Es ist der eine kurze Satz inmitten des zweiseitigen Artikels von Richard David Precht (Zeit 01/2016) , der sich einprägt und an Klarheit nicht zu überbieten ist. Moral, so Precht, weiß nichts von Vaterländern und Volkszugehörigkeiten.
Nachdem der Autor zunächst die Perspektiven der Flüchtlingsthematik aufschlüsselt und klar macht, das Menschlichkeit keine Obergrenze kennt, greift er mit seinem Statement über den universalen Anspruch der Moralität in einen weiteren Sachverhalt ein. Es geht bei rationalen Entscheidungen natürlich um Grenzen und Regelungen. Bei moralischen Kontexten aber, geht es um die Grenzenlosigkeit , Supranationalität und um den universalen Anspruch auf das Richtige. Was genau das Richtige ist, stellt Precht im weiteren Verlauf fest. Ein Terrorist ist nicht nur jemand, der sich einer Horde militanter Untergrundkämpfer anschließt, die eine ganze Region destabiliseren. Ein Terrorist ist auch der, der sich mit einem Küchenmesser bewaffnet in den Straßenkampf einer westlichen Kleinstadt begiebt. RAF, NSU, IS, Boko Haram etc. sind terroristische Vereinigungen, die sich aus Individuen zusammenschließen. Es zählt nicht alleine der Charakter einer Gruppe, sondern die des einzelnen. Und deshalb, so Precht, lassen sich die Terroristen des IS nicht mit einer militärischen Intervention besiegen. Waffen schaffen keinen Frieden, schonlange nicht dann, wenn sie planlos eingesetzt werden. Ist der IS zerschlagen,übernehmen andere islamistische Warlords das Ruder und schaffen weiteres Unheil. So wie sich die "Flüchtlingsströme" nicht durch Mauern aufhalten lassen (sich noch nie ließen), lassen sich auch die Verursacher dieser nicht durch Waffen aufhalten. Was fehlt ist eine globale Stratgie mit klarem Ziel. Moralische Grundwerte müssen wir heute endlich global ernstnehmen. Und ernstnehmen schließt hier niemanden aus und alle (auch den einzelnen) mit ein.
Kommentare 2
Heyeiei. Ja, Recht hat er, Moral weiß nichts von Vaterländern und Volkszugehörigkeiten...
Das reicht aber nicht aus, da die Moral überall unterschiedlich gehandhabt wird: in Deutschland keine Todesstrafe, in den USA schon. Angleichung homosexueller Lebensgemeischafen in Deutschland schon, in Russland nicht, in Saudi Arabien wohl eher auch nicht. Moral muss sich entwickeln und kann es erst, wenn ein Mensch entwickelt ist, Menschen entwickeln sich in Staatengebilden mit geltendem Recht und innerhalb von Völkern.
"Moral" als Wort, als Begriff also, ist grenzenlos, nicht aber die Inhalte, die Definitionen, die sind sehr sehr unterscheidlich. Insofern weiß der Moralbesitzer sehr wohl etwas von Vaterländern und Volkszugehörigkeiten...
"Moralische Grundwerte müssen wir heute endlich global ernstnehmen."
Schmarrn! Wer bestimmt die Moral anstatt sie nur zu setzen? Sind die Grundwerte, von denen etwa ein Fanatiker überzeugt ist, nicht auch moralische Grundwerte, nämlich dessen, und entsprechen diese nicht etwa auch dem Kantschem kategorischen Imperativ sogar?