt haben, ist das Kabul-Flughafen-Chaos ein Medienthema von gestern. Jetzt wird zunehmend ueber die vielen innenpolitischen Probleme und Konflikte der Taliban berichtet.

Eine Auswahl aus dem BBC news-room vorgestern morgen.

Die Weltbank blockiert die mageren Waehrungsreserven des Landes um die Rekonstruktion des Landes zu behindern.
Die Kinder auf dem Land hungern, weil die Ernte so schlecht war.
Die Krankenhaeuser funktionieren zwar, aber ueberall fehlt das notwendiges Verbrauchsmaterial und Medikamente.
Die Grenze zu Pakistan ist geschlossen. Fluechtlinge und Hilfsgueter stauen sich auf beiden Seiten der Grenze.
Im Norden (Pansjhir Tal) sammeln sich Politiker und Militaers des alten Regimes. Auch der Sohn des frueheren Fuehrers der der Nord-Allianz, Massoud ist dabei. Der Parlaments-Sprecher wurde inzwischen als Praesidenten des Landes ausgerufen.

Der Versuch dieser ehemaligen Nord-Allianz sich als Miliz und Fuehrung Afghanistans zu organisieren scheint zunaechst gescheitert. Ob das so bleibt?

Neue Bomben-Attentate werden erwartet. Taeglich gibt es neue Schreckensmeldungen.

Glaubt man den westlichen Medien, so hat Afghanistan jetzt zwei Regierungen und mehrere Milizen, die sich gegenseitig bekriegen.

Die Minimal-Vorausetzungen der CIA fuer einen allgemeinen Buergerkrieg sind somit gegeben.

Ab Mittwoch haben die USA in Afghanistan zwar nichts mehr zu suchen. Sie haben sich aber weitere Intervention gegen Terroristen vorbehalten.

Als zweiten Destabilierungs-Schritt wollen die USA eine Resolution des Sicherheitsrat erreichen, die allen Afghanen das Recht gibt, auszureisen.

Mal abwarten, welche "Projekte" dem Pentagon noch einfallen werden, um Afghanistan weiter zu destabilisieren.

Mal abwarten, was den Afghanen, Russland, China und anderen Anrainer-Staaten einfallen wird, um die US-Strategie zu durchkreuzen.

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Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

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