Sozialismus oder Bananen: Wie die amerikanische Linke über Post-Wachstum diskutiert

Degrowth Bananen für alle und Kapitalismus überall: In den USA wird diskutiert, für wen es in einem zukünftigen Ökosozialismus Südfrüchte geben wird. Klingt zwar gaga – ist es aber nicht so sehr
Ausgabe 30/2023
Alles Banane?
Alles Banane?

Foto: Renke Brandt

Wenn ich meiner Oma in Sachsen erklären müsste, dass sich Teile der englischsprachigen Welt im Internet über Bananen im Sozialismus zerlegten, würde sie vermutlich nur lachen. Wo doch jeder Wessi weiß, dass es im Staatssozialismus keine gab! Oder doch: Die Banane als Mangelware war schon immer eher Erfindung des Westens denn tatsächliche Realität. Genauso verhält es sich mit der Debatte in der amerikanischen Linken um die Verfügbarkeit von Bananen im zukünftigen Sozialismus: Sie scheint absurd, leben wir doch in einer kapitalistischen Warenwelt, wo das Vorhandensein eines Überflusses an tropischen Früchten zum Standard im Globalen Norden gehört. Die Debatte zeigt aber zugleich einen realen Konflikt an, der all jene beschäftigten sollte, die diese kapitalistische Realität überwinden wollen.

Die zentrale Linie des Konflikts, der auf Twitter aufbrach, verläuft zwischen dem Lager der Postwachstumsanhänger, auch bekannt als Degrowth, und einem Lager, das man als ökomodernistisch bezeichnen könnte. Zuletzt hat John Bellamy Foster in der traditionsreichen Monthly Review ein starkes Plädoyer für Degrowth vorgelegt, auch der Ökomarxist Kohei Saito plädierte jüngst für einen „schrumpfenden“ Kommunismus. Der Gedanke, dass die Wirtschaft in besonders energieintensiven Bereichen schrumpfen müsse, um die planetaren Grenzen nicht zu überschreiten, erhält auch deshalb immer mehr Zulauf, weil Dürre, Rekordhitze, Tornados und Fluten seine Dringlichkeit belegen.

Kritiker des Degrowth-Ansatzes wie der Ökomodernist Matt Huber halten den Postwachstumsverfechtern aber entgegen, vor allem auf die Sphäre des Konsums zu fokussieren und moralistische Töne anzuschlagen. Der Degrowth-Ansatz laufe politisch auf eine Ökoausterität hinaus, und darauf, Konsum zu reduzieren, weil die Banane in der amerikanischen Küche immer auch die Ausbeutung eines Plantagenarbeiters im Globalen Süden bedeutet.

Womit wir also endlich bei der Banane wären. In ihr spitzte Huber die Debatte über den zukünftigen Ökosozialismus zu: Ob es künftig auch für amerikanische Arbeiter in jedem Supermarkt Bananen geben wird, liege laut Huber hauptsächlich an der Entscheidung darüber, was produziert wird. Und das sollte im besten Fall kollektiv und demokratisch bestimmt werden. Im Sozialismus, so die traditionelle Interpretation, ginge es immerhin um die allgemeine Bedürfnisbefriedigung und nicht um den Verzicht. Ob wir auf Bananen oder Kaffee im Globalen Norden verzichten müssen, liegt also hauptsächlich daran, ob wir die Produktion global anders organisieren als bisher.

Rückkehr des Plans!

Im Grunde sind sich Degrowther und Ökomodernisten einig, dass es einen planenden Staat braucht, um den Umbau der Energieversorgung, der Industrie, des Bau- und Verkehrssektors und der Landwirtschaft zu bewerkstelligen. Insofern liegen sie, was die Realpolitik angeht, nicht so weit auseinander. Die Frage der kommenden Jahre wird ohnehin sein, wie viel staatliche Eingriffe nötig sein werden. China und die USA machen es mit ihren massiven Subventionen von grünen Technologien bereits vor.

Die sozialistische Perspektive aus beiden Lagern läge darin, diese Rückkehr des Staates mit demokratischer Kontrolle zu verbinden. Degrowther würden dabei eher die Stärke der Klimabewegung betonen, während Ökomodernisten auf die Gegenmacht der organisierten Arbeiterschaft setzen. Der Unterschied ist nicht banal, weil er zeigt, aus welcher Klassenperspektive man spricht. Die Frage wird sein, ob es den beiden Lagern gelingt, strategisch zusammenzuarbeiten. Der grüne Kapitalismus kann prima ohne Gegenmacht von beiden leben.

Hinter dieser strategischen Frage steckt aber auch eine ganz grundlegend verschiedene marxistische Auffassung. Degrowther gehen von einer aggregierten Schrumpfung der energieintensiven Sektoren aus, während andere Bereiche wie Pflege, Sorgearbeit oder Bildungsarbeit durchaus wachsen können. Ökomodernisten wiederum halten an der Auffassung fest, dass die Produktivkräfte im Kapitalismus sich nicht vollends entwickeln können und erst im Sozialismus entfesselt werden und für die Bedürfnisse der Gesellschaft einsetzbar sind. Im Grunde geht es für die Linke um eine Erzählung des Schrumpfens oder des Fortschritts. Also um weitaus mehr als Bananen.

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