Vom Ende keine Spur

Rechte Gewalt Rassismus und rechte Gewalt macht ratlos. Nicht nur wegen seiner schrecklichen Dummheit, sondern auch weil die schweigen, die laut sein müssten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Als Nachwendekind bin ich in der mecklenburgischen Landeshauptstadt in den Jahren nach dem Mauerfall oft Skinheads und Neonazis begegnet. Lichtenhagen war zwar weit weg, aber die Mädchen mit den rasierten Köpfen und langen blonden Koteletten, die Jungs in Bomberjacken und Springerstiefeln waren omnipräsent. Sie standen an Haltestellen, vor Schulhöfen und hörten laut die Musik, die ich nie verstand. Am Morgen sah man sie Bier trinken, pöbeln und Hitlergrüße durch die Luft wedeln. Mit Beginn meiner Ausbildung und als einer der wenigen öffentlichen Homosexuellen in Schwerin wurde ich Zielscheibe von Beschimpfungen und Drohungen. Rechte Gewalt, das musste ich feststellen, beschränkte sich nicht nur auf körperliche Angriffe sondern auch auf psychische Attacken. Und dennoch schrieb ich es der Orientierungslosigkeit und fast 20%igen Arbeitslosigkeit der Nachwendezeit zu, dass diese (jungen) Menschen nicht wussten was richtig oder falsch war.

Das war damals und ist auch heute keine Entschuldigung für die Taten der anderen, sondern nur eine Idee wie etwas sein kann, damit es sich persönlich nicht mehr so schlimm anfühlt. Aber Wut auf die Dummheit der anderen, lässt sich eben nicht mit der Erkenntnis der intellektuellen Schwäche von Rassisten abmildern.

Nachdem ich die letzten Jahre im außereuropäischen Ausland gelebt habe und jetzt in München arbeite, hat sich das Bild geändert. Die dummen grölenden Jugendlichen sind erwachsen geworden. Zumindest äußerlich. Viele von ihnen arbeiten, haben Kinder und sind dennoch irgendwie noch immer gegen alles was anders und fremd zu sein scheint. Nach anfänglichen Protesten schaffte es die NPD mit dumpfen Sprüchen in einige Landesparlamente. Rechtspopulistische Gruppen stehen vor Flüchtlingsheimen und terrorisieren Menschen, brüllen wieder Lieder die keiner mehr hören wollte und stehen auf Rathausmärkten um angeblich etwas zu beschützen was es Gott sei Dank nicht mehr gibt. Das „gelobte Abendland“ hat sich institutionalisieren lassen. Ich persönlich finde das sehr beängstigend. Und wenngleich es die aufrechten Mitmenschen, die damals in langen Schlangen für mehr Wir sangen und beteten, auch heute gibt, fehlt etwas. Richtig, Kitas in Hamburg sammeln spenden, in München demonstrieren BürgerInnen gegen rechts (München ist bunt), in anderen Städten helfen Ärzte die Flüchtlinge medizinisch zu versorgen und dennoch weiß ich, dass das alles nicht reicht, nie reichen kann bis der rechte Mob schweigt. Denn wie damals, fehlen auch heute die, die lauter sein müssten. PolitikerInnen (allen voran die „Wunderwaffe“ Merkel), SchauspielerInnen und SängerInnen halten sich allzu bedeckt und ich frage mich, warum man wieder die Chance versäumt, dem rechten Schrecken auf moralischen Wegen den Hahn zuzudrehen? Es gilt schon länger nicht mehr, denen aufrecht zu begegnen die irgendwo rumpöbeln, sondern auch die rassistischen Stigmata, die sich durch den Alltag fressen, zu bekämpfen.

Die in Brasilien lebende allround-Künstlerin Fannie Sosa stellte bei ihrem Spaziergang durch Berlin erschreckend fest, die Stadt sei zwar unglaublich offen für alles was „queer“ ist, aber so abschottend gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe. In öffentlichen Verkehrsmitteln werden Menschen die irgendwie anders Aussehen mit Blicken und Statements attackiert. Im Supermarkt und anderen Geschäften einfach ignoriert. Bei Wohnungs- und Arbeitssuchen ganz bewusst benachteiligt. Ja ich weiß, es gibt diesen Rassismus schon lange, nur dieser Hass der 90er Jahre ist groß geworden und irgendwie bin ich ratlos.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martinus Oktobre

Moral, Moral ist wer moralisch ist, versteht er?

Martinus Oktobre

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden